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"Die Gastronomie braucht mehr innovative Konzepte"

Hotelier Peter Fetz.
Hotelier Peter Fetz. ©Sams
Vor zwei Jahren übernahm Peter Fetz den Schwarzenberger Hirschen von seinem Vater. W&W sprach mit dem Gastronom, Querdenker und leidenschaftlichen Wirt über seine Branche.

Von Joachim Mangard/Wann & Wo

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WANN & WO: Wie hast du den Hirschen aus deiner Kindheit in Erinnerung?

Peter Fetz: Ich bin quasi im Betrieb aufgewachsen. Vor der Schule hatte ich im Servicebereich meinen kleinen Hocker, auf dem ich immer mein Frühstück verzehrt habe. Meine Kindheit war unbeschwert, wir waren eine echte Rasselbande und haben nachmittags auch die Vorzüge eines Hotels genossen, wenn ich meine Freunde zu einem Apfelstrudel eingeladen habe. Und manchmal fanden ein paar Münzen aus der Trinkgeldkasse den Weg in den Kaugummi-Automaten an der Straßenecke (schmunzelt).

WANN & WO: Seit 2017 hast du die Zügel im Hotel Hirschen in der Hand. Wann war für dich klar, dass du das Unternehmen weiter führst?

Peter Fetz: Im zarten Alter von vier Jahren. Das behauptet zumindest meine Mutter, denn da hätte ich zum ersten Mal meinen Berufswunsch Hotelier geäußert. Spaß beiseite, natürlich hat meine Ausbildung schon darauf abgezielt. Konkret wurde es dann mit 20, als ich mich voll und ganz dem Beruf verschrieben habe. Gereizt hat mich vor allem das breite Anforderungsprofil. Egal ob Interieur, Ausrichtung, Kulinarik, Personalstruktur – die Vielfalt und die kreativen Entfaltungsmöglichkeiten in einem touristischen Betrieb haben mich gereizt.

WANN & WO: Hotelier in zehnter Generation. Welche Rolle spielt Tradition für dich?

Peter Fetz: Eines meiner Lieblingsthemen, die „Traditionskeule“. Als ich den Hirschen übernommen habe, entschied ich mich für Veränderung. Im Innenbereich habe ich bei Möbeln, Kunst oder Farbgebung moderne Akzente gesetzt – ohne die Bausubstanz zu verändern. Ich bin ein Freund von Kontrasten – junger Geist in alten Gemäuern. Die ersten, die sich darüber aufgeregt haben, waren jene, die man das ganze Jahr über nie in unserem Haus sieht. Wofür steht eigentlich Tradition? Wenn man sich die Geschichte der Hirschen-Wirte genauer betrachtet, findet man einen gemeinsamen Nenner. Sie waren allesamt weltoffen, haben den ganzen Globus bereist und versucht, neue Einflüsse und Ansätze für den Betrieb zu finden. Diesen Traditionsbegriff lebe ich gerne weiter. Gleichzeitig zählt aber auch die Institution des bäuerlichen Sonntagsstammtisches zu unserem Traditionsbegriff. Die Menschen verwechseln diese Begriffe gerne. Wiener Schnitzel ist nicht gleich Tradition. Zumindest nicht im Bregenzerwald. Trotzdem mögen wir es alle und damit hat es auch eine Berechtigung auf unserer Karte.

WANN & WO: Wie ging bei euch die Hotel-Übergabe vonstatten?

Peter Fetz: Mein Vater kam mich in Wien besuchen und hat nicht lange gefackelt. Er meinte nur trocken: „Peter, in zwei Jahren wäre es dann soweit“ (schmunzelt). Nach der Übergabe haben wir uns eine Deadline von zwei Monaten gesetzt, ab diesem Zeitpunkt hatte ich dann alle operativen Tätigkeiten unter mir. Mein Vater steht mir mit Rat und Tat zur Seite und respektiert meine Entscheidungen, auch wenn wir einmal nicht derselben Meinung sind.

Sams

WANN & WO: Wie würdest du den „Patron“ Franz Fetz charakterisieren?

