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Die Schweiz sucht in einer Volksinitiative gerechte Löhne

Chef soll maximal das 12-Fache des Mindestgehalts verdienen - Medien kritisieren Lohnexzesse.
Chef soll maximal das 12-Fache des Mindestgehalts verdienen - Medien kritisieren Lohnexzesse. ©dapd
Die Schweizer stimmen am 24. November über gerechte Spitzeneinkommen ab. Die Initiative "1:12 - Für gerechte Löhne" will, dass der Bestverdienende eines Unternehmens in einem Monat nicht mehr verdient als der Schlechtestverdienende in einem Jahr. Die Vorlage hat aber laut ersten Umfragen einen schweren Stand.

Vor dem Hintergrund der Finanz- und Wirtschaftskrise 2008 bis 2009 und teils enorm hoher Einkommen der Top-Kader nicht nur in der Finanzbranche lancierten die Schweizer Jungsozialisten (Juso) die Volksinitiative “1:12 – Für gerechte Löhne”. Es ist eine emotionale Frage, darin sind sich die Medien einig. Denn Spitzengehälter, in Einzelfällen in der Höhe von mehreren Dutzend Millionen Franken, lassen sich in den Ohren der Eidgenossen kaum rechtfertigen. Stattdessen ist die Rede von “Lohnexzessen”.

Gegner warnen

Den Befürwortern der Initiative aus dem linken Lager und den Gewerkschaften steht die geballte Wirtschaft gegenüber. Auch Regierung und Parlament sind gegen den Vorstoß. Die Gegner sehen nicht zuletzt die Attraktivität des Wirtschaftsstandorts Schweiz in Gefahr und warnen vor staatlichen Eingriffen in den freien Markt. Zudem könnten ihnen zufolge bei einem Ja zur Vorlage die gute Beschäftigungslage und relativ niedrige Arbeitslosigkeit in der Eidgenossenschaft gefährdet sein.

Wirtschaftsminister Johann Schneider-Ammann von der wirtschaftsnahen Freisinnigen Partei (FDP) warnte schon Ende September vor hohen Ausfällen bei der staatlichen Pensionskasse (AHV) und der Arbeitslosenversicherung (ALV). Er bezifferte diese mit 600 Mio. Franken (487 Mio. Euro) pro Jahr, da die Topverdiener überdurchschnittlich hohe Steuern und Sozialabgaben bezahlen.

Ökonomen sehen “pervertierten Markt”

Wie groß die wirtschaftlichen Folgen einer Annahme der 1:12-Initiative wirklich wären, ist auch unter Experten umstritten. Eine Anfang Oktober vorgestellte Studie der Konjunkturforschungsstelle (KOF) der ETH Zürich geht von 1.000 bis 1.300 Unternehmen aus, die von der 1:12-Initiative direkt betroffen wären.

Einige Ökonomen stehen der Initiative positiv gegenüber. Der deutsche Wirtschaftswissenschafter Heiner Flassbeck etwa hat kürzlich gemeinsam mit den Initiatoren von einem “pervertierten Markt” gesprochen: Die sich immer stärker öffnende Lohnschere in den letzten 20 Jahren sei nicht mit reinen Marktvorgängen erklärbar.

Die erste Umfrage des Instituts gfs.bern im Auftrag von SRG SSR (Schweizerische Radio- und Fernsehgesellschaft) von Mitte Oktober ergab ein Patt von je 44 Prozent Ja- und Nein-Stimmen. Damit stehen die Chancen auf eine Annahme der Initiative laut Claude Longchamp, Leiter von gfs.bern, schlecht: “Fast keine Volksinitiative hat Erfolgsaussichten, wenn sie nicht schon in der ersten Umfrage eine klare Mehrheit hinter sich hat.”

Nur in einem Punkt sind sich Befürworter und Gegner einig: Bei dieser Vorlage steht politisch und sozial viel auf dem Spiel.

(APA)

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