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Dem Meister über die Schulter geschaut

Der Meister bei der Arbeit
Der Meister bei der Arbeit ©Gerhard Burtscher
Wir hatten Glück. Bei unserem neuerlichen Besuch in Tschagguns, am Sonntag vor dem vierten Lockdown, hatten wir den Kauf einer Krippe auf dem Plan.

In der Ganzenahlstraße 1, dem Ziel unseres Ausflugs, ergab sich unverhofft die Gelegenheit, dem Meister persönlich über die Schulter zu schauen.

Luggi Kessler, dessen Schindelhüsli mittlerweile weit über Tschagguns hinaus bekannt sind, saß in seine Arbeit vertieft in seiner Werkstatt und summte versonnen zu einer weihnachtlichen Melodie, die im Hintergrund aus einer Tonkonserve dudelte. Erst als wir uns mit einem Räuspern bemerkbar machten, wurde er unser gewahr. Mirjam hatte uns zu ihm geführt.

Es hat etwas aus der Zeit gefallenes, nach früher Anmutendes, wenn man Luggi inmitten seiner beeindruckenden Kunstwerke sieht, wenn man seine Hingabe, selbst bei kleinsten Details der Häuschen, miterlebt und die Begeisterung und Ernsthaftigkeit, mit der er den Sinn seiner Arbeit erklärt. „D´Lüt hon´s gära, wenn ma Wärmi spüra ka bi dem, was ma sacht“, sagte er. „Und ich hon´s gära, wenn ich a Fröd maha ka.“ Das wussten wir schon vom letzten Besuch, und es klang so überzeugend wie damals.

Kurz darauf schob er uns freundlich, aber bestimmt, Richtung Ausgang. „Ich komm glei, ich bruch nu noch füf Minuta.“ Dann nahm er wieder sein Werkzeug zur Hand. Wir folgten Mirjam leisen Fußes zur Vitrine vor dem Haus, um unsere Wahl zu treffen. Bei der Vielzahl der Exponate kein leichtes Unterfangen, aber wir haben es geschafft, und Karin war glücklich.

Aus Luggis „füf Minuta“ wurden zwanzig, aber dann kam er tatsächlich, und wir konnten den Tag mit einem ruhigen Plausch über Gott und die Welt ausklingen lassen.

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