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Der größere KH Nord-Skandal

©APA/HERBERT PFARRHOFER
Gastkommentar von Johannes Huber. Krisenbewältigung kann die SPÖ gar nicht. In ihrem Versuch, die Sache schönzureden, macht sie alles nur noch schlimmer.

Eine Zeit lang konnte man den Eindruck gewinnen, die Wiener SPÖ werde irgendwie durchkommen durch den Skandal um das Krankenhaus Nord, in dem es um größere Millionenbeiträge, aber auch kleinere Summen wie die 95.000 Euro für den berühmten Energetiker geht: Zunächst war da der Rücktritt von Gesundheitsstadträtin Sonja Wehsely, der offiziell zwar in keinem Zusammenhang damit stand, aber immerhin zustande kam. Dann war da der Wechsel von Parteichef und Bürgermeister Michael Häupl zu Michael Ludwig und schließlich die Zustimmung der Genossen zu einer Untersuchungskommission.

Heute muss man jedoch feststellen, dass die SPÖ dabei ist, alles nur noch schlimmer zu machen. Erstens: Die Partei sieht keinen Skandal, ja nicht einmal eine Affäre. Sie spricht vielmehr von einem Erfolg. Zweitens: Wehsely zeigte null Verantwortungsbewusstsein. Und drittens: Die Kostenexplosion wird von der Partei nicht eingestanden, sondern weggerechnet. Motto: Hier gibt es nichts zu sehen. Weitergehen, bald finden Gemeinderatswahlen statt!

Letzteres führt natürlich dazu, dass man erst recht stehen bleibt, um sich die Sache genauer anzuschauen. Also: Das KH Nord „ist kein Skandal, sondern ein Erfolg“, heißt es auf der Website khnordfakten.at, die die Partei eingerichtet hat, um ihre Sicht der Dinge zu präsentieren. Es gebe keinen Hinweis auf Korruption oder darauf, dass die Politik ihrer Verantwortung nicht nachgekommen sei. 2019 werde das Krankenhaus in Betrieb gehen. Und zwar mit modernster Medizintechnik und top geschulten Mitarbeitern. Alles wunderbar!?

Vieles davon ist sogar korrekt. Zum Beispiel ist es mit Sicherheit so, dass die Ärzte und das Pflegepersonal des Spitals bestens ausgebildet und hoch motiviert sein werden. Doch das ist nicht das Thema. Es geht vielmehr darum, dass er zu einer Kostenüberschreitung von mehr als 50 Prozent gekommen ist. Das ist nicht nichts, sondern für sich genommen schon eine Art Skandal. Wir reden hier bitteschön von einer halben Milliarden Euro, die die Steuerzahler zusätzlich zu schultern haben. Allein schon vor diesem Hintergrund ist es frivol, von einem Erfolg zu sprechen. Da kann das Spital noch so gut sein; das ist ein ganz anderes Kapitel.

Doch die SPÖ will nicht einmal etwas von der Kostenexplosion wissen: Auf ihrer Website berichtet sie, die Stadt Wien habe bereits 2005 gewusst, womit zu rechnen ist. Die 825 Millionen Euro waren demnach nur ein ursprünglich veranschlagter Ausgangswert. Berücksichtigt man Inflation und einen „branchenüblichen Risikozuschlag von 15 bis 30 Prozent“, würden sich „Gesamtkosten von 1,44 Milliarden Euro“ ergeben. Soll heißen: Die 1,34 Milliarden Euro, die nun am Ende stehen könnten, machen das Spital nach dieser Lesart zu einer echten Okkasion.

Über diese Darstellung kann man sich jedoch nur wundern: Wenn die Stadt 2005 gewusst hat, womit zu rechnen ist, warum hat sie dann in einer offiziellen Aussendung vom 30. November 2010, in der Häupl und Wehsely über den Baufortschritt berichteten, ebendies ausdrücklich festgehalten: „Die Gesamtkosten belaufen sich auf 825 Millionen Euro.“ Warum ist dann nicht von vornherein klargestellt worden, womit zu rechnen ist?

So oder so: Der nachträgliche Versuch, die 1,34 Milliarden Euro kleinzureden, ist ein bisschen schlitzohrig. Aber es entspricht ganz offensichtlich einem gewissen Selbstverständnis: Wehsely hat in ihrer Befragung vor der Untersuchungskommission immer wieder betont, dass man zwischen politischer und operativer Verantwortung trennen müsse. Schuld an allfälligen Missständen kann demnach gar nicht sie sein. Politische Verantwortung ist unter diesen Umständen immer so eng gefasst, dass in jedem Fall andere zum Handkuss kommen: Ausführende Beamte, Manager etc.

Doch zurück zum Steuergeld: Wo so viel verbrannt wird, kann etwas ganz grundsätzlich nicht stimmen. Umso besser würde es der SPÖ anstehen, zuzugeben, dass das KH Nord bisher eine verpfuschte Geschichte gewesen ist, dass sie selbst über ihre Regierungsmitglieder versagt hat, eine ordentliche Projektabwicklung zu gewährleisten – und dass sie sich dafür bei allen Wienerinnen und Wienern entschuldigen möchte. All das zu unterlassen und stattdessen von einem Erfolg zu reden, macht die ganze Sache jedenfalls nur noch unerträglicher.

Johannes Huber betreibt den Blog dieSubstanz.at – Hintergründe und Analysen zur Politik

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