Die Stimmung in der Partei ist schlecht

Von Harald Küng (WANN & WO)
WANN & WO: Du hast dich vor einigen Jahren in einem Interview als Fan von Sebastian Kurz geoutet. Wie siehst du das heute, nach all dem, was in den vergangenen Wochen geschehen ist?
Raphael: Was ich mir damals schon abgeschaut habe, war die Art, wie Sebastian Kurz auf die Menschen, speziell auf die Jungen, zugegangen ist: Ein junger Politiker, der sich einbringen und etwas verändern wollte. Diese Motivation hat mir schon getaugt. Ich war ein Fan dieser Art, sagen wir es einmal mal so. Mir hat auch der Ansatz gefallen, dass wir uns als Partei öffnen und Platz machen müssen für Experten, die nicht parteipolitisch sind. Ich kann diesen Ideen auch heute noch viel abgewinnen. Aber es ist natürlich ein eigenes Thema, was da passiert ist. Niemand kann in eine Person hineinschauen. Und die Ereignisse haben sich zuletzt ja wirklich überschlagen.
WANN & WO: Wie nimmst du die Stimmung in der Partei wahr?
Raphael: Vorweg: Für mich war es immer wichtig, gegen Politikverdrossenheit anzutreten. Zu zeigen, dass man gewillt ist, sich für die Wählerinnen und Wähler stark zu machen, die uns ihr Vertrauen schenken. Da sind solche Meldungen natürlich nicht dienlich. Das ist schon ein Problem. Die Politikverdrossenheit steigt durch solche Dinge, das ärgert mich. Die Stimmung in der Partei ist schlecht, ganz klar. Die Leute tun sich schwer mit der Situation. Das ist aber verständlich.
WANN & WO: Glaubst du an ein politisches Comeback von Kurz?
Raphael: Das Wichtigste ist, dass nun sämtliche Vorwürfe aufgeklärt werden. Und da muss jeder Betroffene seinen Beitrag leisten. Ich habe auch – und das sage ich mit voller Überzeugung – ein blindes Vertrauen in die unabhängige Justiz in Österreich und den Rechtsstaat. Ich bin überzeugt, dass alle Vorwürfe aufgeklärt werden. Was heraus kommt? Man wird es sehen. Ich bin jedenfalls froh, dass Sebastian Kurz Platz gemacht und ermöglicht hat, dass die Bundesregierung weiterarbeiten kann, den ich glaube, dass sie sehr gute Arbeit leistet. Und ich bin mir auch sicher, dass Neuwahlen nicht im Interesse der Steuerzahler im Land gewesen wäre.
WANN & WO: Themenwechsel: Du wurdest im vergangenen Juli erneut als Landesobmann der JVP bestätigt. Was brennt dir besonders unter den Nägeln?
Raphael: Was in der JVP schon immer stark präsent war, ist das Klima-, Umwelt- und Nachhaltigkeitsthema. Aber auch der Ausbau der Digitalisierung, die weitere Entwicklung der Europäischen Union oder Leistbares Wohnen im Ländle beschäftigen uns sehr. Gerade wohnen für junge Menschen ist ja hierzulande Riesenthema! Im vergangenen Jahr blieb aber vieles auf der Strecke, Corona dominierte sehr vieles. Unser Hauptaugenmerk lag hier von der ersten Minute an darauf, die jungen Menschen bestmöglich durch die Pandemiesituation zu begleiten. Vielen Jungen geht es nicht gut in dieser der Zeit. Corona wirkt da wie ein Brennglas: Es zeigt Probleme auf, die bislang nicht so offensichtlich waren. Und ich glaube, dass wir da noch einiges zu tun haben, um wieder herauszukommen.
WANN & WO: Was bereitet dir besondere Sorgen?
Raphael: Was mich sehr beschäftigt, ist diese vergiftete Stimmung in der Gesellschaft – speziell auch in Bezug auf das sehr schwierige Impfthema. Wie das durch manche Familien und Freundeskreise geht, ist doch sehr bedenklich. Corona ist omnipräsent. Wir haben da schon eine brutale gesamtgesellschaftliche politische Verantwortung, dass wir die entstandenen Gräben auch irgendwie wieder zuschütten. Ich hoffe inständig, dass wir das wieder in den Griff bekommen.
WANN & WO: Das Thema wird sehr emotional, zunehmend auch immer aggressiver diskutiert. Wie kann man hier wieder auf eine sachliche Ebene zurückfinden?
Raphael: Puh, wenn ich dieses Erfolgsrezept nur hätte. Ich kann nur sagen, wie ich es persönlich angehe: Ich habe in meinem Bekanntenkreis einige Personen, die völlig konträrer Meinung sind. Und die sagen mir: Raphi, du hörst wenigstens zu. Aber man wird teilweise wirklich extrem angefeindet. Man hört dann schnell: Du bist halt System, schon klar, dass du das propagierst. Und wenn es dann Leute sind, die mich kennen, antworte ich immer: Du kennst mich jetzt schon seit vielen Jahren. Ich bin immer noch der gleiche Raphi, mit dem du auch vor der Pandemie zusammengesessen bist, mit dem du gern mal ein Bierchen getrunken und über Gott und die Welt gesprochen hast – auch wenn wir unterschiedliche Ansichten hatten. Es wäre sehr schade, wenn das verloren geht. Ich finde es deshalb auch sehr wichtig, diesen Menschen weiterhin Gehör zu schenken. Ich werde das auf jeden Fall auch weiterhin tun. Und ich scheue die Konfrontation auch nicht.
Zur Person: Raphael Wichtl
- Alter, Wohnort: 28 Jahre, Bregenz
- Funktion: Landesobmann JVP, Landtagsabgeordneter ÖVP
- In der Partei seit: 2010
- Ausbildung/Beruf: BG Blumenstraße, Jus-Studium Uni Innsbruck, Angestellter Sicherheitsunternehmen G4S, GF WICKIE Online Marketing Agentur
"Ein echter Interessenvertreter für seine Generation"
Roland Frühstück, Klobobmann ÖVP Vorarlberg: "Ich erlebe Raphael als sehr besonnenen Abgeordneten, der an der Sache orientiert ist. Er ist kein 'lauter' und das schätze ich an ihm, weil es schon genug 'Lautsprecher' in der Politik gibt. Raphael ist ein echter Interessenvertreter für seine Generation, hat aber auch ein gutes Verständnis für andere Themen wie etwa Wirtschaftsfragen oder Sicherheitspolitik."
(WANN & WO)