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Christmas in Vienna als vokaler Gegenpart des Neujahrskonzerts

Piotr Beczala sieht "Christmas in Vienna" als vokalen Gegenpart des Neujahrskonzerts.
Piotr Beczala sieht "Christmas in Vienna" als vokalen Gegenpart des Neujahrskonzerts. ©APA
Die Weihnachtsgala "Christmas in Vienna" wird seit mittlerweile 20 Jahren im Wiener Konzerthaus ausgerichtet. Heuer wird neben Julia Novikova, Sophie Koch und Bo Skovhus auch der polnische Startenor Piotr Beczala auf der Bühne stehen. Im Interview bezeichnete er die Veranstaltung als vokalen Gegenpart zum Neujahrskonzert.
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Christmas in Vienna 2012

“Christmas in Vienna” steht am Donnerstag und Freitag vor der Tür. Muss man als Sänger Ihres Formats auf eine große Breitenwirkung setzen?

Das ist ein Event vom Typus eines Silvesterkonzerts. Wenn ich die Chance habe, ein polnisches Weihnachtslied zu singen, nehme ich das Ganze sehr gerne in Kauf. Mein Problem wäre nur, wenn das nicht auf höchstem musikalischem Niveau stattfindet. Wenn man aber neue Sachen präsentieren darf, bin ich glücklich.

Haben Sie selbst Stücke einbringen können?

Alle Sänger singen ein Weihnachtslied aus dem eigenen Land, und ich habe meines, “Gott ist geboren”, selbst ausgesucht. Es ist auch gar nicht so einfach, zwischen den ganzen wertvollen Stücken zu wechseln. Ich habe schon gescherzt: Es ist ein vokaler Gegenpart zum Neujahrskonzert.

In Salzburg sind hingegen die Wogen hochgegangen, nachdem Franz Welser-Möst das Dirigat der “Cosi fan tutte” niedergelegt hat, da die Abstände zwischen den Aufführungen für Sänger eine zu hohe Belastung darstellten. Ist es aus Ihrer Sicht unzumutbar, in zehn Tagen fünf Mal die “Cosi” zu singen?

Für Salzburg schon. Salzburg ist das beste Festival der Welt – da muss die Leistung stimmen. Und diese Leistung muss ermöglicht werden und kann nicht zufällig passieren. Herr Welser-Möst hat sich den Schritt sicher gut überlegt. Es ist ja auch seine Verantwortung, für die Sänger zu sprechen. Die haben einen Vertrag unterschrieben und wissen zu diesem Zeitpunkt noch nichts von der Disposition. Und kaum ein Sänger mit einem Vertrag in Salzburg würde da einen Rückzug wagen – Salzburg ist für uns der Höhepunkt der Saison.

Ist dieser enge Zeitplan Teil der Eventisierung, die man Intendant Alexander Pereira vorwirft?

Eventisierung ist ein falsches Wort, weil er das Künstlerische nicht vernachlässigt. Ich glaube, dass er das Programm engest möglich gestalten möchte, um es ans Publikum zu bringen. Wie eng dies möglich ist, das ist die Frage. Es könnte hier schon einen Schritt zu weit gehen, und dann wird leider die künstlerische Leistung zu flach bleiben. Aber die Leitung der Salzburger Festspiele ist einfach ein Seiltanz.

Kann man sich als junger Sänger im heutigen Klassikbetrieb überhaupt leisten, ein Engagement abzusagen?

Man kann – wenn man eine genaue Vorstellung davon hat, was man im Leben erreichen möchte. Aber nicht zu oft, sonst gilt man schnell als unzuverlässig. Man muss schon robust sein, an der Spitze noch mehr. Man übernimmt dann künstlerische Verantwortung für die Mannschaft. Wenn ich für eine moderne Inszenierung zusage, von der ich nicht weiß, wohin das Ganze führt, dann bin ich selbst schuld.

Sie haben klare Parameter, die für Sie beim Regietheater nicht gehen?

Da habe ich ganz klare Vorstellungen. Unbegründete Obszönität auf der Bühne finde ich abstoßend. Wenn der Regisseur die Oper missbraucht, um seine eigene Geschichte zu erzählen, ist er im falschen Metier. Dann muss er zum Film gehen. In der Oper ist das Interpretatorische das Wichtigste, nicht das Erfinden. Natürlich ist der Freiraum beim Interpretieren riesig – dazu muss man allerdings Intelligenz und Demut haben, was vielen Regisseuren fehlt.

Besteht dann aber nicht – gerade bei historischen Stoffen – die Gefahr, dass Oper zur musealen Veranstaltung wird?

Oper hat auch einen edukativen Aspekt. Wenn die Kinder Geschichte schon nicht in der Schule lernen, sollte das wenigstens indirekt durch die Oper erfolgen. Aber wenn man da nur Blut und kopulierende Menschen sieht, geht mir das zu weit. Das ist nur eine Egofrage. Diese Regisseure versuchen, die Aufmerksamkeit auf sich zu ziehen, weg vom Dirigenten und den Sängern. Aber ich lasse mich nicht ignorieren. Ich schwitze vier Stunden auf der Bühne, nicht der Regisseur. Wir bleiben dann mit dem Mist auf der Bühne sitzen, während sich der Regisseur nach getaner Arbeit schon wieder den nächsten Job sichert. Mir geht es da ums Prinzip, denn ich selbst könnte es mir schon so einrichten, dass ich von einer Zeffirelli-Inszenierung zur nächsten ziehe. Die heurige Salzburger “Boheme” hat aber auch gezeigt, dass ich nicht so konservativ bin, wie ich manchmal scheine. Aber nehmen sie etwa den “Lohengrin” zur heurigen Scala-Eröffnung: Beide Elsa-Sängerinnen sind krank geworden, weil Regisseur Claus Guth sie zehn Minuten im Wasser hat herumtapsen lassen. Ich hätte Guth als Sänger auf meine Gage verklagt. Der Regisseur darf nicht als lieber Gott kommen und sagen, wie es zu machen ist.

Wie ist es zu dieser Entwicklung gekommen?

Das kommt vom übergroßen Ego und aus Langeweile. Die Regisseure glauben, dass sie die einzigen schaffenden Künstler in einer Oper sind und die Leute schockieren müssen, um Schlagzeilen zu machen. Dabei müsste der Regisseur seinen Platz haben: kleingeschrieben hinter dem Sänger und dem Dirigenten. Ich will keine Vergewaltigung der Kunst. Das sollte strafbar sein.

Christmas in Vienna 2012” mit Julia Novikova, Sophie Koch, Piotr Beczala und Bo Skovhus sowie der Wiener Singakademie, den St. Florianer Sängerknaben und dem RSO unter Sascha Goetzel findet am am 21. Dezember um 19.30 Uhr im Wiener konzerthaus statt (Vorpremiere am 20. Dezember). Karten kosten zwischen 45 und 460 Euro. (APA)

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