Peter Fetz: Ich würde ihn als Denker und Visionär beschreiben, fast schon eine Art Künstler. In Sachen Umsetz­ung zwinge ich mich vielleicht eine Spur mehr. Es gibt aber starke Parallelen, gerade in seiner Anfangszeit war er ebenfalls bekannt für ausgefallene gastronomische Konzepte, wie z.B. Langustenwochen, oder Bars und Sub-Brands in Zusammenarbeit mit Sigi Innauer und der damaligen im positiven Sinne „verrückten“ Ur-Vakanz-Truppe.

WANN & WO: Wie hat dich deine Zeit in Wien geprägt?

Peter Fetz: Dort habe ich gelernt, aus wenig Budget das Maximum herauszuholen. Die Zeit mit Luke Bereuter, in der Tonstube und dann im Ludwig & Adele, war sehr intensiv. Wie haben uns in allen Belangen an den Grenzen bewegt, oft waren es schwere Zeiten. Irgendwie haben wir es aber geschafft. Egal ob vom Unternehmerischen oder beim Steuerrecht, wir haben uns alles selbst beigebracht – uns fehlte schlicht das Geld für Anwalt oder Steuerberater. Im Hotel Sans Souci folgte dann das komplette Gegenteil. Von „Management by Survival“ zu einem satten Marketingbudget, das es zu verwalten galt.

WANN & WO: Wie würdest du deine persönliche Firmenphilosophie für den Hirschen in Worte fassen?

Peter Fetz: Der Hirschen soll ein Refugium für die Seele sein, ein Platz der Inspiration. Außerdem pflege ich eine eigene Unternehmenskultur. Viele Menschen arbeiten auf ein Ziel hin und verlieren dabei das Wesentliche aus den Augen: Der Weg dorthin soll auch Spaß machen. Dies gilt es im Umgang mit Mitarbeitern umzusetzen. Arbeitszeit ist Lebenszeit. Ich bin stolz auf meine Truppe und glaube, dass wir eine gute Balance haben. Gerade unsere Branche braucht neue Ansätze, um das Problem des Personalmangels in den Griff zu kriegen. Unsere Kellner sind keine „Teller-Sherpas“, sie begegnen Gästen als kulinarische Berater auf Augenhöhe.

WANN & WO: Personalmangel in der Gastronomie: Was muss sich ändern, damit man diese Herausforderung in den Griff bekommt?

Peter Fetz: Der Tourismus muss ähnlich wie die Industrie die Möglichkeiten schaffen, neue Arbeitgebermarken zu schaffen. Die Branche muss sich aber auch selbst an der Nase nehmen – die schwarzen Schafe müssen geschlachtet werden. Gute Arbeit muss honoriert werden, Mitarbeiter dürfen nicht mit fadenscheinigen Gutscheinen abgespeist werden. Transparente Lohnsysteme und gerechte Vergütigungen müssen endgültig auch in unserem Segment Einzug finden.

WANN & WO: Das löst aber nicht das Problem der saisonalen Arbeitskräfte.

Peter Fetz: Hier liegt die Herausforderung in der Gesamtstruktur. Ein wichtiger Bestandteil vom Recruiting-Erfolg in unserem Haus liegt darin, dass wir Ganzjahresstellen anbieten können. Warum nicht statt AMS-Ausgleichszahlungen Modelle fördern, die Ganzjahresbeschäftigungen forcieren?

WANN & WO: Wie können die heimischen touristischen Betriebe konkurrenzfähig bleiben?

Peter Fetz: Vielleicht sind zwischengelagerte Firmen, die kleineren Hotels Supportprozesse wie Buchhaltung, Lohnverrechnung, Social Media oder Marketing abnehmen, eine Lösung. Unsere Elterngeneration hat alles dem Betrieb untergeordnet. Wenn kein Bett mehr frei war, gab man noch das eigene her und schlief auf dem Kanapee. Die heutige Generation legt Wert auf eine gesunde Work-Life-Balance. Betriebe müssen sich besser strukturieren. Die Gastonomie braucht mehr innovative Konzepte.

WANN & WO: Thema Rauchverbot: Wie beurteilst du den jahrzehntelangen Hickhack?

Peter Fetz: Ich bin grundsätzlich ein Freund von Eigenverantwortung und persönlicher Freiheit. Wir brauchen endlich eine Lösung, auch in Anbetracht des internationalen Vergleichs – deshalb bin ich froh, dass dieses „FPÖ-Wahlzuckerl“ nun sein Ende gefunden hat.

