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Der Schein trügt - Kritik und Trailer zum Film

In einem fantasievollen Episodenreigen steigt der Kriegsflüchtling Stojan aus Serbien über Jahrzehnte vom Slumbewohner zum Gefängnisdirektor und schließlich Staatspräsidenten auf. Der Grund: ein Heiligenschein, den ihm himmlische oder teuflische Mächte in den frühen 1990er-Jahren verpassen. Um den wieder loszuwerden, mausert er sich zum Bösewicht. Damit beginnt eine rasante Politkarriere.

Es klingt wie ein schlechter Witz: Der durch und durch rechtschaffene Stojan läuft plötzlich mit einem Heiligenschein herum und ist in der Folge bereit, alles zu tun, um den schwebenden Lichtkreis wieder loszuwerden. Aus diesem irrwitzigen Plot hat der serbische Autor und Regisseur Srđan Dragojević mit "Der Schein trügt" eine bitterböse Satire auf die Strahlkraft der Bösartigkeit gedreht. Ab Freitag im Kino.

Der Schein trügt - Kurzinhalt zum Film

Der in drei Episoden gegliederte Film beginnt 1993. Im Waschraum eines Slums am Rande Belgrads erschrickt der Kriegsflüchtling Stojan (Goran Navojec) fast zu Tode, als er über seinem Kopf unversehens einen vom Himmel geschickten, weißen Strahlenkranz erblickt. Eine Pelzmütze taugt nur kurz als Tarnung, mit einem Fleckmittel lässt sich das Ding auch nicht entfernen. Schnell wird der zum Spott der Nachbarschaft.

Also suchen seine Frau und die Nachbarin Hilfe bei einem TV-Prediger. Sein Rat: Um das Gottesgeschenk wieder loszuwerden, möge sich Stojan nur fleißig versündigen. Also beginnt der herzensgute Familienvater zu saufen, zu schlagen, herumzuhuren - alles für ein hehres Ziel und also unter Bravorufen seiner Gattin. Es nützt nichts, der Schein bleibt. Dafür steigt Stojan in der gesellschaftlichen Hackordnung desto weiter nach oben, je mehr er den Berserker raushängen lässt.

Der Schein trügt - Die Kritik

Dragojević, 2011 mit der Tragikomödie "Parada" über die Lage von Homosexuellen im ehemaligen Jugoslawien bekannt geworden, inszeniert diese zunehmend von Erfolg gekrönte Hinwendung zum Bösen als detailverliebte wie gottlose schwarze Komödie, die weder vor Derbheiten noch Überzeichnungen zurückschreckt. Den Schauspielerinnen und Schauspielern ist die diebische Freude, die Verrücktheiten des Drehbuchs ausleben zu können, geradezu anzumerken.

Im Lauf der Handlung gewinnt die surreale Komponente immer mehr die Oberhand. Die Stimmung wird düsterer, der Humor abgründiger. In der zweiten Episode, angesiedelt im Jahr 2001, wird etwa ein zum Tode Verurteilter in der Zelle als Säugling wiedergeboren, der im dritten Teil - er spielt 2026 - als schizophrener Maler Werke schafft, die fähig zu sein scheinen, die Weltbevölkerung im wahrsten Sinn des Wortes vom Hungerleid zu befreien. Gegen Ende hin wirkt Dragojevićs bitterböse Satire doch ein wenig zu bemüht abgedreht und kratzt am Trash. Das tut aber unterm Strich nicht allzu viel zur Sache: Denn "Der Schein trügt" ist allein deshalb schon sehenswert, weil er Gesellschaftskritik ohne auch nur einen zarten Schimmer von moralinsaurem Heiligenschein auf die Leinwand bringt.

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(APA/Red)

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