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Die gnadenlose große Schwester

Diesmal war die "Schwester ohne Gnade" an der Reihe und diktierte im Finale von Wimbledon die Familien-Planung.

Mit grimmigem Blick und ohne jedes Mitleid für die kleine Schwester feierte Venus Williams ihren fünften Triumph auf dem “Heiligen Rasen”, wo sie Serena in den beiden “Sister Acts” zuvor 2002 und 2003 noch unterlegen war. In ihrem weißen selbst kreierten Tenniskleid sah die zierlichere der beiden Powerfrauen aus, als könne sie kein Wässerchen trüben. Doch in den 111 Minuten auf dem Center Court, die der “Independent” am Sonntag als “Star Wars” bezeichnete, trieb sie Serena herzlos über den Platz.

“Ohne Gnade”, nannte es die “Daily Mail” und erinnerte daran, was die 28-jährige Venus Williams nach dem Matchball verkündet hatte, den Serena bezeichnenderweise weit neben die Seitenlinie schlug. “Mein wichtigster Job ist, große Schwester zu sein”, sagte sie und fügte ärgerlich hinzu, als die 15.000 Zuschauer auf dem Center Court lauthals zu lachen anfingen: ”Damit ist es mir sehr ernst.”

Dabei war Venus Williams ohne einen einzigen Turniersieg in diesem Jahr ins “Tennis-Mekka” gekommen. Überrascht wurde Venus von ihrer Leistungssteigerung aber nicht: “Wenn ich nach London komme, dann weiß ich, dass ich immer eine Chance auf den Turniersieg habe. Da spielt es keine Rolle, was vorher war”, war sie überzeugt.

Und so war auch von schwesterlicher Fürsorge wenig zu sehen im Finale. Serena warf nach einer flüchtigen Umarmung beleidigt ihren Schläger in die Ecke und würdigte ihre Peinigerin keines Blickes mehr. Wie sehr Venus den Erfolg in ihrem siebenten Wimbledon-Finale binnen neun Jahren schaffen wollte und wie kompromisslos sie dafür kämpfte, hatte die zwei Jahre jüngere Schwester schmerzlich erfahren.

“Ich weiß jetzt, was ich das nächste Mal zu erwarten habe, wenn ich gegen sie spiele”, sprach Serena von dem Volley ihrer Schwester, der sie fast niedergestreckt hätte. “Ja, das ist mein bester Schlag. Den bevorzuge ich, weil man ihn nicht abwehren kann”, erwiderte Venus grinsend. Auf der Tribüne erschraken auch die neunfache Wimbledon-Siegerin Martina Navratilova und Billie Jean King (sechs Titel). Die beiden “alten Damen” des Profi-Tennis stehen in der Siegerliste noch vor Venus. Wie auch Steffi Graf, die 20 Jahre nach dem ersten ihrer insgesamt sieben Triumphe bei dem bedeutendsten Grand-Slam-Turnier nicht in der königlichen Loge saß.

“Oh Gott, jetzt sind es fünf, wow”, sagte Venus nach ihrem insgesamt siebenten Grand-Slam-Sieg und dem zweiten nach fünf Niederlagen in den Major-Finali gegen Serena, die noch immer einen Erfolg mehr hat bei den großen vier Turnieren. Venus bejubelte den Sieg mit wildem Hüpfen auf dem Centre Court. “Weil die Partie so spannend verlief, so ausgeglichen, und ich phasenweise derart unter Druck stand, bejubelte ich den Sieg wohl etwas ausgelassener”, so Venus, die das Turnier ohne Satzverlust gewann.

Zwar hatte es fünf Jahre gedauert, dass sich die Geschwister Williams wieder einmal in einem Grand-Slam-Finale gegenüber standen (zum insgesamt 7. Mal), aber es wird wohl nicht das letzte Mal gewesen sein. Nach dem Rücktritten von Justine Henin und in Anbetracht der Motivationsprobleme von Maria Scharapowa ist gut möglich, dass die US-Amerikanerinnen das Frauen-Tennis noch einmal dominieren können. “Wenn wir beide gesund bleiben und ununterbrochen Turniere spielen können, dann rechne ich sogar damit”, sagte Venus Williams.

Die Engländer bejubelten am Samstag aber nicht nur Venus Williams, sondern auch die erst 14-jährige Londonerin Anna Robson, die als erste britische Nachwuchsspielerin seit 24 Jahren das Juniorinnen-Turnier gewann. Mit 14 triumphierte zuletzt Martina Hingis 1994 in Wimbledon bei den Junioren (U18). In den vergangenen 30 Jahren schafften es (dank der exorbitanten Summe, die der englische Verband dank Wimbledon in den Nachwuchs stecken kann) fünf englische Junioren in ein Wimbledon-Finale. Der Durchbruch gelang jedoch keinem.

Nun hoffen die Engländer, dass Anna Robson nicht das gleiche Schicksal wie ihre Vorgänger ereilt. Robson genoss ihren Triumph in vollen Zügen. Zum Champions Dinner erschien sie jedoch ohne männlichen Begleiter. Robson lud Marat Safin als Begleiter ein, der Russe gab ihr aber per Brief (der vom Manager überreicht wurde) einen Korb. Das Fest ließ sich Robson aber nicht verderben, “Marat ist ohnehin zu alt für mich”.

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