E-Fuels: Global 2000 nimmt Kanzler Karl Nehammer auseinander

"Es scheint so, als hätte die Porsche-Lobby E-Fuels als Rettung der Verbrennermotoren an Bundeskanzler Karl Nehammer verkauft. Doch der Einzige, der das Märchen noch nicht durchschaut hat, ist der Kanzler selbst. Die Bevölkerung, die heimische Wirtschaft und selbst der Großteil der Autoindustrie haben erkannt, dass unser Bundeskanzler planlos ist. Er hält mit aller Kraft am Status-Quo fest und verhindert so eine zukunftsfähige Transformation der österreichischen Wirtschaft und eine dringend notwendige Verkehrswende", so Viktoria Auer, Klima- und Energiesprecherin von Global 2000.
Global 2000 kritisierts den Auto-Gipfel des Bundeskanzlers scharf: Schon bei der „Rede zur Zukunft der Nation“ von Nehammer sei klar gewesen, dass der Bundeskanler die großen Herausforderungen "unserer Zeit nicht erkannt hat". Die Aktivisten meinten weiter, dass Österreich auf Systeme und Technologien bauen, die zukunftsfähig sind und die sich die Menschen leisten können. Global 2000: "Daher heißt die Devise: Öffentlicher Verkehr, Rad- und Fußwege müssen ausgebaut und gefördert werden. Und die Autos, die weiterhin auf den Straßen bleiben, sollen möglichst effizient unterwegs sein – daher Elektroautos und keine energieintensiven E-Fuels."

Kritik von der FPÖ
Kritik am Kanzler hagelte es auch von der FPÖ. "Der großspurig inszenierte Autogipfel von Bundeskanzler Nehammer ist nichts anderes als eine billige Show", kritisiert heute FPÖ-Chef Herbert Kickl. Kritik kam schon im Vorfeld auch von den Oppositionsparteien. Aber auch im Klimaschutzministerium ist man der Meinung, dass die Zukunft der Elektromobilität gehört. Das sei auch für die österreichische Autoindustrie eine große Chance. Begrüßt wurde die Initiative des Bundeskanzlers hingegen vom Autofahrerclub ÖAMTC, den Autoimporteuren, der Fahrzeugindustrie, Wirtschaftskammer und Industriellenvereinigung sowie der Plattform Erneuerbare Kraftstoffe.
Porsche investierte in Chile
Der Sportwagenbauer Porsche investiert nach eigenen Angaben 75 Millionen US-Dollar in die Entwicklung industrieller Produktionsanlagen für synthetische Kraftstoffe, sogenannte E-Fuels. Wie das Unternehmen bereits im April 2022 in Santiago de Chile mitteilte, hat Porsche 12,5 Prozent der Anteile an HIF Global LLC erworben. Das Unternehmen hat mit Siemens Energy und Porsche in Chile bereits eine Pilotanlage gebaut, die im Dezember 2022 feierlich eröffnet wurde. Beteiligt sind an der Fabrik auch die Unternehmen HIF, Exxon Mobil, Enel, Enap und Gasco.
Video: PR-Clip von Porsche auf YouTube
E-Fuels können mit grünem Strom aus Wasserstoff und anderen Gasen hergestellt werden. "Diese Fabrik ist ein Meilenstein", sagte Porsche-Entwicklungsvorstand Michael Steiner im Rahmen der Eröffnung. Die Anlage Haru Oni bei Punta Arenas ist nach Angaben der Unternehmen weltweit die erste Anlage zur industriellen Herstellung von E-Fuel. Die Kapazität soll bis 2025 etwa 55 Millionen Liter jährlich und bis 2027 rund 550 Millionen Liter erreichen.
"ZiB 2"-Interview: Experte über die Zukunft von E-Fuels
Jürgen Rechberger, Vizepräsident der AVL List und Leiter des Bereichs E-Fuels, spricht über die Bedeutung von Technologieoffenheit und die Zukunft von E-Fuels.
Was sind E-Fuels?
Die synthetischen Kraftstoffe haben ähnliche Eigenschaften und chemische Zusammensetzungen wie konventionelle Kraftstoffe - sie sind kohlenstoffhaltig und flüssig. Hergestellt werden sie aus Wasserstoff und dem Treibhausgas CO2: Wasser wird unter Einsatz von Strom in Wasserstoff und Sauerstoff aufgespalten, der Wasserstoff wird dann mit CO2 zu Kraftstoff verarbeitet.
Wie sauber sind E-Fuels?
Weil E-Fuels bei der Produktion CO2 aufnehmen - aus Produktionsanlagen oder aus der Luft - und bei der Verbrennung wieder abgeben, gelten sie als klimaneutral. Dies gilt allerdings nur dann, wenn für die bei der Produktion benötigte Energie ausschließlich Ökostrom verwendet wird. Bei der Verbrennung entstehen wie bei fossilen Kraftstoffen weitere Emissionen. Der ADAC testete drei Benzinmodelle - den VW Golf VIII, den Ford Fiesta und den VW Golf VII, und zwar auf Kohlenwasserstoff, Kohlenmonoxid, Stickoxid sowie Feinstaubpartikel. Beim Golf der aktuellen Generation mit Partikelfilter waren die Grenzwerte bei beiden Kraftstoffarten "ausgesprochen niedrig", mit E-Fuel sank der Stickoxid-Ausstoß zudem um 40 Prozent.
