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Deutsche Gesundheitsreform löst Ärger aus

Erst zwei Wochen ist die Gesundheitsreform in Kraft, doch die Forderungen nach Korrekturen in einzelnen Punkten verstummen nicht. Bei Patienten und Ärzten ist der Ärger groß.

Der Unmut entzündet sich diesmal vor allem an der Praxis-Gebühr von 10 Euro, die jeder Erwachsene seit dem 1. Jänner einmal im Vierteljahr beim Arzt und auch beim Zahnarzt zahlen muss.

Die Bundesregierung publizierte am Donnerstag in großen Zeitungs- Anzeigen eine Art Gebrauchsanweisung zur Praxis-Gebühr. Dabei ging es vor allem um Aufklärung zu den Fällen, in denen wie etwa bei Vorsorge-Untersuchungen die 10 Euro nicht kassiert werden dürfen.

Gesundheitsministerin Ulla Schmidt bestritt in einer kurzfristig angesetzten Bundestags-Debatte die Probleme nicht. „Ich weiß, dass die Anlaufzeit einer so tief greifenden Reform viele Veränderungen im Alltag und auch Belastungen mit sich bringt”, hatte sie zuvor schon in Interviews erklärt.

Die SPD-Politikerin erinnerte aber zugleich die oppositionelle Union an deren Mitverantwortung für die Reform, die im vergangenen Jahr partei-übergreifend beschlossen worden war.

Zunächst war die rot-grüne Regierung bestrebt gewesen, diese Reform wie die anderen aus Bundeskanzler Gerhard Schröders „Agenda 2010″ als Weichenstellung für die Zukunft zu loben. „Mehr Zukunft für das Gesundheitswesen”, hieß es zum Jahreswechsel in Anzeigen der Regierung. „Die Gesundheitsreform verbessert die Qualität der medizinischen Versorgung für alle gesetzlich Versicherten.”

Das aber mögen viele nicht erkennen. Neben der Praxis-Gebühr kommen auf die Patienten erhöhte Zuzahlungen zu. Unbestrittene Absicht ist es, die gesetzlichen Versicherungen zu entlasten, um zumindest einen Anstieg des Beitrags zu verhindern.

Eigentlich sollte es sogar zu Beitrags-Reduzierungen kommen. Doch die wenigsten Versicherungen haben ihre Beiträge gesenkt. Die meisten müssen ohnehin noch einen hohen Schuldenberg abbauen.

Schmidt zeigt sich zuversichtlich, dass die meisten Versicherungen im Frühjahr ihre Beiträge von derzeit knapp 14 Prozent der Brutto- Löhne wenigstens um 0,3 Punkte kürzen: „Dies wird das Jahr der Beitragssenkungen.” Ohne Reform hätte es Steigerungen gegeben.

Zwei Wochen nach In-Kraft-Treten der Reform sind einige Fragen noch immer nicht geklärt. Das Gesundheitsministerium gibt der Selbstverwaltung von Ärzten und Kassen die Schuld. Nach wie vor fehlt etwa eine Definition des chronisch Kranken, der geringere Zuzahlungen leisten muss. Umstritten sind auch sind die Kriterien, wann die Kasse auch künftig Taxi-Fahrten von Schwerkranken zum Arzt bezahlt.

Und dann die Praxis-Gebühr: Muss eine Frau, die beim Arzt nur ein Folge-Rezept für die Anti-Baby-Pille braucht, jedes Mal die Gebühr bezahlen oder bekommt sie künftig ein Jahres-Rezept? Wenn jemand freitags zum Notarzt geht, am Wochenende weiter behandelt werden muss und am Montag seinen Hausarzt aufsucht – wo und wie oft muss er die 10 Euro bezahlen? Im Gesundheitsministerium berieten am Donnerstag Beamte, Ärzte und und Versicherungen erneut über all diese Fragen.

Alle Beteiligten sind sich ohnehin bewusst, dass eine wirkliche Reform des teuren deutschen Gesundheitssystems noch aussteht. Die CDU hat jedenfalls bereits eine grundlegende Umstellung beschlossen, da sie das derzeitige System für nicht mehr reformierbar hält.

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