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Demos gegen TTIP-Abkommen in sechs österreichischen Städten

Demonstrantinnen beim Aktionstag gegen TTIP in Wien
Demonstrantinnen beim Aktionstag gegen TTIP in Wien
Im Rahmen eines europaweiten Aktionstages haben am Samstag in sechs österreichischen Städten - darunter Wien und Salzburg - tausende Menschen gegen das geplante EU/USA-Freihandelsabkommen (TTIP) demonstriert. In Wien versammelten sich am Samstagnachmittag laut Polizeiangaben rund 6.000 Demonstranten. Die Veranstalter zählten 15.000 Teilnehmer in Wien und österreichweit rund 22.000.
Bilder: Europaweiter Aktionstag
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In Wien führte der Demonstrationszug vom Museumsquartier bis zum Parlament. “Sonderrechte für Konzerne. Keine Lust drauf!”, war etwa auf einigen Transparenten der Demonstranten zu lesen, oder auch “Freiheit statt Frei-Schwindel”. “Die Existenzen von Kleinbauern stehen auf dem Spiel”, warnte Lutz Rumetshofer von der Österreichischen Bergbauernvereinigung zu Beginn der Demonstration.

Hunderttausende protestierten in 30 Ländern

Das Bündnis “TTIP-STOPPEN” wird in Österreich von 53 Nichtregierungsorganisationen (NGOs) – darunter Attac und Global 2000 – und Gewerkschaften getragen. Die Proteste richten sich vor allem gegen die geplanten Handelsabkommen zwischen der EU und den USA (TTIP), EU und Kanada (CETA) sowie gegen das geplante Dienstleistungsabkommen (TiSA). In Salzburg zählten die Organisatoren der Demonstration am Samstag rund 3.000 Teilnehmer, in Linz rund 2.500 und in Graz rund 1.500. In acht anderen Städten in Österreich – darunter Innsbruck und Villach – organisierte das Bündnis unter anderem Infotische und Straßenaktionen. In weltweit 30 Ländern gingen laut Veranstalterangaben “Hunderttausende Menschen” bei rund 450 Aktionen auf die Straße.

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ABD0063-20150418 ©“TTIP stoppen – Globaler Aktionstag” in Wien. (Bild: APA)

Das “TTIP-STOPPEN”-Bündnis warnt vor den möglichen Auswirkungen des Abkommens. Das Handelsabkommen würde sich “ausschließlich an Wettbewerb, Konkurrenz und hohen Gewinnen für Konzerne orientieren”. Es könnte unter anderem zu einer Anpassung von Standards auf das niedrigste Niveau – etwa im Umweltbereich kommen. “Die Handelsabkommen TTIP, CETA und TiSA sind ein schwerwiegender Angriff auf die Demokratie und gefährden soziale sowie ökologische Standards”, so Ulrike Lunacek, Delegationsleiterin der Grünen im Europaparlament, am Samstag in einer Aussendung. “Menschen dürfen nicht für dumm verkauft werden”, mahnte FPÖ-Umwelt- und Energiesprecher Norbert Hofer.

Verhandlungen bereits seit 2013

Seit Juli 2013 verhandelt die EU mit den USA über die “Transatlantische Handels- und Investitionspartnerschaft” (TTIP). Mit 800 Millionen Verbrauchern würde der weltgrößte Wirtschaftsraum entstehen. Durch den Wegfall von Zöllen und anderen Handelshemmnissen soll es auf beiden Seiten des Atlantiks mehr Wachstum geben. Täglich werden zwischen Europa und den USA Waren und Dienstleistungen im Wert von zwei Milliarden Euro gehandelt. Die EU will die Gespräche bis Ende 2015 abschließen – damit TTIP endgültig unter Dach und Fach ist, bevor im November 2016 ein neuer US-Präsident gewählt wird.

Der ÖVP-Wirtschaftsbund forderte angesichts des heutigen Anti-TTIP-Aktionstages eine “sachliche Debatte statt Panikmache”. Es sei “sehr bedenklich, wenn durch ständige Negativkampagnen diese Ängste noch weiter geschürt werden”, so Wirtschaftsbund-Generalsekretär Peter Haubner in einer Aussendung. Als positive Aspekte eines solchen Abkommens erwartet er zusätzliches Wirtschaftswachstum und “die Schaffung eines klaren Regelwerks”. Österreich sei ein Exportland und habe bereits über 60 Handelsabkommen unterzeichnet.

