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Das Spiel mit dem Nichts

Das dunkle Grau lässt den Materialeindruck zwischen Holz und Sichtbeton schwanken. Die Reduktion der Form steigert jede Liniatur und jede Öffnung zu bedeutsamen Gestaltungselementen.
Das dunkle Grau lässt den Materialeindruck zwischen Holz und Sichtbeton schwanken. Die Reduktion der Form steigert jede Liniatur und jede Öffnung zu bedeutsamen Gestaltungselementen. ©Darko Todorovic/vai
Hohenems - Verwandlung. Ein Neubau auf altem Keller schafft neuen Lebensraum. Nicht größer, sondern besser war die Devise, unter der auf nur 120 m² eine Zweizimmerwohnung und ein Atelier entstanden.
Hohenems: Spiel mit dem Nichts

Es ist ein besonderes Verhältnis. Das Verhältnis zum Nichts, zum lichtlosen Schwarz, das alles für sich behält, kein Licht, keine Farbe, nichts nach außen lassen will und ein wortloses Nein zu Form und Gestaltung spricht. Und dieses Nichts hat ein besonderes Verhältnis zu seiner unscheinbaren Schwester, der Unauffälligkeit. Die Unsichtbarkeit des Gewöhnlichen, des „Normalen“, das sich einfügt und sich selbst verleugnet und auf diese Weise auch verschwindet.

Beides hat Tradition in Vorarlberg und einige Übung im Gebrauch. Man denke nur an die einstige schwarze Hochzeitstracht im Bregenzerwald oder das optisch gleichmäßige Geröll der Einfamilienhäuser, welches das Rheintal überzieht.

Das eine in das andere zu verwandeln und trotzdem Raffinesse zu zeigen, ist dem Umbau, oder besser dem Ersatzneubau in Hohenems gelungen, mit dem sich zwei Geschwister Wohn- bzw. Büroraum geschaffen haben.

Nachdem die Eltern ihr eingeschoßiges Auszugshaus im Garten desselben Grundstücks errichtet hatten und aus dem Siedlerhaus der 1950er-Jahre ausgezogen waren, stand zuerst eine Sanierung im Raum. 9 mal 9 Meter Grundriss, ein beengtes Dachgeschoß und die kleinformatige Befensterung boten schlussendlich zu wenig Perspektiven. Der Königsweg war schließlich, die Obergeschoße und einen Zubau abzureißen und nur den Keller samt allen Anschlüssen zu nutzen.

Zwei volle Geschoße entstanden darüber, im Grundriss ident und ausgeführt in Holzfertigteilen, um die vorhandenen Fundamente nicht zu überlasten und um die Bauzeit kurz zu halten.

Als angenehm beschreibt dies der Architekt und kostenschonend war es allemal. Zur Planung und Gestaltung hatten Beate Amann und Stefan Amann das Büro Archetypen gewonnen. Bestand doch durch die langjährige Freundschaft zwischen dem Grafiker und dem Architekten eine solide Basis, auf der man unkompliziert aufbauen konnte. Über das Ziel eines schlichten, schwarzen Würfels war rasch Einigkeit erzielt und auch darüber, dass man oben wohnen wollte und im Erdgeschoß das Atelier Platz finden sollte.

Letztendlich war die Innenaufteilung dem alten Siedlerhaus nicht unähnlich, doch nutzt man den halben Grundriss für einen großen Raum mit 4 x 8,5 Meter. Dem gegenüber liegen ein kleineres Zimmer, ein Bad, samt WC und das Stiegenhaus. Im Erdgeschoß dient der große Raum als Atelier, das mit seiner großzügigen und raumhohen Verglasung über Eck sich weit und ungehemmt, fast wie ein Geschäftslokal, öffnet. Das Zimmer ist Archiv. Ein ganz intimer Raum mit Oberlichten, gut, um vieles abzulegen, die Bibliothek zu konsultieren oder auch, um die Umwelt auszublenden und konzentriert nachzudenken. Oben ist die Nutzung klar: Ein großer Wohnraum samt Küche stehen zur Verfügung, im Zimmer wird geschlafen und das Bad liegt dann gleich nebenan. Den Wohnraum möchte man mit Blick auf die Zukunft auch in zwei Zimmer teilen, die jedoch nicht getrennt zugänglich wären.

Durch einen Aufstieg gelangt man auf ein Kiesdach mit Holzrost, das durch die hochgezogene Fassade eine erhöhte Brüstung erhält. Die schützt vor Einblick, blendet die Gärten und Garagen der Nachbarschaft aus und lenkt den Blick nur in die Ferne auf die wundervollen Berge ringsum.

All dies beschreiben Architekt und Bauherr als Summe logischer Entscheidungen, die durch das kompakte Format des Hauses und die funktionellen Vorgaben der Nutzer im Einklang entstanden.

Ein wesentliches Motiv zur Neugestaltung war die Fassade. Die beiden Geschoße sind durch die Öffnungen ganz verschieden im Charakter. Das Atelier ist kreative Produktionsstätte und lebt spürbar von der Offenheit, die ungeniert Kontakt bietet für Spaziergänger oder Nachbarn. Nichts gibt es hier zu verbergen. Oben orientieren zwei große Öffnungen Wohn- und Essbereich. Vor dem großen Esstisch als gewöhnliches Fenster und vorm Wohnen als raumhohe Öffnung mit Glasbrüstung, die sich ganz zur Seite schieben lässt und den Wohnraum wie eine Loggia öffnet. Ein besonderes Spiel betreibt die sägeraue, schwarz gemalte Fichtenholzfassade. Nur der Eingang und die Fenster in den Wohn- und Atelierraum schneiden wie Glaskörper in den kompakten Gebäudekörper ein. Stiegenhaus und Bad verbergen ihre Öffnungen hinter den Latten der Fassade, die an dieser Stelle auf die halbe Breite reduziert sind. Licht fällt ein, aber von außen bleibt die Öffnung unsichtbar und nur bei Nacht, wenn das Haus von innen leuchtet, dringt Licht durch diesen Holzvorhang.

Daten und Fakten

Objekt: Neubau Einfamilienhaus und Büro/Atelier

Bauleute: Beate Amann und Stefan Amann, Hohenems

Planung: archetypen büro für architektur, Thomas Burtscher

Nutzfläche: EG 59,5 m²

Nutzfläche gesamt: 119 m²

Planungsbeginn: 2006

Fertigstellung: 2007

Konstruktion: Holzfertigelemente mit offenen Untersichten aus Plattenwerkstoffen auf bestehendem Keller; Holzschalung stehend, lasiert

Ausführung: Holzbau: Berchtold, Wolfurt; Heizung: Engel, Dornbirn; Holzfenster: Metzler, Hohenems, Einbaumöbel: archetypen (Entwurf), Tischler Stadler, Lauterach (Ausführung)

Leben & Wohnen – Immobilienbeilage der VN

Für den Inhalt verantwortlich:
vai Vorarlberger Architektur Institut
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Mit freundlicher Unterstützung durch Arch+Ing

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