Das war die 14. Nestroy-Gala: Politik-Schelte und neuer Billeteurs-Coup

Ganz am Ende wurde die 14. Nestroy-Gala doch noch politisch. Dafür sorgte am Montagabend zum einen Theater der Jugend-Intendant Thomas Birkmeir. Dieser feuerte in seiner Dankesrede zur Entgegennahme des Spezialpreises eine Breitseite gegen die Politik ab.
Highlights bei der 14. Nestroy-Gala
Zum anderen kam einer zu Wort, der schließlich wie schon bei der 125-Jahr-Feier des Burgtheaters auch in der Halle F der Wiener Stadthalle die Bühne enterte, ohne Teil des Programms zu sein: Der ehemalige Burg-Billeteur Christian Diaz nützte auch die Verleihung der Nestroy-Preise um darauf aufmerksam zu machen, dass am Theater vor und hinter den Kulissen oft sehr unterschiedlich agiert werde. Birkmeir wie Diaz ernteten dafür langen Applaus des Publikums.
Dabei hatten die verantwortlichen Planer des Gala-Abends (Buch: Norman Weichselbaum in Zusammenarbeit mit Moderatorin Sunnyi Melles und Reinhardt-Seminar-Leiter Hans Hoffer) alles daran gesetzt, in das showaffine und theaterfremde Ambiente der Stadthalle Bühnenluft hineinzuholen und den rauen Wind der Wirklichkeit auszusperren.
Preisverleihung mit Klavier und Applaus
Die Einbeziehung von Studierenden des Max Reinhardt-Seminars und ihrer Lehrer Ismael Ivo und Istvan Szabo in Zwischenprogramme und Preisübergaben war ein guter, schöner Ansatz, der ziemlich bieder umgesetzt wurde.
Die extra komponierten kurzen Musikstücke, die den Preisträgern von Sängerin Lia Pale, Bassist Hans Strasser und Jazz-Größe Matthias Rüegg am Klavier als Präsente zusätzlich zu ihren Nestroy-Statuen überreicht wurden, gingen bei der Nestroy-Gala meist im Applaus unter.
Slapstick-Einlage von Sunnyi Melles
Nestroy-Preisträgerin Melles hatte im zyklamenfarbenen Kleid die besten Momente, als sie die immer wieder auftretenden Mikrofon-Probleme bei der Verkündigung des Publikumspreisträgers (Florian Teichtmeister) für eine Slapstick-Einlage mit Friedrich Stickler nutzte, bei deren Höhepunkt sie den Vorstandsdirektor der österreichischen Lotterien etwas zweideutig dazu aufforderte, seinen Spickzettel erneut zu benutzen, da sie seine kurze Rede nicht mitbekommen habe: “Holen Sie ihn raus!”
Ein Double für das Burgtheater
Anders als in manchen Jahren waren die Preise bei der Nestroy-Gala diesmal gleichmäßig verteilt. Der “Elektra”-Produktion der Burg gelang mit dem Hauptrollen-Nestroy für die mit der fünften Nominierung erstmals siegreiche Christiane von Poelnitz (“Endlich!” kommentierte Melles) und dem Regie-Nestroy für Michael Thalheimer das einzige Double – sieht man von Birkmeir ab, der “für 10 Jahre innovatives, zeitgemäßes Kinder- und Jugendtheater” geehrt wurde und zudem auch Regisseur der Produktion “Wie man unsterblich wird” war, für die Hauptdarsteller Stefan Rosenthal den Nachwuchs-Nestroy erhielt. Das Theater in der Josefstadt kam mit Gregor Bloeb als “Bester Schauspieler” (in Felix Mitterers “Jägerstätter”) zum Zug, das Volkstheater Wien mit Till Firit als “Beste Nebenrolle” in “Anna Karenina”.
