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Das Ziel: Möglichst wenige Pillen

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Durchschnittlichen sieben Arzneimittel „müssen“ über 75-Jährige täglich einnehmen. Oft wurden sie von verschiedenen (Fach-)Ärzten verschrieben oder entstammen einer Medikation aus dem Spital.

„Das ist besonders für Senioren viel zu viel. Ab fünf Medikamenten in verschiedenen Dosierungen ist die Angelegenheit nicht mehr tragbar. Die Wechselwirkungen werden unüberschaubar“, erklärte jetzt Univ.-Doz. Dr. Peter Peichl, Leiter der Internen Abteilungen am Evangelischen Krankenhaus in Wien-Währing. Er hat an dem Spital mit einem Projekt begonnen, um alle Medikationen vor der Entlassung der Patienten aus dem Spital überschaubar und praxisnah zu machen.

Laut Studien ist dabei nur ein Drittel der Senioren therapeutisch richtig eingestellt. Peichl: “20 Prozent sind medikamentös unterversorgt, 30 Prozent aber sind überversorgt.“ Ersteres ist relativ leicht zu beheben, doch im Dschungel unterschiedlichster Verschreibungen kann leicht die Qualität der Versorgung hängen bleiben. Der Internist und Rheumatologe: „Speziell Blutdruckmittel, Medikamente gegen Blutzucker, Beruhigungs- und Schlafmittel sowie Schmerz- und Rheumapräparate haben beim älteren Menschen oft erhebliche Wechsel- und Nebenwirkungen.“

Die Konsequenz: Laut wissenschaftlichen Untersuchungen lassen falsch eingenommene oder falsch kombinierte Präparate nicht nur die Gefahr schwerer Stürze deutlich steigen, sondern können auch zur erheblichen Verminderung der Lebensqualität führen. So kommt es zu Verwirrtheitszuständen bzw. diese Probleme verstärken sich. Morbus Parkinson, Harninkontinenz oder schwere Stuhlverstopfungen können gefördert werden. Ganz zu schweigen von Bauchweh, starker Müdigkeit und allgemeiner Unlust.

Peichl: „Es hat sich gezeigt, dass beispielsweise das Sturzrisiko mit der Gefahr eines Oberschenkelhalsbruches etc. eindeutig mit der Anzahl der Diagnosen steigt. Unsere moderne Evidenz-basierte Medizin (auf der Grundlage wissenschaftlicher Studien, Anm.) ist auf monokausale Erkrankungen ausgerichtet. Alte Menschen haben aber zumeist viele Krankheiten. Da ist die Osteoporose vielleicht nicht die erste, sondern die siebente Diagnose.“

Dem wollen der Internist und sein Team durch ein ganzes Maßnahmenpaket verstärkt Rechnung tragen: So soll die Behandlung speziell darauf ausgerichtet werden, bei Betagten und hoch Betagten ein Optimum an Wiederherstellung verloren gegangener Funktionen und an Lebensqualität zu erreichen. Peichl: „Da werden vielleicht die Cholesterinwerte bei einem sehr alten Menschen nicht mehr so wichtig sein wie eine Depression, die den Betroffenen das Leben zur Hölle macht. Wir müssen fragen, was der Patient am dringendsten braucht und danach therapieren.“ Auf solchen Prioritäten soll auch die Medikation beruhen, mit der die Patienten nach der Spitalsbehandlung nach Hause entlassen werden.

Der Arzt: „Wir wollen erreichen, dass unsere Patienten nur noch mit optimierten Verschreibungen für Medikamente nach Hause gehen. Bei einer gewissenhaften Arzneimitteleinstellung und richtigem Einnahmeverhalten müsste man bei fast allen Senioren mit drei Präparaten das Auslangen finden.“

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