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„Der Pflichtzölibat ist eine Katastrophe!“

©Katholische Kirche
Dirk Frey und Stephan Möllemann-Frey sind homosexuell, verheiratet– und Pastoren. Was in der evangelischen ­Kirche funktioniert, ist in der katholischen (noch) undenkbar.

von Harald Küng/Wann & Wo

Dirk Frey und Stephan Möllemann verstecken sich nicht. Nicht mehr. Vor wenigen Tagen waren sie auf Einladung der Regenbogenpastoral der Katholischen Kirche Vorarlbergs zu Gast im Bildungshaus St. Arbogast und sprachen offen über ihr Leben und ihre Erfahrungen als homosexuelle Menschen in der Kirche. Letztere hatte sie schon immer interessiert: Als Jungen waren die heutigen Ehepartner in einem katholischen Internat, später in einem katholischen Orden. „Ich konnte es kaum erwarten, endlich Ministrant werden zu dürfen“, erinnert sich Stephan Möllemann-Frey. Im Internat lernten sie sich kennen – und lieben. „Natürlich wussten wir, dass wir homosexuell waren und auch, dass wir gut zueinander passen würden. Aber wir wollten den Weg im Orden gehen. Wir hatten uns dazu entschieden.“ Doch dieser Weg war ein steiniger, Sexualität spielte in ihren Überlegungen eine große Rolle. „Aber der Zölibat, den wir leben wollten, galt schließlich für alle“, waren sie sich bewusst. Antworten zu Sexualität bekamen sie aus Büchern, der Umgang mit dem Thema spielte in der Vorbereitung für den Klostereintritt nur eine untergeordnete Rolle. „Wir lebten ständig mit dieser inneren Spannung. Einerseits zölibatär leben zu wollen, andererseits aber auch daran zu scheitern“, gesteht Dirk Frey ehrlich ein.

Austritt aus der Kirche

Nach dem Eintritt ins Kloster machten beide schnell Karriere. Dann aber kam es zu einer Situation, die ihr beider Leben nachhaltig verändern sollte: „Ein Angesteller des Klosters wurde fristlos gekündigt, weil er sich zu seiner Homosexualität bekannte. An diesem Punkt wussten wir, dass es für uns so nicht mehr weitergeht. Sie wurden aktiv, stießen Diskussionen an, suchten nach Alternativen – und entschieden sich aber schließlich, die Katholische Kirche zu verlassen. „Da standen wir nun: hinter uns das Klosterleben, vor uns das Nichts.“ Nach einem kirchenlosen Jahr fanden sie in der evangelischen Kirche eine neue Heimat, wurden Landpastoren – und schlossen den Bund fürs Leben. „Heute sind wir glücklich damit, wer wir sind, wie wir sind und wo wir sind.

„Der Klerus schweigt“

Homosexualität ist in vielen Teilen der Katholischen Kirche noch immer ein Tabu-Thema. „Der überwiegende Teil des Klerus hält sich sehr bedeckt, nimmt weder an Veranstaltungen teil, noch äußert er sich dazu“, teilt Edgar Ferchtl-Blum, Leiter des Ehe- und Familienzentrums sowie des Diözesanen Arbeitskreises Homosexuellenpastoral der Katholischen Kirche Vorarlberg mit. Zwar gebe es innerhalb der Katholischen Kirche durchaus Personen, „die uns ideell und auch tatkräftig unterstützen – darunter Bischof Benno Elbs selbst, der die Arbeitsgruppe 2015 ins Leben rief. Er hat immer ein Gehör für die Menschen und sorgt sich um ihre Nöte. Doch gibt es auch einige, die die Welt und die Kirche aufgrund unserer Aktivitäten untergehen sehen.“ Im Hinblick auf gleichgeschlechtliche Ehe sei die Lage ebenfalls stark verfahren, betont Ferchl-Blum: „In unseren Köpfen ist die Ehe ein Bund zwischen Mann und Frau. Dass dieser Bund zwischen zwei Männern oder zwei Frauen auch eine Ehe sein soll, fühlt sich für viele sperrig an. Wir glauben, dass die Liebe zwischen Mann und Frau göttlich ist. Bedeutet das dann aber auch, dass die Liebe zwischen Mann und Mann oder Frau und Frau nicht göttlich ist? Nur weil uns etwas fremd erscheint, heißt es noch lange nicht, dass es nicht gut ist.“ Auch zum Zölibat findet Ferchl-Blum klare Worte: „Der Pflichtzölibat für Männer, die Weltpriester werden wollen, ist aus meiner persönlichen Sicht eine Katastrophe. Denn es schließt alle Männer, die diese Lebensform nicht leben wollen oder können, aus. Die Zölibatsfrage und der Ausschluss der Frauen vom Priesteramt sind zwei ganz dunkle Kapitel in der Geschichte der Katholischen Kirche. Dazu kommen Macht und Machtmissbrauch. So kommen wir an den Punkt, an dem wir heute stehen.“

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