Sind solche synthetischen Kraftstoffe nachhaltig?
Das kommt auf ihre Basis an. Die Kraftstoffe gelten in der Herstellung nur dann als klimaneutral, wenn der Strom dafür nicht aus fossilen, sondern erneuerbaren Quellen stammt - etwa aus Windkraft, Solaranlagen oder Wasserkraftwerken. Für die Herstellung von E-Fuels kann der Atmosphäre Kohlendioxid entzogen werden. Doch auch dieses Abscheiden kostet Energie, weil die CO2-Konzentration in der Luft sehr gering ist. Die Verbrennung der E-Kraftstoffe in Motoren erzeugt genauso viel umweltschädliche Abgase wie bei Kraftstoffen aus fossilen Quellen. Nur eine geringere Rußfreisetzung ist möglich.
Wie wird E-Fuel getankt?
Dafür könnte das bestehende Tankstellennetz genutzt werden.
Wie gut vertragen Autos den Kraftstoff?
Der ADAC hat im Sommer einen gebrauchten VW Golf mit E-Fuels betankt und mehrere tausend Kilometer fahren lassen. Bei den technischen Eigenschaften, der Leistung und dem Fahrverhalten seien keine Unterschiede spürbar gewesen, so der Lobbyverband.
Werden E-Fuel schon produziert?
Ja, aber nur in Pilotanlagen. Der Kraftstoff für den ADAC-Test etwa stammte aus einer Versuchsanlage in Chemnitz. Audi betreibt eine Versuchsanlage in der Schweiz, Porsche baut eine Versuchsanlage in Chile. Die Denkfabrik Transport&Environment erklärte im Oktober, dass mit den von der Industrie selbst prognostizierten verfügbaren Mengen im Jahr 2035 nur fünf Millionen von dann 287 Millionen Autos in der EU vollständig mit E-Fuels betrieben werden könnten.
Wie teuer sind E-Fuels?
Laut ADAC "scheint heute ein Preis von weniger als zwei Euro pro Liter machbar". Dafür spreche, dass die Produktionskosten für grünen Strom fallen und eine "hochfahrende Massenherstellung" die aktuell sehr teuren E-Fuels günstiger werden lasse. Aktuell sind die Kosten allerdings erheblich höher.
Wie effizient sind E-Fuels?
Der Einsatz von E-Fuels in Verbrennungsmotoren von Pkw ist laut dem deutschen Umweltbundesamt "hochgradig ineffizient". Für dieselbe Fahrleistung muss demnach die drei- bis sechsfache Menge Strom im Vergleich zu einem Elektro-Pkw eingesetzt werden. Auch der ADAC spricht von hohen Wirkungsverlusten.
Wo liegt die Zukunft der E-Fuels?
Das Umweltbundesamt sieht die Zukunft der synthetischen Kraftstoffe wegen des schlechten Wirkungsgrads vor allem im Schiffs- und Flugverkehr. Wasserstoff soll demnach "nur in den Bereichen eingesetzt werden, in denen eine direkte Nutzung von erneuerbarem Strom nicht möglich ist" - vor allem wenn ein hoher Energiebedarf oder große Reichweiten nötig sind, wie im Seeverkehr, im internationalen Flugverkehr oder "unter bestimmten Umständen im Straßengüterfernverkehr".
Was sagen Befürworter?
Nach Ansicht des Sportwagenherstellers Porsche, der in Chile in eine große Pilotanlage investiert, ließen sich mit E-Fuels künftig bis zu 90 Prozent der fossilen CO2-Emissionen im Verbrenner reduzieren.
Die Mittelständische Energiewirtschaft Deutschland als Stimme der Mineralöl- und Energiewirtschaft argumentiert beim Thema Wirkungsgrad, es dürfe nicht nur betrachtet werden, wie viel Energie die einzelne Fahrt verbrauche. Es gehe darum, wie viel Energie benötigt werde und wie viel CO2 ein Fahrzeug von seiner Herstellung über die Fahrleistung bis zum Recycling verursache. Bei dieser Betrachtung schnitten E-Fuels besser ab als andere Technologien.
Weltweit gibt es nach Angaben der Bergakademie Freiberg aktuell noch etwa 1,4 Milliarden Fahrzeuge mit Verbrennungsmotoren. Sie könnten kaum alle in kurzer Zeit verschwinden, ohne für die Produktion alternativer Fahrzeuge enorme Mengen von Energie aufzuwenden. Für Verbrenner könnten synthetische Kraftstoffe deshalb eine Lösung sein. Allerdings seien sie wegen der Abgas-Belastung zum Beispiel in Städten nicht sinnvoll. Autohersteller wie Mercedes oder VW gehen davon aus, dass sich langfristig das Elektroauto durchsetzen wird.
Was sagen Kritiker?
Für den deutschen Bund für Umwelt und Naturschutz sind E-Fuels keine Alternative für die Verkehrswende. Synthetische Kraftstoffe sollten besser nur für den unvermeidbaren Flug- und Schiffsverkehr genutzt werden. Greenpeace nennt die E-Fuel-Perspektive eine Verschwendung sauberer Energie, die man sich nicht leisten könne. Die Heinrich-Böll-Stiftung argumentiert, "grüner" Wasserstoff sei eine rare Ressource, eine Art Champagner der Energiewende. Der sollte nicht für Autos, sondern für Schlüsselindustrien verwendet werden. (Quellen: APA, dpa, OTS/Global 2000)