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Deutschstunde - Kritik und Trailer zum Film

Mit "Deutschstunde" hat Regisseur Christian Schwochow den Erfolgsroman von Siegfried Lenz fürs Kino verfilmt. Darin blickt Siggi Jepsen (Tom Gronau) aus einer Jugendstrafanstalt zurück auf seine Zeit als Kind (Levi Eisenblätter) zwischen seinem Vater (Ulrich Noethen), einem pflichtversessenen Dorfpolizisten, und einem befreundeten Künstler (Tobias Moretti), der sich gegen ein Malverbot der Nazis wehrt. Siggi wird zwischen den beiden Männern aufgerieben und steigert sich in den Wahn, die Bilder auch nach Kriegsende vor seinem Vater sichern zu müssen.

Siegfried Lenz' "Deutschstunde" zählt zu den Ikonen der nachkriegsdeutschen Literatur, vergleichbar mit der "Blechtrommel". Doch anders als Günter Grass' Roman wurde das 1968 erschienene Werk erstaunlicherweise nie fürs Kino verfilmt - bis heute. Nun hat der junge Regisseur Christian Schwochow sich des Großwerks angenommen und einen dichten, bildstarken Film geschaffen. Ab Freitag im Kino.

Deutschstunde - Kurzinhalt zum Film

Trotz aller filmischer Verdichtung, eleganten Gestaltung bleibt am Ende der "Deutschstunde" ein wenig das Gefühl zurück, dass der Roman des 2014 verstorbenen Lenz nicht nur spät, sondern zu spät auf die Leinwand gebracht wurde. Der im Kern des Werks verhandelte Konflikt zwischen unbedingter Pflichterfüllung gegen die eigenen Empfindungen und der Suche nach Freiheit erscheint heute schlicht historisch, als Nachhall einer fernen Vergangenheit, aber nicht mehr als brennender Konflikt der Gegenwart.

Dabei richtet Schwochow noch stärker als Lenz den Fokus auf den zehnjährigen Siggi (Levi Eisenblätter), der wie im Buch als Rahmenhandlung in der Jugendstrafanstalt (hier gespielt von Tom Gronau) die Erlebnisse seiner Kindheit niederschreibt - "Die Freuden der Pflicht" ist die Vorgabe.

Und so füllt er Dutzende Hefte mit seiner Geschichte als Sohn des Dorfpolizisten im nördlichsten Polizeiposten des Reiches. Weit ab von Berlin, dem Krieg und letztlich der nationalsozialistischen Ideologie dominiert das weite Watt. Die weite Landschaft steht hier jedoch eher für Verlorenheit als für Freiheit. Für den Vater Jens Jepsen steht die Pflichterfüllung bis zur bittersten Konsequenz an oberster Stelle, auch wenn diese ihn letztlich selbst zerreißt - was ein ungemein differenziert agierender Ulrich Noethen durch die stets aufrechte Fassade erahnen lässt.

In den letzten Jahren des Krieges erhält er aus Berlin die Order, gegen den expressionistischen Künstler Max Ludwig Nansen (Tobias Moretti) ein Malverbot auszusprechen und dieses zu überwachen. Auch wenn beide seit Kindertagen eng befreundet sind und Max der Patenonkel des jungen Siggi ist, steht für den Polizisten außer Frage, dem Befehl nachzukommen.

Der heranwachsende Siggi wird so zwischen den beiden Männern aufgerieben, die gleichsam zwei unterschiedliche Welten verkörpern. Gehorsam versus Freiheit, Disziplin versus Kreativität. "Brauchbare Menschen müssen sich fügen", so das Erziehungsmantra des Vaters, der letztlich gar den älteren Sohn zu opfern bereit ist, wenn dieser desertiert. Das Gegenbild zum Brauchbaren, das Freie, verkörpert Max, den Tobias Moretti als beharrlichen und zugleich weichen Charakter ohne überzeichneten Glorienschein spielt. Er lebt kinderlos mit Gitte (Johanna Wokalek) und ist Siggi Ersatzvater wie Lehrer.

Deutschstunde - Die Kritik

Das historische Vorbild für den Maler, Emil Nolde, dessen persönliche Haltung zum Nationalsozialismus und Antisemitismus ungeachtet eines Malverbots unter den Nazis zuletzt wieder verstärkt thematisiert wurde, klingt hier nicht an. Die Fronten der Erzählung sind ebenso klar wie letztlich differenziert. Die Menschen sind keine Helden. Und Siggi droht an diesem scheinbar unaufhaltsamen Mahlwerk zu zerbrechen, steigert sich der Heranwachsende doch in den Wahn, Max' Kunst vor dem Vater zu beschützen, koste es, was es wolle.

Schwochow und sein Kameramann Frank Lamm kleiden diese harte, unsentimentale Erzählung in nüchterne Bilder, die von einem Grauschleier der Verdrängung überzogen scheinen. Farbe existiert nur in den Gemälden von Max. Es sind herzlose Bilder, ohne dies besonders auszustellen. Praktisch ohne Musik, in langen Sequenzen mit Charakteren, die wenig Worte machen, schleicht sich hier die Bedrohung in symbolischer Form ein. Etwa mit dem verlassenen Haus, dessen Bewohner verschwunden scheinen, ohne dass man darüber spricht oder mit den Möwen, welche die Menschen im Watt attackieren. Eine Erlösung findet nicht statt. Und wenn, allenfalls durch das Schreiben. Am Ende obsiegt die Kunst also vielleicht doch.

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(APA/Red)

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