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Eine Stadt wird geboren: Die Stunde Null der Wiener Seestadt Aspern

Die Wiener Seestadt bei ihren Anfängen. Von den geplanten 20.000 Bewohnern ist noch nicht viel zu spüren.
Die Wiener Seestadt bei ihren Anfängen. Von den geplanten 20.000 Bewohnern ist noch nicht viel zu spüren. ©Amadeus Waldner
Sie gilt als größtes urbanes Projekt, das Wien je gesehen hat. In der Seestadt im Norden von Wien sollen bis 2028 etwa 20.000 Menschen leben, bislang ist rund ein Viertel bewohnt. Wir sprechen mit dem Fotografen Amadeus Waldner, der die Stadt auf seinen Fotos festhielt.


10.500 Wohnungen, 15.000 Büroarbeitsplätze – die Planstadt Seestadt im Norden von Wien ist ein Projekt der Superlativen. Mehrere Tausend Menschen sind bereits in die Seestadt gezogen, aber solche Großprojekte brauchen ihre Zeit. Beim Lokalaugenschein von Fotograf Amadeus Waldner zeigte sich der Wiener Stadtteil noch wie ausgestorben. VIENNA.at hat mit ihm über seine beeindruckenden Bilder gesprochen.

VIENNA.at: Deine Fotos von der Seestadt wurden bereits für mehrere Auszeichnungen nominiert. Wann hast du die Fotos geschossen?

Amadeus Waldner: Sämtliche Bilder sind bis dato über einen längeren Zeitraum im Frühjahr des letzten Jahres entstanden.

V.at: Da kam es gerade zur ersten Einzugswelle in der Seestadt. Deine Fotos zeigen aber nur blanken Beton und leere Straßen. Was hat dich bei deinem ersten Besuch fasziniert?

A.W.: Mein erster Besuch in der Seestadt hat mich vor allem überrascht: Vor über zehn Jahren habe ich für einige Jahre in Wien gelebt und kannte das ländliche Gebiet, wo jetzt Hochhäuser und Bürokomplexe in die Höhe ragen. Dass sich diese Gegend nun dermaßen verändert hatte, erfüllte mich mit Staunen. Die neu geschaffenen Strukturen, sozusagen das Grundgerüst der Stadt fallen natürlich als erstes ins Auge.

V.at: Und was war das Ziel deiner Bilderserie?

A.W.: Ich versuche in meinem Projekt ein Gefühl für die ersten Schritte einer Stadt zu vermitteln. Die Stunde Null in der Geschichte der Seestadt.

V.at: Ganz ehrlich, auf deinen Fotos finden sich kaum Autos, kaum Menschen und kaum Leben. Hast du gezielt nach verlassenen Plätzen gesucht?

A.W.: An den Tagen als ich dort war, hat sich mir die Seestadt genau so präsentiert. Ich musste weder nach verlassenen Plätzen suchen noch lange warten, bis keine Autos oder Menschen zu sehen waren. Das kam mir bei der Intention des ersten Teils meiner Arbeit entgegen. Ich habe mich bewusst auf die neu geschaffenen Strukturen konzentriert. Ich will aber keinesfalls eine Stadt ohne Menschen oder ohne Leben zeigen. Unglücklicherweise wurden bei zwei Publikationen ohne mein Wissen Titel gewählt, die genau dies suggerieren.  

V.at: Heißt das, dass es auch lebendige Bilder der Seestadt geben wird?

A.W.: Das Leben und die Bewohner der Seestadt werden noch eine wesentliche Rolle spielen. Mein Besuch war nicht einmalig, sondern Teil eines Langzeitprojekts.

V.at: Du kamst also auch mit den Bewohnern in Kontakt?

A.W.: Natürlich bin ich während meiner Arbeit über die Seestadt mit vielen Bewohnern in Kontakt gekommen. Dabei sind mir einige Gespräche, zum Teil auch zwiespältige Ansichten in Erinnerung geblieben. Grundsätzlich hatte ich jedoch das Gefühl, dass sich die Menschen in der Seestadt wohlfühlen.

V.at: Bis 2028 sollen in der Seestadt 20.000 Menschen leben und arbeiten – quasi ein pulsierender Stadtteil soll entstehen. Konntest du dir das bei deinem Besuch schon vorstellen?

A.W.: Man hat Bilder im Kopf – hier könnte es einmal so aussehen oder hier wird sich dies oder jenes abspielen. Bei solch großen Projekten ist es jedoch schwierig abzusehen, wie und in welche Richtung sich etwas entwickeln wird. Die Strukturen wurden geschaffen, aber letztendlich sind es die Menschen, die einem Ort seine Stimmung und Ausstrahlung verleihen. Diese weitere Entwicklung, sozusagen der zweite Schritt in der Geschichte einer Stadt, wird in meinem Fotoprojekt über die Seestadt einen wesentlichen Bestandteil darstellen.

V.at: Du fotografierst neben der Seestadt auch viele andere stille Orte und Plätze. Was ist so besonders daran?

A.W: Ich mag die Ruhe und ruhige Orte. Lärm ist heute omnipräsent. Die Orte der Stille sind selten geworden. Eine gewisse Sensibilität dafür hat sich bei mir vor einigen Jahren entwickelt. Damals habe ich für ein Magazin eine Deutschlandreise zum Thema Stille fotografiert. Längst ist es nicht mehr nur in Großstädten laut, die Dauerbeschallung erreicht auch ländliche Gebiete und verfolgt uns letztendlich bis in unsere eigenen vier Wände. Einsam sind diese Orte der Stille nicht.  

V.at: Stille und Fotos, hören und sehen, wie kann das zusammenpassen?

A.W: Ich versuche in meinen Bilder ein Gefühl für diese Orte zu vermitteln. Akustische Wahrnehmung fotografisch umzusetzen ist ein spannendes Gebiet.

Mehr zum Fotografen

Fotograf Amadeus Waldner stammt aus dem Südtiroler Vinschgau und lernte sein Handwerk an der Hochschule Hannover. Er fotografierte u.a. für die Frankfurter Allgemeine Zeitung oder das ALPS Magazine. Auf Instagram zeigt er eine erlesene Auswahl seiner Werke, mit Schwerpunkt auf Natur, Architekur, aber auch Menschen. Auf seiner Website finden sich zudem Portraits und weitere Werke.

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