Christoph räumt die Silvretta Hochalpenstraße - im selben Gerät, wie schon sein Großvater

Es ist neblig, es hat nur zwei Grad in Partenen und es tröpfelt leicht. Während bei den Montafonern die Frühlingsgefühle der letzten Tage verfliegen dürften und dunkle Erinnerungen an den Winter zurückkommen, sagen vier Menschen dem Winter den Kampf an. Anna (22), Christoph (26), Siggi (56) und Thomas (58) sind das Team, das dafür sorgt, dass Anfang Juni die Silvretta Hochalpenstraße wieder von Partenen nach Galtür befahrbar ist. Dafür investieren sie viele Stunde Fräs- und Sondierarbeit im hochalpinen Gebiet.

Schon die Auffahrt in die Silvretta im Winter ist ein Abenteuer. In Partenen trifft VOL.AT den Betriebsleiter der illwerke vkw vor Ort, Ingo Klehenz. Mit ihm geht es dann zunächst via Vermuntbahn hinauf, bevor wir an der Vermuntbahnbergstation ins Auto umsteigen und durch kilometerlange Tunnel, durch die das Auto gerade so hindurch passt, bis hinauf zur Bielerhöhe fahren.

Risiken und Sicherheitsmaßnahmen bei der Arbeit
Hier oben liegt weniger Schnee, als alle erwartet haben. "Der Föhn der letzten Tage hat den Schnee in einer Geschwindigkeit schmelzen lassen, die wir so nicht erahnt haben", meint Klehenz. Um die Schneefräsen und ihre Fahrer zu treffen, geht es auf der Straße hinab in Richtung Galtür. "Heute werden wir den Durchbruch nach Galtür schaffen. Damit sind wir super in der Zeit", freut sich der Betriebsleiter, der die Verantwortung für den Einsatz trägt. Bei der Fahrt zwischen den teils zwei Meter hohen Schneewänden hindurch, wird schnell deutlich, wie viel Arbeit hinter dem Freilegen der Straße steckt.


Das Vierer-Team ist in der Zwischenzeit beinah bei der Ballunlawine in Galtür angekommen. "Das ist eine der ganz typischen Lawinen, die jedes Jahr mit Sicherheit herunterkommt und die Straße verschüttet. Auf der gegenüberliegenden Seite warten wir ebenfalls noch auf einen Abgang, der mit Sicherheit kommt. Da räumen wir dann halt noch einmal nach", erklärt Klehenz. Die möglichen Lawinenabgänge birgen ein gewisses Risiko für die Mitarbeitenden. "Wir arbeiten ganz klar in hochalpinem Gelände und sind daher auch alpinen Gefahren ausgesetzt. Jeder unserer Mitarbeiter ist daher vorsorglich mit einem LVS-Gerät ausgestattet."

Bislang ist es allerdings glücklicherweise noch nie zu einem Unglück bei den Fräsarbeiten gekommen. Um das Risiko dennoch zu minimieren, berät Ingo Klehenz jeden Morgen mit den Lawinenkomissionen Tirol und Vorarlberg und lässt sich ein mögliches Zeitfenster für die Arbeiten geben. Um 6 Uhr in der Früh starten die Vier in der Regel in ihren Dienst. Danach wird es aufgrund der tageszeitlichen Erwärmung zu gefährlich. Außerdem werden zu Beginn der Räumarbeiten Lawinensprengungen durchgeführt, um potenzielle Lawinen bereits im Vorfeld zu entschärfen. In diesem Jahr war der Erfolg dessen aber eher mäßig, wie der Betriebsleiter gegenüber VOL.AT erzählt.

Richtung Galtür liegt am Freitagmorgen nicht mehr viel Schnee auf der Straße. Die Schneefräsen graben sich daher zügig den Weg bis zum Asphalt. Drei Maschinen arbeiten dabei auf Hochtouren. Anna, die sonst für die Sondierung der Straße zuständig ist, damit die Fräsen nicht versehentlich neben dem Asphalt landen hat in dem Moment lediglich die Aufgabe, die umliegenden Hänge hinsichtlich möglicher Lawinen zu beobachten. Das Sondieren kann sie an dieser Stelle mangels Schnee auslassen. Die 22-Jährige ist erstmalig bei der Frühjahrsräumung dabei. "Es macht mir super viel Spaß. Der Job ist abwechslungsreich und hält jeden Tag etwas Neues parat", freut sich die Schlosserin.

