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Ein Jahr Türkis-Grün: "Es ging nie um Programme"

Alle Blicke richten sich auf die Corona-Pandemie.
Alle Blicke richten sich auf die Corona-Pandemie. ©APA/HANS KLAUS TECHT
Experten attestieren der Koalition insgesamt eine ganz gute Performance im Krisenjahr, die Regierung konnte dennoch nur auf das Coronavirus reagieren. Parteipolitische Programme zogen im letzten Jahr den Kürzeren.

Am Neujahrstag vor einem Jahr haben sich Volkspartei und Grüne auf ein gemeinsames Regierungsprogramm geeinigt - die erste Koalition aus ÖVP und Grünen auf Bundesebene war damit fixiert. Inhaltliche Pflöcke konnte Türkis-Grün bisher kaum einschlagen, denn es kam die Corona-Pandemie dazwischen, und die Koalition war deshalb in ihrem ersten Jahr schlicht "fremdgesteuert", wie Politikexperten gegenüber der APA erklären. Immerhin konnte man so aber Führungskompetenz vermitteln.

Der Ibiza-Skandal rund um den damaligen Vizekanzler und FPÖ-Chef Heinz-Christian Strache hatte die türkis-blaue Liaison im Mai 2019 beendet. Die folgende Nationalratswahl im Herbst 2019 bescherte der ÖVP mit 37,5 Prozent den klaren ersten Platz und den Grünen mit 13,9 Prozent locker die Rückkehr ins Parlament. Nach "nicht einfachen" Verhandlungen, wie Kanzler Sebastian Kurz (ÖVP) es ausdrückte, fanden die beiden inhaltlich so unterschiedlichen Parteien zum Jahreswechsel unter dem Motto "das Beste aus beiden Welten" schließlich zusammen.

"Fremdgesteuertes Jahr"

Wie das in der Praxis funktioniert, ist auch ein Jahr später nicht ganz klar - denn schon ein paar Wochen nach der Angelobung ereilte die Corona-Pandemie das Land, und statt dem Regierungsprogramm standen plötzlich Krisenpläne im Vordergrund. "Das war ein fremdgesteuertes Jahr", stellte Politikberater Thomas Hofer im APA-Gespräch fest. "Als logische Entwicklung haben sich die Prioritäten des Regierungsprogramms teilweise ins Gegenteil verkehrt", erinnert Hofer etwa an das Ziel eines ausgeglichenen Budgets.

Corona habe aber auch den Effekt, dass "Konflikte weniger stark aufgegangen sind, als zu erwarten gewesen wäre", betonte Hofer. Allerdings, glaubt der Experte, wird sich das auch wieder ändern: Ab dem Zeitpunkt, wenn man in der Pandemiebekämpfung Fortschritte erzielt, "werden Konfliktthemen aufpoppen". Hofer denkt dabei an die Verteilungsfrage, also Vermögenssteuern, wie sie die Grünen gerne hätten, oder überhaupt die ökosoziale Steuerreform, zu der es nächstes Jahr sicher verstärkt Vorstöße der Grünen geben werde.

"Es ging nie um Programme"

"Es ging nie um Programme, denn Corona hat alles überlagert", meinte auch OGM-Chef Wolfgang Bachmayer gegenüber der APA. Das traf demnach vor allem den kleineren Koalitionspartner: "Die Grünen konnten sich nicht grün zeigen", man habe vieles nicht kommunizieren können, erklärte der Meinungsforscher, denn die Bevölkerung habe mit Corona nur ein einziges Thema wahrgenommen.

Auch Politikexperte Peter Hajek ortet zwar durchaus Ausnahmen, etwa konkret bei der grünen Umweltministerin Leonore Gewessler: "Die arbeitet ihre Agenda schon ab." Insgesamt bekräftigt aber auch Hajek: "Diese Bundesregierung wurde Anfang Jänner angelobt und dann war Krise." Man müsse bedenken, dass es sich um zwei sehr unterschiedliche Parteien handle, von denen eine auch keine Regierungserfahrung hatte. "Die Regierung hat sich angesichts der Situation wacker geschlagen. Sie war extrem gut im Sprint, aber hat dann zu schwächeln begonnen", befand der Meinungsforscher. "Es läuft nicht mehr so rund", mittlerweile habe man den dritten Lockdown. "Man versucht nach Leibeskräften, das Werkl am Laufen zu halten." Aber, so Hajek, "wir haben keinen Vergleich, und das macht es so schwer, diese Regierung zu bewerten".

Vertrauen in Regierung hoch

Die Vertrauenswerte der Regierenden seien jedenfalls hoch, erinnerte Bachmayer, auch in Umfragen erzielt die Koalition gute Werte. Das liege daran, dass man in der Krise Führungskompetenz vermitteln könne. Auch wenn es zwischendurch, vor allem im Herbst, Unstimmigkeiten gegeben habe, habe die Regierung insbesondere mit dem zweiten verschärften Lockdown letztlich "Handlungs- und Beschlussfähigkeit demonstriert", erklärt Bachmayer. Im Hinblick auf die Zustimmungswerte habe die Krise der Regierung also auf gewisse Art fast genutzt - profitieren könne man freilich nur, wenn man aus Sicht der Bevölkerung letztlich den richtigen Weg gewählt hat.

"Grundsätzlich hat man das in den Augen der Mehrheit der Bevölkerung recht ordentlich gemacht", verwies auch Hofer auf die Umfragewerte für Türkis-Grün. Diese Ergebnisse seien aber auch dem Umstand geschuldet, "dass die Opposition noch immer großteils in den Seilen hängt", meinte Hofer, oder sich wie die SPÖ nur auf relativ niedrigem Niveau stabilisieren konnte. Die nächste Herausforderung steht der ÖVP-Grünen-Koalition freilich schon bevor, und die könnte sich dann auch in den Umfragen niederschlagen, glaubt Hofer: die Wirtschaftskrise als Folge der Pandemie.

(APA/red)

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