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Ein Stück Kulturlandschaft

©Cornelia Hefel
Dank des Ersatzneubaus von Architekt Julius Häusler konnten die Bauherren ihr altes Haus im Vorsäß der Kulturlandschaft erhalten.

Jedes Frühjahr und Herbst war der Bauherr als Bub mit seiner Familie und ihrem Vieh auf das Vorsäß am Oberen Geißkopf gezogen. Später gab man die Landwirtschaft auf, behielt jedoch das Gebäude. Als wesentlichen Bestandteil der Kulturlandschaft und der eigenen Geschichte wollten die Bauherren es unbedingt erhalten. Sie vertrauten dem jungen Architekten Julius Häusler die Planung des Ersatzneubaus an, der hervorragend gelang. Wie früher ist das Haus nun wieder ein Teil der Kulturlandschaft.

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Vorsäss: Kleine Holzhäuser, die sich wie Tiere einer Herde zur Gruppe formieren, bilden die typische Siedlungsform des Vorsäß.
Nordfassade: Die Eingangstür markiert die Trennlinie zwischen Ersatzneubau und Bestand.

Steil und kurvenreich schlängelt sich die Straße von Schwarzenberg auf den Oberen Geißkopf. Mit jedem Höhenmeter wird die Luft frischer, die Bebauung schütterer, dafür dehnen sich Wiesen und Wälder umso weiter aus. Träge grasen Kühe am Hang, hin und wieder scharen sich Holzhäuser an verzweigten Straßen wie die Tiere einer Herde zusammen. Diese Siedlungsform ist typisch für das Vorsäß, einer mittleren Höhenlage zwischen Hochalpen und Tal. Sobald dort die Wiesen abgegrast waren, zogen die Bauern mit Familie und Vieh in das Vorsäß. Dort weideten sie die Tiere bis zum Almauftrieb im Sommer. Seit Generationen gibt es diese Drei-Stufen-Landwirtschaft im Bregenzerwald, die UNESCO nahm sie in die Liste des immateriellen Kulturerbes auf.

Der östliche Teil des Hauses sieht von außen aus wie immer, obwohl er neu ist. Innen bietet er deutlich mehr Komfort - hinter den drei Fenstern im Erdgeschoss liegt die große Wohnküche.
Diese Tür bezeichnet die Trennlinie zwischen Ersatzneubau und Stall. Durch die breiten Zwischenräume der Lamellen fällt das Licht nach innen und man sieht, wer kommt.

Sie beauftragten den jungen Architekten Julius Häusler, der sein Studium gerade erst beendet hatte, mit dem Ersatzneubau. "Es ist toll, wenn einem so ein Vertrauen geschenkt wird, jedes Projekt steht und fällt mit den Bauherren", schwärmt Häusler. Der Stall war in den 1960er-Jahren erneuert worden, noch intakt und an einen Bauern verpachtet. Am Haus war nicht viel verändert worden. "Das Jahrhunderte alte Holz konnte man teils sehr gut wieder verwenden, es ist sehr wertig", sagt Häusler. "1807" stand auf einem seiner Holzbohlen, "Gott schütze die Herde" auf einem anderen. Material, das so viel Zeit überdauert hat, verdient Wertschätzung. Die alten Strickwände wurden abgetragen, getrocknet, gesägt, aufbereitet, gebürstet und als Täfer innen wieder eingebaut. Die Außenwand ist mit Holzwolle, das neue Dach mit Zellulose gedämmt und traditionell mit Schindeln gedeckt. "Wir wollten möglichst ökologisch und nachhaltig bauen", sagt der Bauherr. Der Fußboden wird mittels Wärmepumpe geheizt, der alte Holzofen funktioniert bestens.

Viel alte Möbel wurden wieder weiterverwendet und integriert. Auch der Bestandsofen heizt noch immer bestens.
Die Fenster sehen aus wie immer, doch sie sind neu interpretiert. Klappt an sie hoch, hat man fast das Gefühl, im Freien zu sitzen.

"Dieses Haus in einer zeitgemäßen Handschrift wieder aufzubauen, war eine gewaltige Reise. Man lernt sehr viel über das Handwerk", sagt Häusler. "Die Türen haben kein Furnier, sie sind aus Vollholz im Kamm zusammengeleimt. Das ist so wertig, dass man daraus in Zukunft sogar noch einen Tisch machen könnte." Die Fassade besteht aus einem überlappenden Fichtenschirm, über den Fenstern gibt es die typischen Hohlkehlen, die den Regen vor der Fassade abfließen lassen. Das Haus ist ganz aus Holz, es war in drei Tagen aufgebaut, Zimmermann Werner Flatz, der Schreiner Bene Zündel und ein paar weitere Handwerker aus dem Bregenzerwald arbeiteten daran, die Bauherren brachten ihnen große Wertschätzung entgegen.

Das jahrhundertealte Holz konnte man wieder verwenden, es gibt dem Ersatzneubau eine sehr schöne, authentische Atmosphäre.
Von der Arbeitsfläche der Küche aus sieht man durch den Schopf bis hinaus und kann auch mit allen, die dort hereinkommen, Verbindung aufnehmen.

Wie es sich gehört, betritt man das Haus im Schopf – einem Puffer zwischen drinnen und draußen, die neuen Fenster lassen sich nach innen hochklappen, dann hat man den Eindruck, im Freien zu sitzen. Von dort aus kann man den Aufenthaltsraum neben der Stiege oder die Wohnküche betreten. Sie erstreckt sich als großer Raum fast über die gesamte Hausbreite, durch die drei Fenster hat man einen großartigen Blick über die Landschaft, der Aufgang ins Obergeschoß ist mit einer kleinen Galerie über einem Treppenlauf großzügig gestaltet, dort gibt es vier Schlafzimmer und sehr komfortable Bäder. Das Schönste dran: man kann sich in diesem Haus einmieten, wenn die Bauherren es nicht gerade selbst nutzen.

Ein Luftraum ermöglicht den Blick vom Schlafflur im ersten Stock bis zum Eingang.

Daten und Fakten

Objekt Unser Vorsäß, Oberer Geißkopf, Schwarzenberg
Bauherr Monika und Josef Oberhauser www.unser-vorsaess.at
Architektur häusler bau und architektur www.haeusler.work
Projektleitung Postai Jürgen
Statik Flatz Holzbau, Alberschwende www.flatz-holzbau.at
Fachplanung Elektro: Schneider, Schwarzenberg
Planung 01/2018–04/2019
Ausführung 04/2019–12/2019
Wohnnutzfläche 198 m² (zzgl. Keller 47 m²)
Bauweise Wohntrakt: Holzständerbau mit Schindelfassade; Wirtschaftstrakt: Altbestand mit neuem Überlappungsschirm; Massivholzdecken; Kaltdach mit Holzschindeln; Dämmung: Holzwolle und Zellulose; Keller: Mauerwerk; Heizung: Holzofen und Fußbodenheizung mit Wärmepumpe; Innenwände: Altholzund Fichtentäfer, Fenster: Vollholzsprossenfenster; Vollholztüren
Ausführung Zimmerer: Flatz, Alberschwende; Fenster: Bene, Schwarzenberg; Türen und Möbel: Zündel, Schwarzenberg; Elektro: Schneider, Schwarzenberg; Wasser: Walter Fink, Schwarzach; Spengler: Peter, Schwarzenberg; Schindeln: Wälder Schindeler, Hirschau

Text: Isabella Marboe | Fotos: Cornelia Hefel

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