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"Die Hörbigers": Eine Schauspieler-Dynastie

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Paula Wessely, Attila, Paul, Christiane und Maresa Hörbiger, Elisabeth Orth und Cornelius Obonya - das sind Namen, die nicht nur für theaterbegeisterte Wiener einen ganz besonderen Klang haben.

Georg Markus, Österreichs beliebtester Plauderton-Biograf von den „Enkeln der Tante Jolesch“ bis zu Sigmund Freud, hat sich in „Die Hörbigers“ (Amalthea Verlag) der „Biografie einer Familie“ gewidmet. Für die Art seiner Annäherung hat Michael Heltau Pate gestanden. Dieser hatte zu Paula Wesselys 85er einst gemeint: „Dass eine Familie, die eine Wessely und viele Hörbigers hat, sehr animierend für Storys ist, liegt auf der Hand. Das ist bei Dynastien so. Bei den Windsors ist es nicht anders.“

Wie es sich für den Haus- und Hofbiografen einer ordentlichen Dynastie geziemt, geht Georg Markus zurück zu den Vorfahren, zu Paula Wesselys Tante Josephine (1860-1887), die Schauspielerin am Hofburgtheater war, zum Ingenieur und Erfinder der „Welteislehre“ Hanns Hörbiger (1860-1931), den Vater von Attila und Paul. Er arbeitet sich durch den Stammbaum (auch den gibt es natürlich in dem Buch, neben vielen Schwarz-Weiß-Fotos) bis hin zur Generation der Kinder und Enkel, von denen nicht wenige – wie Manuel Witting, Christian Tramitz, Mavie Hörbiger oder Cornelius Obonya – ebenfalls den Schauspielberuf ergriffen.

Zwar bemüht sich Georg Markus, den immanenten Hagiographie-Verdacht zu entkräften, in dem er dem Dritten Reich und Wesselys umstrittener Mitwirkung im rassistischen Propagandafilm „Heimkehr“ ausgiebig Raum gibt, doch eine distanzierte, umfassend recherchierte, wissenschaftlich fundierte Biografie ist von ihm nicht zu erwarten. Aber dafür wird er auch nicht von seinen Fans geliebt, sondern für seine unbestrittene Fähigkeit, einen charmanten Erzählton anzuschlagen, Zeitzeugen zu Wort kommen zu lassen, und den Eindruck zu erwecken, nicht nur er selbst, sondern auch der Leser gehe quasi ein und aus in dem berühmten Schauspieler-Haushalt.

Aus der Schlüssellochperspektive gibt es daher etwa Geschichten über Paula Wesselys große Liebe Hans Jaray, den sie jedoch zu Gunsten Attila Hörbigers abblitzen ließ, über die von allerobersten Stellen beschleunigt ermöglichte und wenige Wochen vor Geburt der ersten Tochter erfolgte Eheschließung (Attila war noch anderweitig verheiratet), Ehe- und Nervenkrisen (bei einer solchen soll Paula Wessely im Herbst 1946 mit dem Messer auf ihre damals eineinhalbjährige Tochter Maresa losgegangen sein) oder die Reaktionen der Eltern, als eine Tochter nach der anderen zum Theater ging (sogar Christiane, die eigentlich Zuckerbäckerin hätte werden sollen).

Immer wieder lässt der Autor die Töchter selbst berichten, und diese zeichnen durchaus nicht das makellose Bild einer heilen Welt. „Zu unserer Mutter hatten wir eher wenig direkten Kontakt, sie war selten da und wenn, dann zeigte sie sich streng und distanziert“, berichtet etwa Maresa Hörbiger, „Sie war auf Proben, Tourneen, bei Vorstellungen oder Dreharbeiten.“ Angestellte wie Köchin, Stubenmädchen, Sekretärin und Chauffeur sowie die Nichte „Goschi“ (Doris Mang) kümmerten sich um den Haushalt und nahmen der an ihrer Kunst arbeitenden Paula Wessely allen Alltagskram ab. Georg Markus: „Sie musste nie Babywickeln, Kochen und Geschirrwaschen.“

Georg Markus verfügt durchaus über interessante Quellen, zitiert aus Paula Wesselys Entnazifizierungsakt und druckt Briefe aus dem Familienarchiv ab. Man erfährt etwa, dass sich Arthur Schnitzler die Wessely als Christine in „Liebelei“ gewünscht haben soll (sie spielte die Rolle erst eineinhalb Jahre nach seinem Tod), dass die Luise in „Kabale und Liebe“ die einzige Rolle ist, die sämtliche Damen des „Clans“ gespielt haben (beim Gretchen verdirbt Elisabeth Orth die makellose Statistik), oder dass das Ehepaar das Kriegsende in Tirol erlebte und daher seine ersten Auftritte nach dem Dritten Reich im Innsbrucker Landestheater absolvierten: Während sie von den Amerikanern zunächst mit Berufsverbot belegt waren, nahmen es die französischen Besatzer damit nicht so genau.

Man erfährt, wie ungeschickt Paul Hörbiger den Widerstand unterstützte: mit einem Scheck, der kurz darauf entdeckt wurde. Dass er – wie Paula Wessely und Attila Hörbiger – auf der Liste jener stand, die nur auf Goebbels’ persönlichen Befehl verhaftet werden durften, schützte ihn nur kurz. Und man kann nachlesen, dass das Verhalten der Eltern in der Nazi-Zeit in der Familie später ein Tabu war. Christiane Hörbiger: „Zu uns haben sie nur gesagt: ’Ihr habt keine Ahnung, wie es damals war.’ Eine andere Reaktion gab es zu diesem Thema nicht.“

Georg Markus: „Die Hörbigers. Biografie einer Familie“, Amalthea Verlag, 352 Seiten, 24,90 Euro, ISBN 3-85002-565-9

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