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Dem "Joschi" seine Gasse

Bei der Enthüllung der Weidingergasse: Hans Orsolics, Richard Lugner, Mohammed Bukla
Bei der Enthüllung der Weidingergasse: Hans Orsolics, Richard Lugner, Mohammed Bukla ©vienna.at
Der ehemalige Box-Europameister Josef "Joschi" Weidinger war der Wiener Sportheld der Nachkriegszeit. Jetzt bekam er seine eigene Gasse. Am Freitag wurde in Donaustadt eine bisher namenlose Verkehrsfläche nach der 2002 verstorbenen Boxlegende als "Weidingergasse" benannt.
Bilder: Die Weidingergasse

Geschätzte 200 Meter ist die Weidingergasse lang, sie schlängelt sich wie ein symbolisches Ringseil um einen Bau am Ende der Wohlgemuthgasse. Bezirksvorsteher Norbert Scheed enthüllte die Tafel im Beisein von heimischen Box-Granden wie Hans Orsolics, Joe “Tiger” Pachler, Biko Botuwamungo und Societylöwe Richard Lugner. Witwe Elisabeth hatte sich dafür eingesetzt, dass auch eine Zusatztafel angebracht wird. Die heute 70-Jährige hatte Weidinger in ihrem Lebensmittelgeschäft, das sie bis 1998 nur einen Steinwurf von der jetzigen Weidingergasse entfernt betrieb, kennen gelernt. “Er war für Österreich, was Max Schmeling für Deutschland war”, sagt sie, “und er war ein Gentleman.”

Am Beginn von Weidingers Karriere war vom Gentleman noch nichts zu sehen, der 1923 geborene Ottakringer galt zu seinen Amateurzeiten als gefürchteter KO-Schläger. 1945 wurde Weidinger Profi und versuchte in Paris sein Glück. Nach dem Weltkrieg hatten die Franzosen wenig für deutsch klingende Namen übrig, so wurde aus Josef Weidinger “Joe Weidin”. Als Außenseiter gewann er 1947 das Schwergewichtsturnier in Brüssel – eine Sensation. Die amerikanische Boxlegende Jack Dempsey brachte Weidinger anschließend als “weiße Hoffnung” in die USA. “Aus dir mache ich einen Weltmeister”, soll Dempsey damals gesagt haben. Doch Weidinger konnte sich in den Vereinigten Staaten nicht durchsetzen. Nach durchwachsenen Resultaten kehrte der Ottakringer 1949 wieder nach Wien zurück, wo er seinen größten Erfolg erkämpfte: Im ausverkauften Praterstadion fightete Weidinger am 3. Juni 1950 den Polen Stefan Olek in einem 15-Runden-Kampf nach Punkten nieder und wurde Europameister.

Es war die erste Großveranstaltung in Wien nach dem Krieg, Boxen war ein populärer Sport, Joschi Weidinger am Gipfel. Doch im Jänner 1951 verlor er seinen EM-Titel an den Briten Jack Gardener, 1952 musste er schließlich den Boxsport wegen einer im Ring erlittenen Augenverletzung beenden – seine Bilanz: 47 Kämpfe, 31 Siege, 1 Unentschieden, 14 Niederlagen.

Der weltgewandte Weidinger, der englisch und französisch sprach, wurde Croupier im Casino und arbeitete als Präsident des Österreichischen Berufsboxverbandes und Vorstandsmitglied des SK Rapid Wien. Zwei Jahre vor seinem Tod erhielt Weidinger im Jahr 2000 den “Goldenen Rathausmann” der Stadt Wien. Die damalige Vizebürgermeisterin Grete Laska würdigte ihn als “einfach beispielgebend für alle Facetten des Sports”. Weidinger starb im Juni 2002 im Alter von 79 Jahren. Jetzt erinnert die Weidingergasse an “Joschi”, dessen Kämpfe ein Teil der österreichischen Nachkriegsidentität sind.

Martin Ucik

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