Weitere Preisträger beim Nestroy Preis 2013
Beste Bundesländer-Aufführung wurde “Hakoah Wien” aus dem Schauspielhaus Graz, beste Off-Produktion das von den Wiener Wortstätten in Kooperation mit dem Theater Nestroyhof Hamakom produzierte Stück “Habe die Ehre” von Ibrahim Amir. Den Nestroy für die “Beste deutschsprachige Aufführung” holte Karin Beier ab, die nach Hamburg gewechselte langjährige Kölner Intendantin, die in ihrer letzten Saison “Reise durch die Nacht” von Friederike Mayröcker in einer Inszenierung von Katie Mitchell gezeigt hatte. Annette Murschetz wurde für ihre Bühnenbilder der Trilogie “In Agonie” von Miroslav Krleza (eine Koproduktion der Wiener Festwochen mit dem Residenztheater München) mit dem Ausstattungs-Nestroy ausgezeichnet.
Thomas Birkmeier: “We deserved it!”
Die Dankesreden hielten sich die längste Zeit im erwartbaren Rahmen, zwischen “große Überraschung” und “Dank an alle Beteiligten”, meist nicht unsympathisch, häufig emotional, doch letztlich durch und durch privat. Bis ein selbstbewusst Shirley MacLaine zitierender Thomas Birkmeier (“We deserved it!”) plötzlich in seiner Rede einen Schwenk machte, an den “Heldenplatz”-Skandal vor genau 25 Jahren und die damalige Rolle der Politik erinnerte.
Über die FPÖ-Plakate des Jahres 1995 (“Lieben Sie Scholten, Jelinek, Häupl, Peymann, Pasterk oder Kunst und Kultur?”) kam er auf die heutige Politik zu sprechen, die es zulasse, dass die meisten Theatersubventionen seit 1999 real um 30 bis 40 Prozent geschrumpft seien. “Das halte ich für eine untragbare Situation für eine Kulturnation”, so Birkmeir, der es klar ablehnte, sich von Sponsoren Rettung zu erwarten. “Die Politik ist verantwortlich, dass eine lebendige Demokratie auch Kunst und Kultur finanziert – und das ausreichend!”
Mehrfach präsent: Christian Diaz
Anschließend gelang dem (nach seiner Probezeit nicht mehr weiter beschäftigten) Burgtheater-Billeteur Christian Diaz das Kunststück, gleich mehrfach präsent zu sein: In der von Dramaturgin Amely Haag gehaltenen Laudatio des kurzfristig verhinderten Burgtheater-Direktors Matthias Hartmann auf Autoren-Preisträgerin Elfriede Jelinek (“Der Billeteur Christian Diaz hat recht! Es braucht mutige Menschen wie ihn, um die Ohnmacht zu überwinden. Ihm gebührt ein Nestroy!”), in Jelineks “guter Textwurst”, die sie selbst per Toneinspielung vortrug, als Synchronstimme für die von Puppenspieler Nikolaus Habjan geführte Jelinek-Puppe, sowie durch einen knappen eigenen Auftritt, bei dem er die übrigen Bundestheater-Intendanten dazu aufrief, sich mit Hartmann zu treffen und sich mit ihm zu solidarisieren.
Die Inanspruchnahme des durch den Gewinn der Ausschreibung für die Betreuung im geplanten Schubhaftzentrum im steirischen Vordernberg in Kritik geratenen Sicherheitsdienstleisters G4S für den Publikumsdienst der Bundestheater zeuge von einer dem Theater abträglichen Doppelmoral.
Luc Bondy erhielt Standing Ovations
Standing Ovations und einen Lebenswerk-Nestroy gab es abschließend für den 65-jährigen Regisseur und langjährigen Intendanten der Wiener Festwochen Luc Bondy. Burgschauspielerin Johanna Wokalek hielt die Laudatio: “Lieber Luc, für mich bist Du der ideale Schauspieler. Ich habe noch keinen besseren gesehen. Du bist ein Spieler – im Leben wie im Theater.”
(apa/red)