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Doppelstaatsbürgerschaft schützt Mafia

Verurteilter Straftäter in einem Land, geschätzter Bürger im Nachbarstaat - eine häufige Realität auf dem Balkan. Seit dem Zerfall des ehemaligen Jugoslawien stoßen die Behörden in den Nachfolgestaaten häufig auf dasselbe Problem.
Ihre Fahndung nach einem Straftäter endet immer wieder an der Staatsgrenze zum Nachbarland, in welchem derselbe Mann dank Doppelstaatsbürgerschaft seine Freiheit in vollen Zügen genießt. Sie schützt ihn vor der Auslieferung und dank fehlender bilateraler Regelungen auch vom Strafvollzug in seiner zweiten Heimat.

Die Unterwelt im Raum Ex-Jugoslawiens weiß seit Jahren Doppel- und manchmal sogar drei-, vier- oder fünffache Staatsbürgerschaften geschickt zu nutzen. Dass die Frage der Straftäter mit mehreren Staatsbürgerschaften unter den Staaten der Region dringend zu regeln ist, ist seit einigen jüngsten Fällen mehr als nur augenscheinlich.

Der Anfang Mai vor einem Gericht in Zagreb wegen Kriegsverbrechen zu zehn Jahren Haft verurteilte kroatische Politiker Branimir Glavas setzte sich am Tag, an dem das Urteil verkündet wurde, nach Bosnien-Herzegowina ab. Daraufhin stellte es sich heraus, dass der in Osijek geborene 52-jährige Politiker dank herzegowinischer Herkunft seiner Eltern im vergangenen Herbst auch eine bosnische Staatsbürgerschaft erhalten hatte. Sarajevo kann den verurteilten kroatischen Politiker nicht an Zagreb ausliefern. Zwischen den beiden Staaten gibt es auch keine Regelung, die ermöglichen würde, dass der verurteilte Straftäter seine Haft auch im anderen Land abbüßen könnte.

Zuvor sorgte auch der Fall des im Jahr 2001 abgesetzten kroatischen Mitgliedes des bosnischen Staatspräsidiums Ante Jelavic für Aufsehen. Er war 2005 in Sarajevo wegen Veruntreuung zu zehn Jahren Haft verurteilt worden. Unterschlupf vor der bosnischen Justiz fand der Doppelstaatsbürger in Zagreb. Es sei höchste Zeit, Maßnahmen zu treffen, um den Missbrauch von Doppelstaatsbürgerschaften zu verhindern, warnte kürzlich der Hohe Repräsentant der internationalen Gemeinschaft in Sarajevo, Valentin Inzko.

In Belgrad wurde am Sonntag ein 43-jähriger kroatischer Serbe unter dem Verdacht festgenommen, im vergangenen Oktober am Mordanschlag auf den kroatischen Publizisten Ivo Pukanic in Zagreb beteiligt gewesen zu sein. Der in Ostslawonien geborene Zeljko Milovanovic, nach welchem die kroatische Justiz auch wegen Kriegsverbrechen fahndet, besitzt auch eine bosnische Staatsbürgerschaft. Nun stellte sich heraus, dass Milovanovic, ehemaliger Angehöriger der berüchtigten serbischen Sonder-Polizeieinheit “Rote Barette”, im Jahr 2003 auch eine serbische Staatsbürgerschaft erhalten hatte. In Serbien versteckte sich der Berufskiller dank eines falschen Personalausweises. Bei sich hatte Milovanovic auch einen gefälschten slowenischen Pass. An Kroatien kann der Mann, der nach Erkenntnissen der Ermittler den Sprengstoff neben den Wagen von Pukanic gelegt hatte, nicht ausgeliefert werden. Wenn die kroatische Justiz den serbischen Kollegen ihre Beweise zukommen lässt, wird ein Gerichtsverfahren gegen Milovanovic in Belgrad stattfinden.

Nicht mehr ganz so entspannt können sich seit der Vorwoche die Straftäter mit serbisch-montenegrinischer Doppelstaatsbürgerschaft fühlen. Belgrad und Podgorica vereinbarten mit einem Abkommen, dass in einem Land verurteilte Straftäter ihre Haftstrafe auch im anderen Staat abbüßen können. Bisher war dies nicht der Fall. Manch ein Doppelbürger, nach dem die serbische Justiz fahndete, fand im kleinen Nachbarstaat sicheren Unterschlupf.

Die Liste der Doppelstaatsbürger im Raum Ex-Jugoslawiens, die in Clinch mit dem Gesetz in einem der Nachfolgestaaten gekommen sind, ist lang. Für die Angehörigen der Unterwelt bedeutet der Besitz einer Doppelstaatsbürgerschaft meist weiterhin einen sichere Unterschlupf gleich nach der Straftat. Auch der unterdessen in Belgrad in mehreren Verfahren zu jeweils 40 Jahren Haft verurteilte Hauptorganisator des Mordanschlages auf Premier Zoran Djindjic, Milorad Ulemek “Legija”, soll im März 2003 zunächst ein sicheres Versteck in der Herzegowina gefunden haben. Dies war dank eines echten kroatischen Passes, allerdings auf falschen Namen, möglich.

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