AA

Das würde ein S1-Ausbau laut Experten kaputt machen

Die Stadt Wien ist Unterstützerin eines S1-Ausbaus.
Die Stadt Wien ist Unterstützerin eines S1-Ausbaus. ©APA/HERBERT PFARRHOFER (Symbolbild)
Die Stadt Wien tritt ebenso wie das Land Niederösterreich für einen Ausbau der Wiener Außenring-Schnellstraße (S1) ein. Das Vorhaben ist unter Fachleuten allerdings umstritten.

Der Ausbau sei durch das Verkehrsaufkommen nicht zu rechtfertigen, es käme zu keinen Standortverbesserung in Ortschaften im ländlichen Raum und ein Ausbau würde funktionierende städtische Strukturen zerstören, hieß es in einem Online-Fachgespräch des Forums Wissenschaft & Umwelt mit Verkehrsexperten am Dienstag.

Rolle von S1-Teilstück

Ziel des Landes Niederösterreich ist es, mit dem Bau des letzten Teilstückes der S1 den Regionenring zu schließen - ein Straßenprojekt, das sich ringförmig um die Stadt Wien windet, Gemeinden und Ortschaften an das Autobahnnetz anbinden und somit zu einer Standortverbesserung für den ländlichen Raum führen soll.

"Es hat sich aber gezeigt, dass derartige Bauvorhaben den ländlichen Raum entleeren", sagte Stadtplaner Reinhard Seiß. Erste Folgen könne man schon an den Knotenpunkten des Rings sehen: es entstünden Einkaufszentren, die einen Kundenverkehr anziehen, der zu 100 Prozent aus Autofahrern besteht, mit allen Klima- und Umweltauswirkungen. "Das schwächt die Handelsstruktur in den Ortszentren, die auch zu Fuß oder per Rad erreichbar wären", sagte Seiß.

Stadtplaner über Autobahn-Ausbauten

Mit dem Ausbau der Autobahnen und Schnellstraßen würde somit nicht nur der Verkehr angeheizt, sondern auch die Verödung in den Zentren gefördert. "Das ist der Tod der Nahversorgung und die Zerstörung unserer kulturellen Identität, auf die wir stolz sind. Aber wir pflegen sie nicht gebührend".

Aber nicht nur der Handel, auch das Wohnen wandert laut Experten auf die grüne Wiese ab. "Der Bau der Weinviertelautobahn A5 hat nicht zur Ortsstärkung beigetragen, sondern bewirkt, dass Menschen zu billigem Baugrund kommen und dann mit Pendlerpauschale gefördert zur Arbeit in die Stadt fahren", sagte Seiß.

Seiß verlangt bestimmte Verkehrspolitik

Er forderte vor allem für Wien eine Verkehrspolitik, die "wegkommt von der Begeisterung für das Auto". Dabei sei die Gestaltung des öffentlichen Raums entscheidend. "In Wien gibt es ganze Stadtteile, die nur dem Konsum dienen und nur mit dem Auto erschlossen werden können - Drive-In-Stadtteile. Wenn hier jemand einmal geht, wirkt das wie ein Irrtum", kritisierte der Stadtplaner aktuelle Stadtteil-Bauvorhaben Wiens, wie das Sonnwendviertel "mit seinen überbreiten Straßen, die in keiner Relation zu ihrer Bedeutung stehen".

Es sei in der Stadtplanung die Mischung abhanden gekommen, wie sie in gründerzeitlichen Stadtteilen noch vorhanden gewesen sei: "Damals war eine Parzelle 23 mal 24 Meter groß, es gab zwei, drei handelsgewerbliche Nutzer, dann Arztpraxis im ersten Stock und darüber wird gewohnt - eine optimale Vielfalt", sagte Seiß. Demgegenüber würden nun monofunktionale Strukturen gebaut werden. Riesige Objekte, die nur Büros beherbergten, ohne Erdgeschoßzone, in der Fußgänger stehenbleiben, in ein Gespräch kommen oder verweilen könnten. Die Nutzer dieser Gebäude - als Beispiel nannte Seiß ein 150 Meter langes Bankgebäude in der Lasallestraße - "wohnen entlang des Regionenrings und fahren direkt von ihren Häusern mit dem Auto in die Tiefgarage in der Stadt".

Experte unterstützt S1-Bau nicht

Aus anderen Gründen sprach sich Verkehrsexperte Hermann Knoflacher gegen den Bau der S1 und des Lobau-Tunnels aus. Laut seiner Einschätzung verursachten zusätzliche Fahrmöglichkeiten für Autos zusätzlichen Verkehr. "Auf der A23 haben wir heute mehr Verkehr als vor dem Ausbau. Es wäre absurd zu glauben, dass der Verkehr weniger wird, wenn ich eine zusätzliche Fahrbahn baue", sagte der Experte. Außerdem wären seit Beschluss des Asfinag-Gesetzes viel mehr Schnellstraßen und Autobahnen gebaut worden als das Auto-Aufkommen rechtfertigen würde, sprach sich Knoflacher gegen den Bau der S1 aus.

Nachrichten zur Stadtentwicklung

(APA/Red)

  • VIENNA.AT
  • Österreich
  • Das würde ein S1-Ausbau laut Experten kaputt machen
  • Kommentare
    Kommentare
    Grund der Meldung
    • Werbung
    • Verstoß gegen Nutzungsbedingungen
    • Persönliche Daten veröffentlicht
    Noch 1000 Zeichen