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Ein Haus wie eine Landschaft

Wälderhaus. Gelungene Transformation vom Bestand – energetisch und ästhetisch top. Eine junge Familie entscheidet sich für den Umbau eines Hauses aus den 1960er-Jahren.
Wälderhaus. Gelungene Transformation vom Bestand – energetisch und ästhetisch top. Eine junge Familie entscheidet sich für den Umbau eines Hauses aus den 1960er-Jahren. ©Darko Todorovic
Besser als jeder Spielplatz. Baden als Familienerlebnis – und ein Griff zum Vorhang, und man ist für sich. Der Raum fließt, Türen vergrößern sich zu Wandflächen, die Tafelfarbe erlaubt Zeichen auf der Wand.
Aus alt mach neu

Was tun? Die Heizkosten steigen ständig und in den eigenen vier Wänden wird’s eng. Die wachsende Familie nahm sich Zeit, mit dem befreundeten Architekten ausführlich die Frage zu erörtern: Um-, Aus- oder Neubau. Erzählt der Bauherr im von indirektem Tageslicht durchfluteten, rundum holzbekleideten – ja, was ist es nun: Flur, Büro, Treppenraum? Ein Raum, der all das ist, ums Eck geht, mal 4 Meter, mal kaum 2 Meter hoch.

Winzig, kleiner als ein Handy war, was die Entscheidung brachte: ein Modell, noch heute in Ehren gehalten, das die Idee des Hauses auf den Punkt bringt: Räume unter einem neuen Dach mit Raum dazwischen, den Bauherrn vertraut vom bäuerlichen Wälderhaus. Auch da kann man im Haus – von der Tenne – ins Haus – den Wohnteil gehen, mal hoch bis unters Dach sehen, mal sich um Haaresbreit den Kopf anheuen…

Also sind Schlafräume oder Bad im neuen, auf der Decke des alten Erdgeschosses aufgesetzten Obergeschoss, so angeordnet, dass ein vielfältig nutzbarer Zwischenraum, besser: eine Raumlandschaft entsteht, die man nur erlebt, wenn man sich darin bewegt. Gleich große Fenster, mal hier mit üblicher Brüstungshöhe, mal dort mit Sitzlaibung, mal eines über Kopf in der Dachschrägen jedes am richtigen Platz. Ebenso in den Zimmern selbst, die sich mit ihrem naturbelassenen Lehmputz fast höhlenhaft geborgen geben.

Das Raumgefüge des Erdgeschosses innerhalb der Mauern des Bestandes dagegen: Räume, die aneinander stoßen, ineinander übergehen – Küche und Essplatz eine Einheit mit großer Öffnung auf den Freisitz zur Morgensonne, anschließend das Wohnzimmer (mit angehobener Decke) mit ebenso freier Öffnung zur Terrasse in der Mittagssonne, nach Westen ein kleiner Arbeitsraum. Wo früher der Eingang war, sind nun Nebenräume, man betritt das Haus von der Sonnenseite – ganz Wälderhaus.

Einsatz der Mittel

Wälderisch auch die Bauweise: Viel Holz, das meiste aus eigenem Bestand, viel Zeit für viel Eigenleistung. Nur so war eine deutliche Steigerung an Komfort und Volumen unterhalb der üblichen Kosten zu haben.

Den bestehenden Mauern wurde eine Dämmschicht aus 40 cm Stroh im Gefach aus Brettern vorgeblendet, im Obergeschoss fortgesetzt vor dem knapp bemessenen Holzständertragwerk – geeignet für Eigenbau. Analog zur Wand die Dachkonstruktion, jedoch als vorgefertigte Pakete mit dem Kran versetzt. Auch bei der Wandverkleidung, innen wie außen, legte Bauherrschaft mit Hand an, während fachlich Anspruchsvolles – Fenster, Türen, Installationen – ausschließlich Handwerkern vorbehalten blieb. Nicht zuletzt die selbstverlegten Innenwände aus 3 cm starken Brettern sind der Stolz der Bauherrn – und ein wesentlicher Beitrag zum diff usionsoff enen Raumklima und Niedrigenergiestandard. Wie erst Nachhaltigkeit genommen wurde, zeigt nicht zuletzt die wieder verwendete Dachdeckung.

Die äußere Erscheinung

Ungewohnt gewiss, doch schlüssig für dieses „Massivhaus“ mit den großformatigen Schindeln der „Haut“ im Kontrast zum „Fleisch“ der geschliffenen Fensterlaibung. Sollte nicht auch der „Schindelpanzer“ des Wälderhauses diesem einen noblen, städtischen, gemauerten Anstrich geben? In seiner vielgestalten Nachbarschaft spielt das neue Haus jedenfalls – nun mit „richtiger“ Firstrichtung – souverän und ohne Dünkel seinen Part. „Schön“, findet der Bauherr, „wenn der Architekt dem Bauherrn was Gutes tun will.“

(Leben & Wohnen/ Florian Aicher)

DATEN & FAKTEN

Bauherr: Doris und Jodok Simma

Architektur:

DI Georg Bechter,
Architektur+Design,
Gfäll 48, Hittisau,
T. 0699 81515783,
georg@bechter.eu,
www.bechter.eu

Planungsdaten:

Planung 2007 – 2009
Baubeginn 2009
Fertigstellung 2011

Objektdaten:

Grundstücksfläche 874 m²
Bruttogeschossfläche 274,8 m²
Nutzfläche 169,5 m²
Bebaute Fläche 137,4 m²

Projektdaten

Konstruktion:
Ökologische Sanierung: Altbau
Ziegel, mit Holzbau ergänzt,
Isolierung Strohballen, Fassade
Holzschindeln, Niedrigenergiehaus

Ausführung:
Holzbau: Kaspar Greber, Bezau
Kachelofen: Ewald Voppichler, Egg
Betoncarport: Oberhauser Schedler, Andelsbuch
Küche: Traumtischler, Leo Metzler, Bezau

Statik: Eric Leitner, Schoppernau

Energieberatung: Gerhard Ritter, TB Ritter, Andelsbuch

Auszeichnung: Holzbaupreis 2011; Auszeichnung: Sanierung/Bestandserweiterung

Für den Inhalt verantwortlich:
vai Vorarlberger Architektur Institut
Die Plattform für Architektur, Raum und Formgestaltung
in Vorarlberg. Neben Ausstellungen und Veranstaltungen
bietet das vai monatlich öff entliche Führungen zu privaten,
kommunalen und gewerblichen Bauten.
Mehr unter architektur vorORT auf www.v-a-i.at.


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