AA

Den „Rotznstadl“ gibt’s nicht mehr, es lebt das Marktviertel und die Offenheit

Nach dem Holocaust und der Vertreibung der jüdischen Bevölkerung aus dem Grätzel haben sich hier in den vergangenen Jahren wieder viele Juden vor allem aus Osteuropa angesiedelt.

Andere Wiener mussten die so genannte “Mazzes-Insel” erst entdecken. “Ins Karmeliterviertel ist man früher nie gekommen, das war immer ein weißer Fleck auf dem Stadtplan”, erzählte mir vor langer Zeit der „Schöne-Perle-Wirt”. Die Gegend ist hier irgendwie anders, weniger wienerisch, grau und depressiv. Dass das Grätzel etwas heller wirkt liegt auch daran, dass die dichten Gründerzeithäuser immer wieder von kleineren Biedermeiergebäuden unterbrochen werden. Oder daran, dass die Straßen oft sternförmig auf kleine Plätze zulaufen. Vielleicht wirkt das Viertel aber auch deswegen exotisch, weil es eine Insel ist, eine, die zwischen Donaukanal und Donau liegt.

Der Karmelitermarkt bemüht sich zwar um ein vielfältiges Angebot – mit dem Naschmarkt kann er aber nicht mithalten: Kebab-Hütten, Bioläden, türkische Gemüsehändler, ein koscherer Fleischhauer mit Imbiss, Pferdefleischhauer und einige feine kleine Labstellen aus verschiedenen Winkeln der Erde laden zum Wiederkehren ein. Neben den neuen Szenelokalen gibt es noch immer die Alkobrannthütten und die „tiefen” Espressos Marke „Cafe Bauchstich”  rund um das Viertel. Hier wird morgens um sechs nach sechs bereits dem weißen Spritzer gefrönt, oder sogar ein 40%iger Obstler in die Birne geschoben, einer nachdem anderen! Prost!

Die Neuen des ehemaligen „Rotznstadl” haben auch neue Kultur mitgebracht, nicht nur Ess-Kultur: Schon vorher zeigten die St. Balbacher auf dem Marktplatz Filme wie “Smoke” oder “Taxi Driver”.  Im Viertel trifft orthodoxes Judentum auf Leben der arabischen Art, der Herr Pfarrer speist im Szenebeisl – gegenüber sitz eine „käufliche Dame” und mittendrin die Neuen: junge Familien, Studenten in WGs und jede Menge Prominenz. Im Boom-Viertel wohnen Kulturstadträte, Europapolitiker und ehemalige Vizebürgermeisterinnen neben Künstlern, Musikern, Seriendarstellern, Schriftstellern und TV-Kulturladys und eine Menge Dealer, sowie Servicedamen der Horizontale.

Hier, meint max von merlot, sind die Menschen weltoffener als die Erdenbewohner in anderen Bezirken. “Hier dreht sich niemand auf der Straße nach einem orthodoxen Juden um, die jüdische Bevölkerung gehört in dieses Viertel”, und so soll es immer bleiben! Eine kleine mit Hoffnung getragene Bitte von  max von merlot wäre: “Man muss darauf achten, dass trotz Renovierungen der Charakter dieses Platzerls Erde  nicht verändert wird. Die alten Beiseln, die öffentlich zugänglichen Pawlatschen-Höfe; das muss erhalten werden.” Damit das Mazzes-Eiland nicht zur Yuppie-Insel wird und Wien nicht Bonn! Ein kurzer feiner Genussweg zwischen frischem „Mafiatagesteller” und einem König der Kebap´s, der schon zwanzigjähriges Marktdasein feierte.

Schritt Eins: Das Danmayer, die Andrea ganz neu am Markt seit 3 Wochen. Endlich hat sie sich ihren Wunsch vom „Eigenen” erfüllt. Durch das Gespräch kamen wir darauf, dass wir in den 90igern schon in einem Verlag zusammen gearbeitet haben – was mich aber so unheimlich freut, und so ging es mir auch immer bei all den Lokalen die ich gehabt habe, diese unheimlich Ausstrahlung, ein Lachen das alle mitreist, eine Produktbeschreibung mit totaler Hingabe, es ist einfach so wunderbar, sich in einer anderen Person zu spüren! Dafür Danke Frau Andrea, ja es war wirklich so! Und dies an einem wunderbaren Mittag, wo das Blau am Himmel die Hauptrolle spielte, sowie die kalten Genussfolgen mit bodenständigen Rezepturen zwischen Süditalien und Sizilien!