Die Herausforderungen der Schneeräumung
Christoph erlebt in diesem Jahr ebenfalls ein Debüt. Zwar war er bereits bei einer Frühjahrsräumung dabei, heuer fährt der 26-Jährige aber erstmalig die 40 Jahre alte Fräse "FV3". Die Maschine hat zwar bereits einige Jahre auf dem Buckel, verrichtet aber in anspruchsvollen Situationen immer noch die Hauptarbeit der Räumung. "Es macht mir Spaß, auch wenn der Job durchaus anspruchsvoll ist", so der Montafoner. Beim Fahren lehnt er sich immer wieder weit aus dem Fenster.

"Ich orientiere mich dann an dem weißen Strich auf dem Asphalt und weiß so, ob ich an der richtigen Stelle fräse." Die Begeisterung für das große Gerät sieht man ihm an. Und offenbar liegt sie in der Familie. Schon sein Großvater ist über viele Jahre hinweg auf der Schneefräse gefahren und hat Jahr für Jahr die Straße wieder sommertauglich gemacht. Auch, wenn er in der Zwischenzeit im Altersheim lebt, wenn Christoph ihm Bilder von der Schneeräumung zeigt, strahlen seine Augen und er ist voller Stolz für den Enkel.

Meter für Meter kämpfen sich die Arbeiter mit ihrem Gerät durch den Schnee und schließlich durch den ersten Ausläufer der Ballunlawine. Dort wird schnell klar: Der kompakte Lawinenschnee fordert die Fräsen mehr als der Schnee auf den vorigen Metern. Immer wieder muss Siggi mit seinem Gefährt vor und wieder zurück fahren, weil sich die Fräse von alleine abstellt. "Da sind dann Eisbrocken oder auch Holz und Gestein, die das weiterlaufen der Fräse verhindern", erklärt er hinterher im Gespräch.

Als die Geräte beim Hauptkegel der Lawine sind, ist Schluss für heute. "Hier können wir unmöglich mit den Fräsen hineinfahren. Da machen wir sie nur kaputt." Wer nicht gesagt bekommt, dass es sich bei dem braunen Dreck um eine Lawine handelt, geht wohl im ersten Moment davon aus, dass die Straße an der Stelle ins Nichts verläuft. Steine, Geäst und viel Schlamm sind mit meterhohen Schneemassen auf dem Asphalt aufgeschoben. "Da holen wir am Montag einen Radlader hinzu, der einen groben Weg freischaufelt. Die Schneefräsen können dann die Lawine passieren und in Richtung Galtür die letzten Pistenstreifen freilegen. Der Radlader kümmert sich dann um das Lawinenfeld", erklärt Klehenz das weitere Vorgehen.


Von Lawinen und Felssicherungsarbeiten: Die nächsten Schritte
Auch wenn heuer die meiste Räumarbeit geschafft ist, fertig für den Verkehr ist die Straße noch lange nicht. In den kommenden Wochen folgen zunächst Felssicherungsarbeiten. Wie Klehenz verdeutlicht wird deren Umfang immer größer. "Wir merken, dass der Fels bereits an vielen Stellen brüchig wird. Wir fliegen das Gebiet jedes Jahr ab - es ist schon erschreckend zu sehen, wie sehr die Abbrüche voranschreiten." Sind alle Felsen gesichert, folgt dann außerdem das Sichern der Straße und etwaige Ausbesserungen am Straßenbelag.

Für heute ist nun aber erst einmal Schluss. Zum Abschluss des Arbeitstages gehen alle zusammen Mittag essen, bevor sie dann ins wohlverdiente Wochenende starten. Und am Montag geht dann der Räum-Endspurt los und Anna, Christoph, Siggi und Thomas stehen um 6 Uhr wieder parat.
(VOL.AT)