Ein Leben, geprägt vom Glanz der Rhinzigünar

Lustenau (EH) Das waren noch Zeiten, als der Rhinzigünar-Ball in Lustenau der Ball der Bälle war. Zur Hochblüte in den 80er-Jahren fünfmal in einer Saison aufgeführt, „um Karta heät ma fascht g’striottö“, erzählt Sepp Alge von damals als er als Hauptdarsteller bei jeder Veranstaltung in der Bütt stand. Hinter und vor den Kulissen war seine Handschrift zu erkennen. Er schrieb auch die Texte und Parodien für „d‘ Karroziehar“ – das bekannte Duo, das musikalisch für Unterhaltung sorgte. Über viele Jahre brachte Alge als Mitbegründer im Ausschuss der Fasnatzunft seine Talente ein. Als Programmchef, Büttenredner und Texter ging er mit dem ebenso beliebten Zweigespann „d‘Karroziehar“ in Lustenaus Geschichte in Sachen Unterhaltung ein. Außerdem war er 20 Jahre Feuerwehrmann. Er diente der Lustenauer Wehr zwei Jahrzehnte als Brandmeister. Durch die vielen Proben, besonders bei der Fasnatzunft, „glänzte“ er zu Hause oft durch Abwesenheit. Für das große Verständnis ist er seiner Frau heute noch überaus dankbar, „ohne das wäre es sowieso nie machbar gewesen“, bekennt er rückblickend und fügt an: „Sie hat für meine verfassten Texte immer zuerst das Okay gegeben, bevor sie öffentlich wurden.“ Auf das nötige Fingerspitzengefühl seiner Gattin, damit sich niemand auf die Zehen getreten fühlt, konnte er sich stets verlassen.
Im 85. Lebensjahr
Heute steht der allseits bekannte Lustenauer im 85. Lebensjahr. Doch seine Gesundheit ist angeschlagen. „I bion nömma guot z’Fuoß“, bedauert er. Der Rollator dient ihm als Stütze und seit September 2016 nimmt er den Mobilen Hilfsdienst täglich in Anspruch. Isabella Grabher-Meier (61) kommt fünfmal in der Woche. Sie kocht für ihn und schaut dazu, dass der Haushalt rund läuft. Sie übt ihren Job in Vollzeit aus und bringt daher wertvolle Erfahrung mit. Dafür ist der Senior sehr dankbar. Er schätzt das Verwöhnt-werden und auch die Fröhlichkeit, die Isabella in den Alltag bringt. „Sepp ist einfach üsör Schätzli“, bekennt auch Gabriela Sneschitz (51), die jeden Montag und Dienstag die Betreuung übernimmt. „Wir versuchen, unserem Klienten das Leben so schön wie möglich zu machen. Wir gehen mit ihm auch in die ,Walhalla‘ uf a Bierli, halt einfach ondör d’Lüt“, erzählen seine Betreuerinnen, wie sie den Tag abwechslungsreich gestalten.
Sepp Alge stammt aus einer musikalischen Familie. Er ist der älteste Sohn von sechs Kindern (drei Mädchen, drei Buben). „Mear siond am Wiesarouö dohuom g’sin“, merkt er an. Alle, außer ihm, haben ein Musikinstrument gelernt. Der Vater spielte Geige. Doch für ihn selbst war seine klangvolle Stimme das Instrument. Er habe immer gern gesungen, und nicht zuletzt deshalb war er auch der Gründer des Lustenauer Gesangsverein „Eintracht“. Seine Kindheit war nicht gerade auf Rosen gebettet. „Die Nachkriegszeit war damals kein Honiglecken“, erinnert er sich zurück und auch daran, dass der Vater bestimmte, was er beruflich werden soll. Schon als kleiner Bub habe er in der Landwirtschaft bei Bauern mithelfen müssen, meistens als Hüte-Bub. „Wie es halt früher in kinderreichen Familien war, es hatten nicht alle Platz am Tisch“, was nichts anderes heißt: das Geld reichte nicht aus.
Lehrbub in einer Metzgerei
So hat denn der junge Sepp mit 16 als Lehrbub in einer Metzgerei seine Laufbahn begonnen. Zu Fuß, wohlgemerkt, ist er drei Jahre lang zu seiner Arbeitsstelle nach Hohenems gegangen und am Wochenende wieder zurück. Er selbst hätte gerne einen technischen Beruf erlernt. „Aber so war es damals, es hat einen niemand gefragt, der Vater hat für dich entschieden“, erzählt er von einer Zeit, die für die heutige Jugend nur wie aus einem schlechten Film klingt. Gerade deshalb ist er stolz darauf, was er und seine Frau aus dem Leben gemacht haben. Besonders auf das neue Haus in der Schützengartenstraße, das auf dem Grund der Schwiegereltern, nachdem das alte Haus abgebrochen wurde, als schmucker Neubau entstanden ist. Er blickt auf ein gelebtes Leben zurück, geprägt vom Glanz der Rhinzigünar-Zeit. Trotz angeschlagener Gesundheit versucht er, das Beste zu machen. Und die Lebensfreude, die nicht mehr das ist, was sie einmal war, bringen ihm „sini Môudla“ von der MoHi ins Haus. In seiner Stube zeigt er stolz manches Nostalgiestück. Z. B. ein Polyphon, das er zur Jahrhundertwende in Ungarn erworben hat und die Lebensmittelkarten aus der Nachkriegszeit. Dass ihm der Humor nicht abhanden gekommen ist, zeigt eines seiner vielen Gedichte, das er unlängst verfasste.
Zur Person:
Name: Sepp Alge
geboren: 22. 8. 1932 in Lustenau
Wohnort: Lustenau
Familie: verheiratet mit Dagma, 2 Kinder, 4 Enkel
Früherer Beruf: Metzgermeister
Frühere Hobbys: „Rhin-Zigünar“, Schreiben (Texten), Singen, Fischen
Lebensmotto: „Schaffa und leana“ (Arbeiten und Lernen)
Ein Gedicht von Sepp Alge:
Bist du ledig, suchst ne Frau –
such‘ sie hier in Lustenau.
Wenn sie „Äuöli“ sagen kann,
bist du immer besser d’ran.
Kommt am Abend er nach Haus’ –
schlapp und müde sieht er aus –
liegt sie da im Negligee –
verführerisch am Kanapee.
Er gibt seinem lieben Schatz
auf‘s Bäuchlein einen Schmatz
und er sagt zu ihr: Okay,
zuerst aber Riebel und Kaffee.