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"Der Ruf des Kuckucks": Die Potter-Mutter als Krimi-Autor

J.K. Rowling hat als Robert Galbraith ihr Krimidebüt geschrieben.
J.K. Rowling hat als Robert Galbraith ihr Krimidebüt geschrieben. ©AP
"JK Rowling ist ein Meisterwerk gelungen", betitelte "Welt online" am 18. Juli eine lange Besprechung des im April erschienenen Krimis "The Cuckoo's Calling". Die Enttarnung des Autors Robert Galbraith als Pseudonym der weltbekannten Erfinderin des Zauberlehrlings Harry Potter durch die "Sunday Times" war da gerade vier Tage alt.

Doch seine Entstehungsgeschichte ist spannender als das Buch selbst.

“Hätte jemand die labyrinthartigen Pläne gesehen, um meine Identität zu verheimlichen (oder meinen Gesichtsausdruck, als ich verstand, dass das Spiel aus war!) hätte er verstanden, wie wenig ich entdeckt werden wollte”, schrieb Rowling, die mit 450 Millionen verkauften Büchern und den Romanverfilmungen zu einer der reichsten Frauen Großbritanniens geworden war, eine Woche später auf ihrer Website. Der deutsche Blanvalet Verlag hatte sich da schon längst die Übersetzungsrechte gesichert – lange vor der Enttarnung. “Der Verdacht, dass es von Rowling stammt, kam mir nicht”, gestand die zuständige Lektorin. Begeistert hätten sie vor allem die Figuren des Romans.

Rowling zeigt den Anti-Helden

Vor gut einer Woche wurde “Der Ruf des Kuckucks” in der deutschen Übersetzung ausgeliefert, und man muss sagen: Die Frau hat absolut recht. Der Held, der als erfolgloser Privatdetektiv in einem muffigen Londoner Büro tätige ehemalige Militärpolizist Cormoran Strike, ein haariger, grizzlybärenartiger, ziemlich aus der Form geratener, humpelnder Riese, der beim Afghanistan-Einsatz durch eine explodierende Mine ein Bein verloren hat, wird nicht nur in vielen Facetten beschrieben, sondern auch mit einer hoch interessanten Familiengeschichte ausgestattet: Seine Beziehung mit einer traumhaft schönen, doch furchtbar launischen Frau ist soeben gescheitert, weswegen er nach dem Rauswurf aus ihrer Nobel-Wohnung vorübergehend auf dem Campingbett im Büro nächtigen muss, und ist das uneheliche Kind eines alternden Rockstars und eines prominenten Groupies.

In der trendigen Londoner Mode- und Musikszene, in der Strike im Verlauf des Buches ermitteln muss, wird ihm das eine gewisse Achtung einbringen. Denn Undercover-Recherche läuft da sowieso nicht. Zwischen schwulen Modezaren, herumwieselnden Assistenten und anorektischen Supermodels bewege er sich “wie ein pelziges Mammut, das sich in eine Horde Kapuzineräffchen einzufügen suchte”, merkt die Autorin in einem ihrer seltenen Anflüge von Humor oder Sarkasmus an.

Rowling bleibt bei ihren Stärken

Rowlings Stärke sind Farbauftrag und Figurenzeichnung. Das merkt man nicht nur bei ihrer Beschreibung der schillernden, von Paparazzi unablässig verfolgten Promis, sondern auch bei der Schilderung des blasierten Geldadels, in den Strike durch seinen Auftraggeber gerät, sowie bei Strikes Aushilfssekretärin, der von einer Zeitarbeitsfirma geschickten hübschen und abenteuerlustigen Robin: Rasch entpuppt sie sich als echte Perle, diskret, verständnisvoll und einfallsreich wird sie immer mehr zum weiblichen Dr. Watson an der Seite eines unkonventionellen Sherlock Holmes.

Stringenz und Prägnanz sind dagegen nicht Rowlings Stärken. Dass sie, einmal ins Erzählen gekommen, nicht aufhören kann – das kennt man bereits aus der Potter-Serie, deren Bücher immer länger und länger wurden. Auch “Der Ruf des Kuckucks” ist fast doppelt so lang als er sein müsste. Zumal sich die Autorin für ihr Krimidebüt einen Fall ausgesucht hat, der wenig Entwicklung und auch lange kaum Spannung bietet: Der für großes Medienecho sorgende nächtliche Sturz eines enorm erfolgreichen jungen Models namens Luna Landry vom Balkon seines Nobelappartements wird von der Polizei rasch als Selbstmord zu den Akten gelegt. Nur Lunas Bruder glaubt an Mord – und beauftragt Strike mit den Ermittlungen.

Dabei droht sich der rote Faden jedoch immer wieder zu verheddern, die eigentliche Krimihandlung kommt spät auf Touren und ist nicht eben sehr plausibel. Meisterwerk ist “Der Ruf des Kuckucks” keines, aber ein gutes Buch tut es doch auch. Für die Lektorin des Blanvalet Verlags sollte sich heuer in jedem Fall ein dicker Weihnachtsbonus ausgehen.

Robert Galbraith: Der Ruf des Kuckucks (ISBN: 978-3-7645-0510-3 Preis: € 23,70)

(APA)

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