AUSTRIA TRADE AGREEMENT PROTEST
AUSTRIA TRADE AGREEMENT PROTEST ©Widerstand gegen TTIP. (Bild: EPA)

 


 

TTIP: Was wird ausgeklammert – was ist umstritten

Mit dem Handelspakt TTIP planten Brüssel und Washington den großen Wurf. Er sollte den Abbau der Zölle und anderer Handelshemmnisse, eine Vereinheitlichung von Industrie- und Prüfnormen, die Liberalisierung der öffentlichen Beschaffungsmärkte und ein Investitionsschutzabkommen mit der Einrichtung privater Schiedsgerichte bringen. Doch schon heute steht fest: Vieles wird ausgeklammert, anderes ist noch umstritten. Ein Überblick:

RÜSTUNGSMARKT: Bei Waffenkäufen gilt für die Amerikaner: buy american. Das soll auch so bleiben. Der Rüstungsbereich war zwar zunächst Teil des EU-Verhandlungsmandates, wird aber nun vorerst aus den Gesprächen ausgenommen. Den Europäern bleibt damit der Zugang zum weltgrößten Waffenmarkt mit wenigen Ausnahmen verschlossen, während die USA Kampfflugzeuge und Raketen nach Europa verkaufen. Bisher liefern die USA fünfmal so viel Waffen nach Europa wie umgekehrt.

Die USA könnten die Tür ein kleines Stückchen weiter öffnen und den Import bestimmter Zulieferteile zulassen, die auch in zivilen Produkten verwendet werden (“commercial list”). Allerdings müsste das für jedes Produkt einzeln geschehen – das ist kaum im Rahmen der TTIP-Verhandlungen zu regeln.

Andere ÖFFENTLICHE BESCHAFFUNGEN: Die USA wollen Zugang zur öffentlichen (oft kommunalen) Wasser-, Energie- und Verkehrswirtschaft in Europa. Die Europäer wollen auch bei Ausschreibungen einzelner US-Staaten öfter mitbieten können. Allerdings können sich die US-Behörden beim “patriotischen Einkauf” auf das “Buy-American”-Gesetz (Präferenz für US-Waren) berufen – und auf die “Berry Amendment”, die mit dem Argument der Nationalen Sicherheit auch den Kauf ziviler Produkte im Ausland verbieten kann.

Ein Problem für die TTIP-Verhandlungen: Washington sind in einigen Kernfragen die Hände gebunden. So können die US-Staaten selbst entscheiden, ob sie Zusagen der USA für öffentliche Käufe im Rahmen von Freihandelsabkommen übernehmen. Und die Bereitschaft dazu sinkt seit Jahren. In den USA gibt es auch Befürchtungen, ein freier Zugang der Europäer zu Infrastrukturprojekten gefährde die US-Bauwirtschaft.

KULTURGÜTER: Vor allem Frankreich will verhindern, dass US-Filme und Musik die heimische Kulturszene erdrücken. Der audiovisuelle Sektor wurde daher vorerst aus den Gesprächen ausgenommen. Dafür wurde in das Verhandlungsmandat der EU-Kommission der Passus aufgenommen, die kulturelle Vielfalt zu schützen.

SCHIEDSGERICHTE: Konzerne könnten Staaten auf Schadensersatz in Milliardenhöhe verklagen, wenn ihre Gewinnpläne von politischen Entscheidungen durchkreuzt werden. Damit könnten Konzerne im Extremfall bestimmen, ob ein Staat es sich leisten kann, aus der Kernkraft auszusteigen oder Gentechnik-Produkte zu verbieten.

Im EU-Parlament gibt es Widerstand gegen einen “Investitionsschutz” dieser Art. Die EU-Kommission will die Regeln so fassen, dass das Regulierungsrecht der Staaten garantiert wird und Juristen kein Auslegungsspielraum bleibt. Ob neue Investitionsschutzregeln in das TTIP-Paket aufgenommen werden, soll erst entschieden werden, wenn das Verhandlungsergebnis vorliegt.

VERBRAUCHER- UND GESUNDHEITSSCHUTZ: Verbraucherschützer befürchten einen Wettlauf zum Abbau der Anforderungen an Sicherheitstests und Lebensmittel. Brüssel und die deutsche Bundesregierung versichern dagegen, die EU-Schutznormen würden bei den TTIP-Verhandlungen nicht angetastet. Bisher verbotene Gentechnik-Produkte sollen also nicht allein deshalb legal werden, weil sie aus den USA kommen und die Hersteller sich auf das Freihandelsabkommen berufen.

DATENSCHUTZ: Nach der NSA-Horchaffäre und dem Scheitern des ACTA-Abkommens im EU-Parlament wird der Bereich ausgeklammert.

FINANZMÄRKTE: Die Regulierung des Bankbereiches mit möglichen Folgen für die Sparkassen soll primär im Rahmen der G-20 erfolgen. Darauf dringen US-Parlamentarier. Die USA haben bisher die strengeren Finanzmarktregeln.

(APA)

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