Sie muss erst alles in den Griff bekommen und darum erstmals „ Kaltes ”, die Küche wird erst in ein paar Wochen wunderbare Tellergerichte produzieren. Durch die Bank feine kleine Antipasti-Happen, die wirklich thematisch mit dem Süden Italiens verwurzelt sind. max von merlot kostete einen Brei aus weich-gekochten Bohnen mit selbst gemachten Peperonata mit genügend Chili sehr brav und mutig abgestimmt aber eine Einheit, sowie diesen bunten Salat mit gebratenen Paprika, salzige Sardellen, fleischigen Oliven der schwarzen Herkunft mit Semmelbröseln und Pignoli, das war schon wirklich „malzeitig”! Dazu einen Schluck vom wirklich guten Hopfen aus der Schnaitlbrauerei, ein echter Oberösterreichischer Import nach Wien, nebenbei auch dafür ein Danke!

Schritt Zwei: gleich gegenüber das Madiani. Georgisch, wird hier herzhaft aufgekocht, mit Sicherheit die beste Adresse dieser Richtung in Wien. Aus der Karte: Melanzanisalat, frische Kräuter, roter Paprika und die herrlichen reifen Paradeiser machen ihn aus, ein kleiner Teller vom eingelegtem Kraut aus roten Rüben, Sellerie und Knoblauch. max von merlot Tipp: Kwerebi, die Teigtasche mit Mozzarella und Frischkäse im Duett und Salbeibutter, fein!

Der Metzger, der mit den Pferden tanzt: der Gumprecht. Da gibt es ihn noch den Gigerer, ein Erlebnis das unvergleichbar in Wien ist, sofort  am Markt den heißen Pferdeleberkäse mit einem Bier aus der Flasche „so ist es hier vorgeschrieben” genießen, ein wildes Erlebnis. Dann gibt’s noch diesen König der Kebap, der wie mir seine Hoheit mitteilte schon über 20 Jahren am Markt ist. Voll ist sein Garten vor dem Laden wo sich die Traube bildet um eines dieser saftigen
Kebap zu bekommen.

Noch zwei Adressen, die im Umkreis des Marktes gleichgute Figur machen. Da wäre dieses südländische Ca`diz, verwöhnt mit verschiedenen Pastas, auch ein  Pato a la lavanda y mix con soufflé depan gibt es, sowie Tintenfische und Miesmuscheln oder Wolfsbarsch fein gegrillt, oder einem Brotkuchen mit Früchten und Eis zu finden unter dem Namen Pan de ca´diz. Fürs ganz Feine, nämlich für zuhause gibt’s dann noch den Contor, gut ausgewählte Weine und Schmankerln aus der eigenen Hand erwarten sie hier in der Leopoldsgasse, selbstredend kann man es gleich an diesem Ort auch genießen.

Fazit: der Markt lebt wieder langsam auf: durch Anti-Mainstream – Kleingerichte, wunderbare fruchtige und leistbare Tropfen und speziell mit der gut gekochten Vielfalt – dazu gibt’s bei Andrea Danmayer diesen wunderbaren cremigen Espresso aus Venedig!
 

Zum leichtern Auffinden:

Ca´diz, 1020, Karmeliterplatz, Tel. 01/ 218 66 66
Contor; 1020, Leopoldsgasse 51, Tel. 01/219 63 16
Danmayr; 1020 Karmelitermarkt 37, Tel. 0664/ 345 71 13
Gumprecht; Karmelitermarkt 41, Tel. 01/ 212 47 57
Kebap König, 1020, Karmelitermarkt 26, Tel. 01/212 29 77
Madiani, 1020, Karmeliterplatz 21-24, Tel. 0664/456 12 17

Autor & Bilder: max von merlot


zurück zur Übersicht

  • VIENNA.AT
  • austria.com Coops Lokalführer
  • Den „Rotznstadl“ gibt’s nicht mehr, es lebt das Marktviertel und die Offenheit
  • Kommentare
    Kommentare
    Grund der Meldung
    • Werbung
    • Verstoß gegen Nutzungsbedingungen
    • Persönliche Daten veröffentlicht
    Noch 1000 Zeichen