“Wir wollen mehr: Architektur, die blutet, dreht und meinetwegen auch bricht, tönt es aus den Lautsprechern, Wenn sie kalt ist, dann kalt wie ein Eisblock. Wenn sie heiß ist, dann heiß wie ein Flammenflügel. Architektur muss brennen. Natürlich sind die griffigen Slogans, mit denen das 1968 in Wien gegründete Büro Coop Himmelb(l)au die Architekturwelt eroberte, auch in ihrer Werkschau Beyond the Blue präsent, mit der sie im Wiener MAK auf fast vier Jahrzehnte Gestaltungsarbeit an der Zukunft zurückblicken. Doch ansonsten versteht es die Ausstellung, die heute Abend eröffnet wird, immer wieder zu überraschen.
Wolf D. Prix (nach dem 2006 aus gesundheitlichen Gründen vollzogenen Rückzug von Helmut Swiczinsky der letzte verbliebene Gründervater des heute von ihm, Wolfdieter Dreibholz, Harald Krieger und Projektpartnern geführten Büros) und sein Kurator Jeffrey Kipnis haben die beeindruckende Schau, die an die großen MAK-Architekturausstellungen zu Zaha Hadid und Peter Eisenman anschließt, dreigeteilt.
Rund um die zentrale Ausstellungshalle sind mit der jüngst eröffneten BMW Welt in München, der Europäischen Zentralbank in Frankfurt und dem Musee des Confluences in Lyon drei große Projekte aus Gegenwart und naher Zukunft in klassischen Präsentationen mit viel Textinformation, Plänen und raffiniert ausgeleuchteten riesigen Modellen dargestellt. Dabei wird der Entwurfsprozess von spielerisch und experimentell anmutenden Versuchen mit Kleinst-Baukörpern und Mini-Baumassen bis hin zur ausgearbeiteten Visualisierung des einreichfertigen Projekts anschaulich gemacht.
An der außen umlaufenden Trennwand zur Halle sind die über 600 Projekte von Coop Himmelb(l)au aus den vergangenen vier Dekaden als gigantische Fototapete der Ideen und Visionen aneinandergereiht. Sie bieten Einblick in eine Architekturauffassung, die stets nicht nur die Möglichkeiten des Bauens erproben und ausreizen wollte, sondern auch auf der Suche nach einprägsamen Formen und starken Statements war. Aspekte wie Nachhaltigkeit oder optimale Energienutzung seien bei ihren Gebäuden eine Selbstverständlichkeit, betonte Prix bei der heutigen Presseführung, uns geht es um Gestaltung, die Identifikation bietet.
Bewusst werden keine Unterscheidungen zwischen nur geplanten und tatsächlich realisierten Projekten gemacht, und dieses Verhältnis sei ihm auch ganz egal, versicherte Prix: Architekten haben sich prinzipiell mit der Zukunft zu beschäftigen. Wie Gegenwartskunst dürfe sich auch widerspenstige Gegenwartsarchitektur nicht zähmen lassen, sondern muss durch zähe Anstrengung realisieren, was gemeinhin als nicht realisierbar gilt, sagte MAK-Direktor Peter Noever heute vor der Presse.
Der Zentralraum wurde als multimediale Installation eingerichtet, mit einem riesigen, von unten beleuchtbaren, einem schräg entzwei geschnittenen Schachbrett nachempfundenen Tisch, auf dem rund 300 Modelle verschiedener Größe von rund 80 unterschiedlichen Projekten aufgebaut wurden. Was schon bei normaler Beleuchtung eine eindrucksvolle Vielzahl an Formen und Experimenten bietet, bei denen man beim Rundgang alt Bekanntes, längst Vergessenes oder nie Wahrgenommenes findet und darüber staunt, an welchen Wettbewerben und welchen Bauaufgaben auf der ganzen Welt Coop Himmelb(l)au über die Jahre teilgenommen haben, wird endgültig zum Raumerlebnis, wenn die Light- und Sound-Show angeworfen wird. Mit an die Rückwand geworfenen Projektionen, vom Tonband kommenden Statements und gleichzeitiger lichtmäßiger Hervorhebung einzelner Projekte, wird dem Ausstellungsbesucher, der auf einer Zuschauertribüne Platz nehmen kann, ein ganzheitliches Erlebnis geboten.
Auch wenn sich die vielen eingebauten Querverweise nur nach intensivem Studium der aufgelegten Landkarte und mit scharfem Blick finden lassen, so macht diese Architektur-Show, die angenehmer Weise fast gänzlich auf die üblichen 3-D-Animationen und Computer-Entwurfsgrafiken zeitgenössischer Baukünstler verzichtet, Spaß und bietet genug Möglichkeit für eigene Entdeckungen. Und man versteht gut, was Wolf D. Prix im APA-Interview gesagt hatte: Es ist spannend, Architekt zu sein und jetzt endlich das bauen zu können, was wir immer bauen wollten.
(Ausstellung Coop Himmelb(l)au. Beyond the Blue, MAK-Ausstellungshalle, 1., Weiskirchnerstr. 3, Eröffnung heute, 20 Uhr, Geöffnet: 12.12. bis 11.5.2008, Mi-So 10-18 Uhr, Di 10-24 Uhr. Der im Prestel Verlag erschienene Katalog kostet 39,90 Euro. http://www.mak.at)