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Das Schnitzel von Wien: Wo und wie aus Brösel Gold gesponnen wird.

 

Eine historische sowie aktuelle Schnitzelfahrt durch Wien mit Herrn Merlot.

 

Viele Mythen, Thesen, Wienerstammtischlektüren und feine „bröselige” Märchen von Butterschmalz und Kalbschalle gibt es. Über die Herkunft des Wiener Schnitzels kann man einiges lesen und dabei bekommt man immer wieder Appetit auf Bröseln und Kalb!

 

Das Wiener Schnitzel ist das Nationalgericht unserer Alpenrepublik schlechthin: Berühmt in der ganzen Welt und immer wieder gern gegessen. Als solches ist es von vielen Legenden und Geschichten „umbacken”. Durch alle österreichischen Bücher der Kochkunst und kulturhistorischen Kurzgedanken geistert die Geschichte, dass das Schnitzel im Jahre 1859 durch Herrn Marschall Radetzky direkt von Mailand nach Wien transferiert worden sei. Das ist ganz und gar unmöglich. Denn schon im ausgehenden 18. Jahrhundert finden sich Rezepte um den „Bröselteppich” in den Kochbüchern Wiens. Ein italienischer Reiseschriftsteller, Felice Cùnsolo mit italienischer Abstammung, hat die Geschichte mit Radetzky und Kaiser Franz Joseph in seinem Schriftwerk „Italien tafelt” in den 60iger Jahren erstmals erwähnt. Er berichtet von einem Flügeladjutanten von Kaiser Franz Joseph namens Attems, der ein diesbezügliches lukulisches Schreibwerk verfasst hat, und einem im Wiener Staatsarchiv verwahrten Bericht des Feldmarschalls Radetzky, in welchem er die Regierung davon unterrichtet habe, dass die Mailänder Küche etwas wahrhaft Außergewöhnliches hervorbringe, ein Kotelett vom Kalb, in Ei gewälzt, paniert und in Butter gebacken. Der junge Franz Joseph sei an dem Rezept viel mehr interessiert gewesen als an der militärischen Lage in den aufständischen Provinzen und habe sich das Gericht gleich nachbacken lassen, größtenteils in Bad Ischl!

Das Ganze ist von vorn bis hinten erfunden, wie genau recherchierende Archivkenner nachgewiesen haben. Es gab weder einen Flügeladjutanten namens Attems, noch gibt es ein derartiges Schriftstück. Interessant ist nur, wie bereitwillig alle nach 1969 schreibenden österreichischen Kochbuchautoren und Gourmetjournalisten die Geschichte aufgegriffen haben. Sie passte erstens zur Mythenbildung um Radetzky und Franz Joseph, zweitens zum Image der italienischen Küche, das in den späten 50er Jahren zu boomen begann, und drittens vielleicht auch zum Bestreben, dem Multikulturalismus der Habsburger Monarchie damit eine weitere Facette hinzuzufügen.

 

Merlot´s geschichtliche Wahrheit, rund ums Schnitzer´l:

Das Wiener Schnitzel ein typisches Gericht des sich im späten 18. Jahrhundert formierenden Bürgertums: In Wien wurde damals sehr viel Kalbfleisch gegessen. Von den wenigen Schweinen, die aber auf 180 bis 200 kg gefüttert wurden, fiel entsprechend viel Schmalz an. Da man in den Städten vornehmlich Weißbrot aß, konnte man die Reste als Semmelbrösel (altes geriebenes) verwerten. Vor allem aber unterstützte das Schnitzel die bürgerliche Verdrängung des Tieres von der Tafel. Die Tiere wurden nicht mehr wie in der feudalen Gesellschaft als Ganzes auf die Tafel getragen und vor den Augen der Esser tranchiert. Das Schnitzel wurde in der Küche portioniert und den Fleischcharakter des neuen Gerichtes konnte man aufgrund der goldgelben Panier (Bröseln) von außen gar nicht mehr erkennen.

 

Hier einige feine Adressen, wo herzhaft Bröseln zu Gold gesponnen oder besser geschrieben gebacken werden:

  

Oswald und Kalb – „Schnitzerl”

Hier hat Hansi Hölzl, auch Falco genannt, zusammen mit den kreativen Gästen den Augenblick gefeiert, als sein Amadeus Nummer 1 in den US-Charts wurde – und dazu wurden Schnitzerl serviert! Das „Oswald & Kalb” gilt als Treff der Medien- und Künstlerprominenz, in den wunderschönen Gewölben aus dem 16. Jahrhundert wird gehobene Wiener Küche geboten, das Schnitzel schmeckt vorzüglich, ja  großartig knusprig. Der umtriebige Szenekenner und Patron Stephan Sares hat zu jedem Gericht und speziell zum Wiener-Fleischklassiker die richtigen Begleiter der flüssigen Genussform. Zum Beispiel Hirtzbergers „Rotes Tor”, ein mineralischer, süffiger Grüner Veltliner!

Bäckerstrasse 14, 1010 Wien,
Mo-Sa 18 bis 24 Uhr, So und Feiertag geschlossen
Tel 01 512 13 71

  

Zum Reznicek: der hat es in der Pfanne!

Man tritt ein und erblickt den Wirten, der mit „Leibesfülle und Gastroseele” den Herrn Oskar in G’schichten aus dem Wienerwald verkörpert. Ein echt „Lieber” ist er, der Herbert Prockl, und der Wienerküche verschrieben. Versteht nicht nur Gold aus Bröseln zu backen, sondern kennt auch die anderen Feinheiten der Wiener Küche: Die Spinatcreme wird keineswegs mit Einbrenn gerührt, es gibt Hirn mit Ei und die gerösteten Nierndln kommen nur am Schlachttag aufs Teller. Großartiges Beislflair und das beste Schnitzerl im 9ten Hieb! Unbedingt einen Tisch reservieren. Das Gute wird immer im Butterschmalz gebacken. Fein, fein und nochmals: Wiener-„Welt”-Klasse!

Reznicekgasse 10, 1090 Wien
Mo-Fr 11.30-15 und 18-23.30
Tel 0699/13179140

  

Arlt, wo die Vorstadt genießt!

Speziell, wenn man die Kalbschalle vorbestellt und dabei noch liebe Gäste aus Strassburg auf diesen „bröslige” Happen (€ 15.90) einlädt, dann kann man sich in jeden Schnitzellage auf die Küche von Thomas Zalud  verlassen. Dazu einen feinen Knoll-Tropfen aus der Wachau und die Schnitzelfahrt hat die richtige Genussrichtung eingeschlagen. Sogar das frische, wunderbar gezapfte Piestinger hat hier Schluck um Schluck Perfektion! Sonntags und Feiertags unbedingt vorbestellen, Tisch, Schnitzerl und den Appetit nehmen sie ja sowieso mit. Freue mich für Sie, denn wir hatten einen großartigen Mittagstisch zu Viert!

Kainzgasse 17, 1170 Wien
Mi-Sa 10-23 und So. und Feiertags 10-16 Uhr

 

Autor: max von merlot, Bilder: m.v.m, a la carte


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