„Die Ärzte sagten, ich werde nie wieder laufen“: Wie sich Daniel Ganahl ins Leben zurückkämpfte

Der 28-jährige Skibergsteiger, bekannt für seinen Ehrgeiz, seine Zielstrebigkeit und die Liebe zu den Bergen, war am 19. Juli des vergangenen Jahres mit dem Rennrad unterwegs.

Er wollte nach Deutschland fahren, auf ein Kaffee-Date mit seiner Freundin. Daniel war an diesem Tag etwas schneller unterwegs als sonst und fuhr deshalb noch eine kleine Extraschleife. Eine Schleife, die ihm zum Verhängnis wurde.
"Sie mussten mein Gesicht zurechtrücken"
Er erinnert sich daran, dass er bergab fuhr und ihm plötzlich ein Auto auf seiner Spur entgegenkam. Das letzte, an das er sich erinnern kann, ist, dass er sich "Du Depp, du" dachte. Danach weiß er nichts mehr.
Daniel überlebte den Unfall schwer verletzt und musste im Gesicht notoperiert werden. Erst als ihn die Ärzte in der Nacht aufwecken wollten und er sich nicht rühren konnte, bemerkten sie die schweren Verletzungen an der Wirbelsäule und am Rückenmark. Daraufhin folgte die nächste Notoperation an der Wirbelsäule und rund eineinhalb Wochen später dann die dritte Operation, wieder im Gesicht. "Da haben sie nochmals alles zurechtgerückt", sagt der Sportler mit einem Schmunzeln im Gesicht.
Daniel Ganahls Verletzungen:
- Schwere Gesichtsverletzung
- Insgesamt fehlen ihm elf Zähne
- Fraktur der linken Augenhöhle
- Trümmerfraktur der Nase
- Oberes Kiefer ausgelöst
- Fraktur des 5. und 6. Halswirbels
- Fraktur des 5., 6. und 7. Brustwirbels
- Inkompletter Querschnitt und rechtsbetonte Tetraparese (Lähmung) aufgrund einer Rückenmarkbeschädigung zwischen dem 5. und 6. Halswirbel

"Ich konnte weder Arme noch Beine bewegen"
Daniel selbst war vollgepumpt mit Medikamenten und erinnert sich nur an Bruchstücke aus dem Krankenhaus. Die Ärzte gaben den Eltern einen Satz mit auf den Weg, der alles veränderte: „Bereiten Sie das Haus auf ein Leben im Rollstuhl vor, Daniel wird nie wieder laufen können.“
Eine Zukunft ohne die Berge, ohne Bewegung, ohne Selbstständigkeit – das schien plötzlich Realität zu werden. Der erfahrene Sportler konnte zu Beginn weder seine Beine noch seine Arme bewegen, auch sprechen konnte er aufgrund eines Luftröhrenschnitts nicht. "Das Einzige, was ich konnte, war den Kopf leicht nach links und rechts bewegen", erklärt der Gaschurner.
"Für mich war schnell klar, dass ich wieder laufen werde"
Doch Daniel wollte das nicht akzeptieren. Er hatte etwas, das man nicht messen kann. Keine medizinische Prognose, kein Blutwert, kein Röntgenbild kann es erfassen: seinen unerschütterlichen Willen. Er kämpfte verbissen.
"Nach zweieinhalb Wochen konnte ich die linke Seite wieder ein wenig bewegen. Von da an war für mich klar, ich werde wieder laufen können", erinnert sich der Skibergsteiger. Ab diesem Zeitpunkt hatte er sein Ziel vor Augen: "Ich werde wieder alles tun können, auf das ich Lust habe."
"Natürlich habe ich auch ans Aufgeben gedacht, das ist doch menschlich"
Nach dem Krankenhaus folgte die Reha. Am Anfang dieser Zeit konnte er kaum etwas halten. In der rechten Hand lag die Griffkraft zwischen null und einem Kilogramm. Ein Messer? Unhaltbar. Eine Zahnbürste? Keine Chance. Es war ein Alltag, der neu gelernt werden musste – Stück für Stück, Griff für Griff, Schritt für Schritt.

"Es wäre nicht menschlich, wenn man nicht auch einmal ans Aufgeben gedacht hätte."
Daniel Ganahl
Mit jeder Therapiesitzung, mit jedem kleinen Fortschritt, kehrte ein Stück Hoffnung zurück. Und mit ihr wuchs das Selbstvertrauen. Die Muskeln arbeiteten langsam wieder mit. Die rechte Hand wurde kräftiger, Schritt für Schritt kehrte das Gefühl in Beine und Füße zurück. Es war ein mühsamer, oft quälender Weg – doch Daniel ging ihn, mit einer Disziplin, die man vielleicht nur dann entwickelt, wenn man zuvor in eisigen Höhen gegen Wind und Schnee gekämpft hat.

Daniel gab die Hoffnung nie auf. Zwar habe es Momente des Zweifelns gegeben, erzählt er. "Es wäre nicht menschlich, wenn man nicht auch einmal ans Aufgeben gedacht hätte. Wenn einem beim Zähneputzen die Zahnbürste aus der Hand fällt, denkt man sich schon: Was mache ich hier eigentlich?", gibt Daniel zu. Doch der Wille, in sein altes Leben zurückzukehren, war immer stärker.
Emotionale erste Rennrad-Ausfahrt
Heute, knapp zehn Monate später, steht Daniel wieder dort, wo ihn vor dem Unfall viele kannten: in der Natur, auf dem Rennrad, in den Bergen. Er kann seinen Lebensalltag wieder selbst gestalten. "Das ist neben dem sportlichen das Schönste. Ich habe es allen gezeigt", freut sich der 28-Jährige. Vor drei Wochen saß er zum ersten Mal wieder auf seinem Rad. Die erste Ausfahrt? „Emotional“, wie er sagt. Die Hand bremste vorsichtiger, die Augen musterten jede Hauseinfahrt. Die Erinnerung fuhr mit.
Sein Ziel: Comeback im Skibergsteiger-Weltcup im Winter
Nun blickt er wieder nach vorn. Sein Ziel: ein Comeback im Skibergsteiger-Weltcup – noch in diesem Winter. Für Außenstehende ein kleines Wunder. Für Daniel Ganahl das Ergebnis von unbändigem Willen und einem unerschütterlichen Glauben an sich selbst. Er möchte mit seinem Comeback auch anderen Menschen Hoffnung und Mut machen und zeigen, dass man aufgrund einer schweren Verletzung nicht gleich aufgeben muss.

"Mir ist bewusst, dass ich vermutlich nicht mehr um einen Top-5-Platz mitlaufen werde. Eines meiner größten Ziele ist aber ein Platz unter den besten 30", zeigt sich Daniel Ganahl ehrgeizig. Auch wenn er mittlerweile wieder sehr viel Sport macht, hat sich seine Sicht auf das Leben durch den Unfall ein wenig verändert. Er nimmt sich inzwischen mehr Zeit für seine Liebsten und ordnet nicht mehr alles dem Sport unter. "Ich weiß jetzt, Sport ist nicht das Wichtigste im Leben", sagt der 28-Jährige. Das Kaffee-Date mit seiner Freundin haben die beiden mittlerweile übrigens nachgeholt.
Glaube kann Berge versetzen
Was bleibt, ist eine Geschichte voller Schmerz – aber auch voller Hoffnung. Eine Geschichte darüber, wie viel ein Mensch ertragen kann. Und wie weit man kommen kann, wenn man nie aufhört, an sich zu glauben. Und wie heißt es so schön: Glaube kann Berge versetzen!
(VOL.AT)