WANN & WO: Wie machst du euer Haus zum „Platzhirschen“?

Peter Fetz: Einerseits möchte ich eine ansprechende Marke schaffen, sowohl für Einheimische als auch für Gäste. Andererseits setze ich auf Unternehmenskultur à la „Management by positive Attitude“. Ich habe das Gefühl, dass sich unser Team mit dem Haus positiv identifiziert. Meine Mitarbeiter haben Spaß und kommen auch mit Ideen auf mich zu, wie wir uns verbessern können. Außerdem möchte ich verstärkt das regionale Produzenten-Netzwerk in unseren Menüplan integrieren. Digitales Marketing im Tourismus steckt bei uns im Land ebenfalls noch in den Kinderschuhen. Hier soll der Hirschen ebenfalls eine Vorreiterrolle einnehmen und positive Impulse setzen.

WANN & WO: Zählt „Wälderness“ zu diesen Impulsen?

Peter Fetz: Genau, wir haben das Angebot unseres „Kultur-Salons“ mittlerweile um Konzerte, Lesungen, Kabarett oder ein kulinarisches Kino erweitert.

WANN & WO: Mit was kann man dich verführen?

Peter Fetz: Mit gutem Essen und gutem Wein – egal ob gute Hausmannskost oder achtgängige Tasting-Menüs, die Qualität muss stimmen. Ein besonderes Faible habe ich für Naturweine und asiatische Küche.

WANN & WO: Wie würdest du dich persönlich charakterisieren?

Peter Fetz: Ich glaube, ein guter Allrounder zu sein, der sich mit vielen Dingen ein wenig auskennt. Neugierde und Kreativität zählen sicher auch zu meinen Stärken. Inzwischen habe ich Fortschritte in Sachen Umsetzung gemacht. Das zählt genauso wie Ungeduld und Ehrgeiz zu meinen weniger guten Eigenschaften.

WANN & WO: Du bist ja mit der frisch ins EU-Parlament beorderten Claudia Gamon zusammen. Ihr seid beide voll berufstätig, wie oft seht ihr euch überhaupt?

Peter Fetz: Im Wahlkampf habe ich sie meist nur im TV gesehen. Meiner Meinung nach ist die Beziehungskonstellation Wirt und Politikerin die ideale. Beide arbeiten am Wochenende und am Abend – direkt am Menschen und am Puls der Zeit. Ich habe mich auch für einen „Wirtshaus-Wahlkampf“ angeboten, mein „Joker“ wurde aber nie abgerufen (schmunzelt).

WANN & WO: Steht bei euch schon Familienplanung im Raum?

Peter Fetz: Das fragen mich momentan interessanterweise alle. Irgendwann sicher, wir agieren aber beide in neuen und herausfordernden Betätigungsfeldern. Noch sind wir jung, wir lassen uns Zeit.

WANN & WO: Welche Themen dominieren aktuell den traditionellen Bauernstammtisch?

Peter Fetz: In letzter Zeit wurde natürlich viel politisiert und auch Claudia wurde verhandelt – mit und ohne mich (schmunzelt).

WANN & WO: Wie verträgt sich der Schwarzenberger Bauer mit dem Fine-Dining-Klientel?

Peter Fetz: Am Sonntag Vormittag gehört die Jägerstube den Bauern. Da fährt der Zug drüber.

Wordrap

Hirschen: Lebensaufgabe.
Lieblingsessen: Fischsuppe.
Familie: Rückhalt.
Bier oder Wein: Die schwierigste Frage der Welt.
Liebe: ... und beste Freundin in einem.
Urlaub: So oft wie möglich.
Bregenzerwald: Heimat.
Stress: Meditation.

Zur Person Peter Fetz

Wohnort, Alter: Schwarzenberg, 29
Familienstand: In einer Beziehung mit Claudia Gamon
Funktion, Werdegang (Auszug): Hirschenwirt, Tourismusschule Bludenz, Master Tourismusmanagement, GF Ludwig & Adele, ­Marketing Director Hotel Sans Souci

(Text: Joachim Mangard/Wann & Wo)

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