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Drei Gesichter - Kritik und Trailer zum Film

Eigentlich darf der Iraner Jafar Panahi keine Filme drehen. Doch trotz des Berufsverbots gelingt es dem Regisseur seit Jahren, immer wieder neue Werke zu schaffen. Nun folgt sein nächster Film: "Drei Gesichter". Darin geht es um drei Schauspielerinnen verschiedener Generationen, die im Iran um Gleichberechtigung und Anerkennung kämpfen - und um ihre eigenen Wünsche als Frauen. Das Werk weist klare Überschneidungen zur Realität auf, so spielen sich etwa Panahi und die Frauen selbst.

Mit “Drei Gesichter” (“Se rokh”) zeichnet der iranische Regisseur und Drehbuchautor Jafar Panahi ein eindringliches Bild des ländlichen Iran. Darin zeigt er sowohl die Perspektivlosigkeit der in Traditionen verhafteten Landbevölkerung als auch die dafür verantwortliche Isolation durch die urbane Bevölkerung und gewann in Cannes den Preis für das beste Drehbuch. Ab Freitag im Kino.

Drei Gesichter: Kurzinhalt zum Film

Marziyeh, eine junge Frau aus der iranischen Provinz, schickt der bekannten Schauspielerin Behnaz Jafari ein Video, in dem sie sich selbst erhängt. Sie wollte Schauspielerin werden, doch ihre Familie verbot es ihr trotz bestandener Aufnahmeprüfung an der Schauspielschule in Teheran. Da selbst Jafari Marziyehs früheren Hilfegesuche nicht erhört habe, schickt sie ihr das Video ihres Selbstmordes. Jafari und ihr Regisseur Panahi verlassen ihren Drehort und begeben sich auf die Suche nach der jungen Frau um zu überprüfen, ob sie sich tatsächlich das Leben genommen hat.

Wie Panahis frühere Filme schwankt “Se rokh” (dt.: “Drei Gesichter”, Anm.) zwischen Dokumentation und Spielfilm: Die Hauptfiguren spielen sich allesamt selbst und die Kameraführung erinnert oft an den Dokumentarfilm, besonders durch genretypische Perspektiven und die Teils sehr langen Einstellungen, die auch die beachtliche schauspielerische Leistung der Darsteller aufzeigen. Inszenierung und Kameraarbeit sind durchkomponiert, wenngleich es dem Zuschauer wegen der Natürlichkeit kaum auffällt.

Anhand des dokumentarischen Einschlages erlebt man in diesem rund 90-minütigen Roadmovie, das einen nicht mehr loslässt, zusammen mit den beiden Hauptfiguren Jafari und Panahi unmittelbar eine völlig andere Gesellschaft, die aus der Zeit gegriffen wirkt. Beide Filmschaffende werden mit den traditionellen, meist religiös begründeten Sitten der Landbevölkerung konfrontiert, die beinahe unwirklich erscheinen.

Den von der restlichen Welt abgeschnittenen Dorfbewohnern gehen ihre Ehre und ihre Traditionen über alles: Die Frauen sollen heiraten und nichts lernen, da das sinnlos sei. Vielmehr zerstöre dies den Ruf der Familie. Da die Schauspielerei mit diesen traditionellen Werten nichts zu tun hat, sieht es Marziyehs Familie auch als “Pech”, dass sie die Aufnahmeprüfung an der Schauspielschule in Teheran bestanden hat.

Drei Gesichter: Die Kritik

Panahis Kritik an diesen Umständen ist allerdings nicht plakativ, vielmehr erklärt er die Hintergründe. Die Landbevölkerung ist vom Staat allein gelassen, die Infrastruktur existiert de facto nicht: Der Arzt ist weit entfernt, Straßen können nur in eine Richtung gleichzeitig befahren werden und Strom und Wasser fallen oft aus. Die Gemeinschaft ist alles, was die Menschen am Leben hält, so dass sie mit “unnützem Wissen”, wie sie es nennen, nichts anfangen können. Die Menschen dort haben nichts, außer ihren Ruf und ihre Ehre, auf die sie folglich am meisten Wert legen und sich umso mehr an die Traditionen klammern, die jedoch für junge Menschen keine Perspektiven bieten. Marziyeh, die ein aus heutiger Sicht normales Leben führen will, ist an einem solchen Ort verloren. Ein Leben, dass sich die Stadtbevölkerung nicht vorstellen kann.

Panahi pauschalisiert in “Se rokh” nicht, sondern übt zusammen mit Jafari auch als Teil der gesellschaftlichen urbanen Elite Selbstkritik. Die Dorfbewohner sehnen sich nach dem “guten Leben”, mit dem sie durch die beiden in Kontakt kommen und konfrontieren sie mit ihrer Wut und ihren Träumen. Sie empfinden eine Mischung aus Bewunderung und Verachtung für die beiden Prominenten und betrachten es als Ehre, sie zu bewirten, wenngleich sie es als Schande ansehen, wenn jemand Schauspieler wird.

“Drei Gesichter” zeichnet ein intensives und differenziertes Gesellschaftsbild des heutigen Iran und skizziert die unüberwindbar Kluft zwischen Moderne und Tradition. Mit diesem Film wird der Regisseur, der 2010 im Iran wegen seiner Filme inhaftiert und mit einem 20-jährigen Berufsverbot belegt wurde, das Regime in Teheran wohl nicht versöhnen – im Gegenteil.

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(APA/Red)

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