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Die Serviceleute: Schattenmänner als Goldschmiede

Sie sind Goldschmiede und gleichzeitig die unsichtbaren Menschen im Hintergrund. Die Ski-Serviceleute im alpinen Skizirkus arbeiten in Kellern und Containern und kommen nur selten ins Rampenlicht.

Dabei sind sie bei den Winterspielen in Vancouver gefragter denn je. Die feuchte, salzige Meeresluft, absehbare Wetterkapriolen sowie drohende Verschiebungen fordern auch von den Wachslern und Kantenschleifern alles, damit Benjamin Raich und Co. am Tag X eine perfekte Leistung abliefern können.

Speziell bei Olympia wird deshalb ein großer Aufwand betrieben, obwohl die Skifirmen wegen der geringen Anzahl an Teilnehmern weniger Ski als im Weltcup nach Übersee verfrachten mussten. Beim Vorbereitungslager der ÖSV-Herren in Sun Peaks wurde ständiger Kontakt gehalten zu den Testteams, die gleichzeitig im küstennahen Whistler Mountain Gleittests machten. Diese Erkenntnisse, aber auch die Daten der mobilen ÖSV-Wetterstation sowie der Wachsfirmen aus Whistler wurden unmittelbar ins Landesinnere nach Sun Peaks gemeldet und flossen dort in das tägliche Training von Michael Walchhofer, Mario Scheiber etc. ein.

Die Zeiten, als es ein “Wunderski” von einem Läufer über viele Jahre gefahren wurde, sind freilich ziemlich vorbei. Zu oft hat sich das Reglement aber auch die Technologie in den vergangenen Jahren geändert. Gefahndet wird nun eher nach dem optimalen Schliff des Belages und der Kanten. Bei Fischer etwa hat man Ski aus jener Baureihe mit in Kanada, mit denen Hannes Reichelt und Christoph Gruber vor zwei Jahren die Generalprobe in Whistler dominierten. Sie sollen helfen, auch mit den neuen Loch-Modellen den richtigen Weg – etwa für Georg Steitberger im Super-G – zu finden.

Dieter Oberhauser bereitet in Kanada die mit neuartiger Chip-Technologie (“KERS”) ausgestatteten Head-Ski für Klaus Kröll vor. Wie Lindsey Vonn ihrem “Ski-Guru” Heinz Hämmerle, vertrauen auch bei Head die Läufer ihren Serviceleuten fast blind. Während sie vor einem Rennen nur die Einfahrski abholen, bringt der Servicemann die Rennski eigenhändig zum Start.

Dieses fast schon grenzenlose Vertrauen findet man im Skikeller nicht wirklich. Selbst in Sun Peaks arbeiteten die österreichischen Serviceleute in deutlich getrennten Boxen, denn Spionage mag niemand. Bei Olympia werden die Ski-Container zusätzlich streng bewacht.

Bei Atomic und Salomon benötigt man seit dem Firmen-Zusammenschluss hingegen meist nur noch einen Arbeitsraum. Hier fließen enorm viele Daten zusammen, deshalb weiß etwa Michael Walchhofer auch schon, welches seiner 13 und jeweils 10 Kilo schweren Paar Ski er in Whistler Mountain bei “normalen” Verhältnissen nehmen wird.

Das Problem für Walchhofers Servicemann Tom Bürgler, der früher schon Stephan Eberharter und Bode Miller betreut hat, ist der extrem feuchte Schnee in Whistler. Dafür wird der optimale Ski noch gesucht. Fix ist nur, dass Walchhofer in der Abfahrt keinen der neuen “Doppeldecker” sondern einen herkömmlichen Sandwich-Ski fahren wird. Bürgler: “Da hat der Michi einfach noch ein besseres Gefühl.” Salomon-Kollege Michael Haas, für Klaus Kröll und Romed Baumann (Speed) zuständig, ist aber überzeugt: “Für Whistler was Spezielles zu erfinden, würde nicht funktionieren. Die schnellsten Ski des Winters sollten auch hier gut funktionieren.”

Auch Fischer-Servicemann Franz Knauß, einer der drei Knauß-Brüder, genießt das fast blinde Vertrauen seiner Läufer. Der aktuelle Winter sei bisher im Schnitt deutlich kälter gewesen als der vorjährige, glaubt der erfahrene Servicemann einen der Gründe zu kennen, warum manche im Vorjahr noch erfolgreiche Läufer im Olympiawinter noch nicht viel zusammengebracht haben.

Wie hoch der Anteil dieses von offensichtlich nur Männern bekleideten Berufsstandes am Erfolg sei, wollte auch der Steirer nicht benennen. Denn letztlich liege es fast ausschließlich am Läufer selbst, zudem gehe es nicht nur um die Ski alleine sondern vielmehr um die richtige Abstimmung zwischen Ski, Bindung und Schuh, so Knauß.

Dabei weiß niemand so genau Bescheid über die wirklich schnellen Ski, wie ein Servicemann. Deshalb stapelt man in der Szene lieber tief. “Die fünf Prozent Anteil am Erfolg teilen sich Trainer, Masseur und Serviceleute”, scherzte etwa Knauß. “Dafür gehören uns bei Niederlagen die ganzen 100 Prozent!”

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