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Der Goldene Handschuh - Kritik und Trailer zum Film

Nach dem NSU-Drama "Aus dem Nichts" hat Fatih Akin seinen ersten Horrorfilm gedreht: "Der Goldene Handschuh" ist die Verfilmung von Heinz Strunks erfolgreichem Tatsachenroman über den Serienmörder Fritz Honka. Der brachte in der 70er-Jahren in Hamburg vier Frauen um. Der erst 23-jährige Jonas Dassler schlüpft mit dicker Maske in diese Rolle des Mörders.

Mit der Serienmörderstudie “Der Goldene Handschuh” hat sich Erfolgsregisseur Fatih Akin ein neues Genre zur Brust genommen. Basierend auf dem Erfolgsroman von Heinz Strunk, mutet der 45-Jährige den Zuschauern einiges zu. So wechselt in seinem Film doch extremer Ekel mit Lachen – ein Mix, der nicht immer gelingt. Ab Freitag im Kino.

Der Goldene Handschuh: Kurzinhalt zum Film

Der für Film wie Roman titelgebende “Goldene Handschuh” ist eine Spelunke auf St. Pauli der 1970er, in der Alkoholiker und gealterte Gelegenheitsprostituierte zusammenfinden. Unter ihnen ist auch Fritz Honka, der regelmäßig eine der verwahrlosten Frauen der Bar mit nach Hause nimmt. Immer wieder tötet er dort seine Begleiterin, zerstückelt sie und stapelt diese sterblichen Überreste hinter der Wandvertäfelung. Gegen den sich mit der Zeit entwickelnden Verwesungsgeruch sollen Duftbäumchen und die Schuldzuweisung an die mit starken Gewürzen kochenden, griechischen Nachbarn helfen.

Dabei ist Akins Honka nicht direkt der Typ, nach dessen Ergreifung die Nachbarn in die Fernsehkameras sagen “Das hätten wir nie geglaubt”: Schiefe Nase, extrem schielend, kaputte Zähne – und dann spricht er auch noch Sächsisch! Zugleich kommt der bis zur Unkenntlichkeit entstellte deutsche Jungstar Jonas Dassler dem echten Fritz Honka, der in seiner von 1935 bis 1998 dauernden Lebenszeit nachweislich vier Frauen zerstückelt hat, damit erstaunlich nahe.

Es ist eine trostlose Welt, in der der Oldesloer Korn literweise fließt, die Räume im Rauch verschwinden und die alten, sich prostituierenden Frauen kollektiv Tränen in den Augen haben, wenn im Radio Heintje singt. Honkas Wohnung strotzt vor Dreck und wirkt auf den ersten (und zweiten) Blick wie ein übertriebener Regieeinfall – bis im Abspann die Tatortfotos auftauchen und deutlich machen, dass Akin auch das Filmset minutiös nach dem realen Vorbild gestaltet hat.

Der Goldene Handschuh: Die Kritik

Sprachlich wiederum hält sich der 45-jährige Filmemacher bei seinem heuer im Berlinale-Wettbewerb präsentierten Werk nahe an Heinz Strunks Roman. Er kappt allerdings dessen zweiten Strang über eine moralisch degenerierten Reederfamilie beinahe gänzlich. Einzig Nachwuchsstar Tristan Göbel hat hier einige Auftritte. Dadurch wird allerdings auch der bei Strunk intendierte Subtext der Verkommenheit des Menschen über alle Schichten hinweg eliminiert. Der Blick richtet sich ausschließlich auf die Untersten der Gesellschaft, wird eine Milieustudie, die ganz vom Hier und Jetzt lebt, sind doch auch die Ausgriffe in die Vergangenheit entfallen.

Diese Entscheidung mag der erzählerischen Stringenz ebenso wie der typischen Akin’schen Liebe zu den Außenseitern geschuldet sein. Letztere kombiniert er auch in “Der Goldene Handschuh” mit charakteristischem Hamburger Flair, wenn Größen wie Hark Bohm ihren Einsatz haben.

Den österreichischen Touch indes darf Margarethe Tiesel einbringen, die sich seit Ulrich Seidls “Paradies: Liebe” 2012 zu einer der rührigsten und erfolgreichsten heimischen Schauspielerinnen gemausert hat. Sie interpretiert die von Honka gedemütigte, misshandelte, aber nicht getötete Gerda Voss als hilflose, vom Leben innerlich verkrüppelte Frau. Tiesel führt damit ein Ensemble an, in dem sich die wohl uneitelsten Schauspieler und Schauspielerinnen des deutschsprachigen Kinos versammelt haben.

Die von ihnen skizzierte, äußerlich wie innerlich verrottete Welt der derangierten sexuellen Gier und Gewaltfantasien konterkariert Akin bewusst mit Humor. So lässt er Honka sentimentale Schlager anspielen, wenn er die Geräusche, die sich beim Zersägen einer Leiche ergeben, selbst widerlich findet oder narrt die Zuschauer wiederholt mit kleinen Schockeffekten oder Cameoauftritten wie dem von Heinz Strunk. Dieses Amalgam erschafft eine bittere Mischung, die manch Abstoßendes abdämpft. Aber Duftbäumchen hin oder hier: “Der Goldene Handschuh” ist dennoch nichts für den Massengeschmack.

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(APA/Red)

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