Der Mediziner und Autor Sucharit Bhakdi ist vor dem Amtsgericht im schleswig-holsteinischen Plön vom Vorwurf der zweifachen Volksverhetzung freigesprochen worden. Das Gericht habe nicht feststellen können, dass sich der 76-Jährige mit Äußerungen im Wahlkampf 2021 sowie einem Interview im Internet strafbar gemacht habe, sagte Richter Malte Grundmann in der Urteilsbegründung am Dienstag. Zwar sei der Vergleich zwischen Impfpolitik und Holocaust nicht hinnehmbar, aber Bhakdis Äußerungen seien nicht geeignet gewesen, den öffentlichen Frieden zu stören.
Vorwurf der Volksverhetzung
Die Generalstaatsanwaltschaft warf dem pensionierten Professor für Mikrobiologie Volksverhetzung in zwei Fällen vor. Laut Anklage soll Bhakdi im Zusammenhang mit heftiger Kritik an der Impfpolitik Israels auch gegenüber in Deutschland lebenden Jüdinnen und Juden zum Hass aufgestachelt und diese als religiöse Gruppe böswillig verächtlich gemacht haben. Er habe durch eine drastische aggressive Wortwahl zur Impfpolitik als zweitem Holocaust bewusst ein Klima der Angst auch unter deutschen Jüdinnen und Juden in Kauf genommen, sagte Oberstaatsanwältin und Antisemitismusbeauftragte des Landes Schleswig-Holstein, Silke Füssinger. Sie forderte eine Geldstrafe in Höhe von 180 Tagessätzen zu je 90 Euro.
Die Verteidigung wies die Anklage zurück und warf der Generalstaatsanwaltschaft vor, das Verfahren politisiert zu haben. Zu dem Verfahren kam es, obwohl die Kieler Staatsanwaltschaft die Anklageerhebung gegen Bhakdi abgelehnt und das Verfahren eingestellt hatte. Daraufhin zog die Generalstaatsanwaltschaft das Verfahren an sich.
Nach Ansicht der Verteidigung ermittelte die Generalstaatsanwaltschaft unvollständig und berücksichtigte nichts Entlastendes für den nicht vorbestraften Angeklagten. Die Anklagevorwürfe gegen Bhakdi seien durch nichts begründet.
Bücher zur Corona-Pandemie
In seinen Bestseller-Büchern zur Corona-Pandemie, in Interviews und Reden verbreitete Bhakdi nach Auffassungen von Wissenschaftlern mehrfach Falschinformationen. Die Universitäten in Mainz und Kiel, an denen er früher arbeitete, haben sich von Bhakdis Äußerungen distanziert.
Was Bhakdi nach dem Freispruch sagt
Bhakdi selbst sagte nach dem Freispruch: "Ich empfinde große Dankbarkeit gegenüber der deutschen Justiz und dem Gericht Plön." Das gelte auch für seine Verteidiger und "die Tausenden von Menschen, die mir in den vergangenen Jahren zur Seite standen. Ein 67 Jahre alter Unterstützer meinte: "Es gibt doch noch Gerechtigkeit. Damit habe ich nicht gerechnet."
Doch noch ist der Fall nicht abgeschlossen. Die Oberstaatsanwältin kündigte Rechtsmittel an.
300 Anhänger von Bhakdi vor dem Gerichtsgebäude
Vor dem Gerichtsgebäude in der Kreisstadt hatten sich bereits am frühen Morgen mehr als 300 Anhänger Bhakdis aus ganz Deutschland versammelt. Platz gab es aber nur für knapp zwei Dutzend Journalisten und 21 Zuschauer. Die Polizei setzte rund 50 Beamte ein, auch die Justiz verstärkte ihr Personal. Wer keinen Einlass fand, stand buchstäblich im Regen. Viele harrten dennoch aus bis der freigesprochene Bhakdi sich ihnen zeigte. Mehrere Hundert Anhänger des scharfen Kritikers der Corona-Politik bejubelten den Professor erneut lautstark.
Kuriose Szene im Gerichtssaal
Im Gerichtssaal kam es vor Beginn der Verhandlung zu einer ungewöhnlichen Szene. Eine weiß gekleidete Frau kniete vor dem Angeklagten nieder. Der bekennende Buddhist Bhakdi hielt seine flachen Hände vor der Brust gegeneinander, lächelte und unterhielt sich mit der Frau.
"Gericht legitimiert hier reinen Antisemitismus"
Der Zentralrat der Juden in Deutschland hat den Freispruch für den Mediziner und Autor Sucharit Bhakdi vom Vorwurf der Volksverhetzung kritisiert. Der Präsident des Zentralrats, Josef Schuster, nannte das Urteil am Mittwoch empörend. "Das Gericht legitimiert hier reinen Antisemitismus."
"Skandalös"
Mit der Auslegung des Begriffes "Volk der Juden" als vermeintliche Kritik an der israelischen Regierung folge das Gericht dem Narrativ, das jeden Juden überall für die Aktivitäten des Staates Israel verantwortlich mache. Diese Haltung von einem deutschen Gericht als Argumentationsgrundlage zu hören, "ist nichts weniger als skandalös", beklagte Schuster. Er kritisierte auch, dass das Gericht zwar die Verharmlosung des Holocausts durch Bhakdi zweifelsfrei gesehen habe, aber Meinungsfreiheit bei einer Wahlkampfrede höhergestellt habe. "Zum wiederholten Mal sehe ich mich gezwungen darauf hinzuweisen, dass Antisemitismus keine Meinung ist", betonte Schuster.