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Umstrittene neue Corona-Gesetze: Nun auch Kritik der Volksanwaltschaft

Volksanwalt Bernhard Achitz (SPÖ) hat zahlreiche Kritikpunkte an den neuen Corona-Gesetzen
Volksanwalt Bernhard Achitz (SPÖ) hat zahlreiche Kritikpunkte an den neuen Corona-Gesetzen ©APA/HELMUT FOHRINGER
Immer mehr Kritik am neuen Corona-Gesetz: Nun beanstandet auch die Volksanwaltschaft den neuen Entwurf zum Epidemiegesetz und COVID-19-Maßnahmengesetz von Gesundheitsminister Rudolf Anschober (Grüne).
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Ablehnung erfährt vor allem der Plan, dass bereits Zusammenkünfte von zumindest vier Personen als Veranstaltung gewertet und untersagt werden können. Kritisiert wird auch das Vorhaben, Ausgangsbeschränkungen bereits bei "einer nicht mehr kontrollierbaren Verbreitung" zu ermöglichen.

Kritikpunkt: Schon Treffen von vier Personen gilt als "Veranstaltung"

Kritik am geplanten restriktiven Veranstaltungsbegriff übten sowohl die Volksanwaltschaft als auch Gewerkschaftsbund (ÖGB), Wirtschaftskammer (WKÖ), die Rechtsanwaltskammer (ÖRAK) sowie mehrere Landesregierungen. Der Entwurf beinhaltet eine Neudefinition von Zusammenkünften: Bisher war diese Regelung im Epidemiegesetz mit dem Passus "Zusammenströmen größerer Menschenmengen" etwas schwammig formuliert; die Novelle sieht vor, dass künftig von mindestens vier Personen (aus zumindest zwei Haushalten) die Rede ist, die als Veranstaltung gelten. Dies gilt im öffentlichen wie im privaten Bereich, wobei bei letzterem wieder klar gestellt wird, dass es daheim zu keinen Kontrollen kommt.

Eine bloße Zusammenkunft solcher Personengruppen sei "keine Veranstaltung und kann als solche auch nicht bezeichnet werden", heißt es dazu in der Stellungnahme der Rechtsanwaltskammer; die Bestimmung wird klar abgelehnt. Sofern der Gesetzgeber Maßnahmen gegen das Zusammenkommen von Menschen setzen will, müsse er das auch so formulieren - dies könne nicht "unter dem Begriff einer 'Veranstaltung' versteckt werden".

Hohe Geldstrafen könnten zu unkontrollierten Treffen zuhause führen

Die Volksanwaltschaft warf die Frage auf, ob ein derartiger Veranstaltungsbegriff geeignet ist, die Bereitschaft zur Befolgung gesetzlicher Regelungen zu fördern. Die Möglichkeit, relativ hohe Verwaltungsstrafen zu verhängen, könnte außerdem erst recht dazu führen, dass sich Menschen mit Familienangehörigen und guten Freunden statt im Freien in ihren Wohnungen und Häusern treffen, wo nicht kontrolliert werden kann, so die Befürchtung. Auch die Rechtsanwaltskammer hält den Strafrahmen - bei Teilnahme an einer untersagten "Veranstaltung" bis zu 1.450 Euro - für "unverhältnismäßig".

ÖGB zu Corona-Gesetzen: "Maßlos über Ziel hinausgeschossen"

Für den ÖGB wird mit dem Plan "maßlos über das Ziel hinausgeschossen". Wie auch die WKÖ äußerte die Gewerkschaft außerdem Befürchtungen, "dass auch zwingend erforderliche oder gesetzlich vorgeschriebene Sitzungen" (etwa von Arbeitnehmer- oder der Personalvertretung) der Bewilligungspflicht unterliegen - "und entsprechend auch untersagt werden können".

Auch aus den Bundesländern kam Kritik. Die vorgesehene Definition der Veranstaltung sei so umfassend, dass auch "typische private Lebensumstände (privater Wohnbereich, familiäre Kontakte)" erfasst wären, beklagte die oberösterreichische Landesregierung. Aus Wien hieß es, dass die vorgesehene Anzeigepflicht oder Bewilligungspflicht von derartigen Zusammenkünften "in keinem Fall bei der Kontaktpersonennachverfolgung hilfreich sein kann". Denn bei einer diesbezüglichen Anzeige würden "typischerweise keine Personendaten von TeilnehmerInnen vorab mitübermittelt". Aus dem Büro des burgenländischen Landesrats Leonhard Schneemann (SPÖ) hieß es auf APA-Anfrage, man habe Bedenken, ob der Plan verfassungskonform sei.

Klare Ablehnung erfährt auch das Vorhaben, Ausgangsbeschränkungen künftig leichter verhängen zu können. Bisher war dies nur möglich, um einen "Zusammenbruch der medizinischen Versorgung oder ähnlich gelagerte Notsituationen zu verhindern". Außerdem war Voraussetzung, dass Maßnahmen wie Betretungsverbote (etwa im Handel) nicht ausreichen. Künftig sollen Ausgangsbeschränkungen auch verhängt werden können, wenn eine nicht mehr kontrollierbare Verbreitung von Covid-19 droht, etwa wenn die Kontaktnachverfolgung scheitert. Auch soll die Vorgabe fallen, dass zuvor alle anderen möglichen Maßnahmen ausgeschöpft werden müssen.

Wiener Landesregierung äußert "massive verfassungsrechtliche Bedenken"

Die Volksanwaltschaft zweifelt in ihrer Stellungnahme an der Verfassungskonformität dieser Bestimmungen. Auch die Wiener Landesregierung äußerte "massive verfassungsrechtliche Bedenken". Es bleibe völlig unklar, wann eine "unkontrollierbare Verbreitung des Virus" anzunehmen ist, heißt es in der Stellungnahme.

Die WKÖ verwies darauf, dass eine solche unkontrollierbare Verbreitung angesichts der Verbreitung des Virus ja "de facto mittlerweile oft vorkommen" werde. Das Vorhaben, Ausgangsbeschränkungen auch ohne Ausschöpfen aller anderen möglichen Maßnahmen erlassen zu können, könnte möglicherweise eine "unverhältnismäßige Einschränkung der persönlichen Freizügigkeit" bedeuten, so die WKÖ. Auch seitens der Rechtsanwälte kam dazu ein klares Nein. Der ÖGB lehnte das Vorhaben insgesamt als "unverhältnismäßig" ab.

Kritisiert wurde u.a. auch die geplante Ausweitung der Testpflicht. Bisher konnten - abgesehen von Gesundheitsdienstleistern - Arbeitnehmer mit Kundenkontakt als Alternative zum wöchentlichen Corona-Test auch eine FFP2-Maske tragen. Dieser Passus fällt im Entwurf weg. Eine alternative Lösung für jene Arbeitnehmer, die keinen Nachweis (Test oder durchgemachte Infektion) vorweisen können, sei jedoch "unabdingbar", so der ÖGB.

Kritik zu Möglichkeit der verschärften Coronavirus-Testpflicht

Auch die Wiener Landesregierung sieht die Möglichkeit zur verschärften Testpflicht kritisch. Sie verwies darauf, dass die Alternative der FFP2-Maske "allein schon für den Fall fehlender Testkapazitäten bzw. körperlicher oder psychischer Test-Hindernisse" beibehalten werden sollte. Auch seitens der WKÖ wird eine Verschärfung "strikt abgelehnt", eine Alternative zum Testen "muss jedenfalls bestehen bleiben".

Auffallend zurückhaltend gestaltete sich die Stellungnahme der Vorarlberger Landesregierung. So wird darin die Begriffsdefinition der "Veranstaltung" "ausdrücklich begrüßt, um Unbestimmtheiten bei der Auslegung des Begriffes der 'größeren Menschenmenge' zu vermeiden". Auch kam aus dem Ländle keine Kritik an der Möglichkeit von leichter zu verhängenden Ausgangsbeschränkungen.

Der Begutachtungsentwurf löste unterdessen eine regelrechte Lawine an Stellungnahmen auf der Parlamentshomepage aus - Stand Dienstagnachmittag waren es bereits mehr als 25.000. Der überwiegende Teil davon stammt von Privatpersonen, viele auch anonym. Gegner der Corona-Maßnahmen hatten auch via "Social Media" und Messenger-Diensten wie WhatsApp und Telegram dazu aufgerufen. Viele Stellungnahmen bestanden aus vorgefertigten Textbausteinen. Die Begutachtungsfrist endet heute, Dienstag.

(APA/Red)

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