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Chilly Gonzales begeisterte in Wien mit RSO

Chilly Gonzales wusste mit dem RSO voll und ganz zu begeistern.
Chilly Gonzales wusste mit dem RSO voll und ganz zu begeistern. ©APA
Klaviervirtuose, Rapper und Superproduzent Gonzales trat mit dem Radio Symphonie Orchester Wien (RSO) triumphierend im Wiener Radiokulturhaus auf und schwitzte Blut und Wasser.
Chilly Gonzales live

“My name is Chilly Gonzales and I’m a motherfuckin’ Megalomaniac.” Wem diese Tatsache bisher nicht bewusst war, dem wurde sie Freitagabend beim Konzert des Klaviervirtuosen, Rapper und Superproduzenten Gonzales mit dem Radio Symphonie Orchester Wien (RSO) im Radiokulturhaus so richtig vor Augen geführt – mit Donauwalzer auf Bongos, Crowd Surfing durch den bestuhlten Saal, Blut auf den Klaviertasten und Breakdancing mit Dirigent Cornelius Meister. FM4 hatte im Rahmen seiner “Radio Sessions”-Reihe zu einer Weltpremiere geladen: Zum ersten Mal führte der 39-jährige Alleskönner sein neues Album, das als “Orchestral Rap” konzipierte “The Unspeakable Chilly Gonzales“, mit großem Orchester auf – und triumphierte voll und ganz.

Zu Beginn schien es ein Ding der Unmöglichkeit zu sein: Chilly Gonzales, das selbst ernannte “musical genius”, ein lauter Kerl in Satin-Morgenmantel und grünen Hauspatschen, mit humoristischen Texten und theatralischen Gesten und Posen nicht geizend, spielt sein mit einem neunköpfigen Kammerorchester aufgenommenes Album mit einem renommierten Symphonieorchester – geht das? Fast magisch, ja hypnotisierend, war es, zu der Erkenntnis zu kommen: ja, und wie das geht.

Gonzales interagierte mit Orchester und Publikum

Der sich im Laufe des Abends lieber als Entertainer denn als Künstler bezeichnende Gonzales interagierte mit den 52 Orchestermusikern ebenso intensiv wie mit seinem Publikum, zauberte in die anfangs skeptischen, seriösen Gesichter auf der Bühne mehr und mehr fasziniertes Strahlen. Dirigent Cornelius Meister wurde vom Franko-Kanadier zum “Master Cornelius” – was nicht umsonst das Rapper-Akronym “MC” ergibt, wie er bemerkte – auserkoren, sein “verrückter Blick” am Anfang jedes Lieds als jener “eines Tigers, der gleich eine Antilope tötet” gelobt.

Die Musiker, nicht wissend wie ihnen geschieht, wurden mal zu einer Laola-Welle auf der Bühne, mal zu einer spontanen Jam Session samt Violinen-Version der “Knight Rider”-Melodie animiert. Dem Motivations-Mantra “Let’s get some pussy-eating energy into these motherfuckers” folgte der Ausspruch, die vom Orchester provozierten höchsten Töne der jeweiligen Instrumente klingen so furchteinflößend, “als ob man gerade in Fritzls Keller geht”. Zwanzig weitere Fritzl-Witze hätte er für den Notfall vorbereitet, witzelte Gonzales – der trat in seinen Augen dann auch fast ein, als das Publikum nach dem “Donauwalzer” seine auf Bongos interpretierte Version von Falcos “Rock me Amadeus” nicht erkannte.

Gonzales schwitzte Blut und Wasser

Humoristische Einlagen und musikalische Ausflüge wie diese, gepaart mit Songs aus früheren Alben, sorgten dafür, dass der Konzertabend sich trotz des gerade mal 27 Minuten dauernden Orchestral-Rap-Albums über beinahe zwei Stunden erstreckte. Während dieser Zeit schwitzte Gonzales wortwörtlich Blut und Wasser – ersteres landete auf den Klaviertasten (“Das sieht toll aus, ich sehe schon das nächste Albumcover vor mir”), zweiteres vor allem auf der Violinistin, die ungünstig hinter Gonzales platziert war.

“Who wants to hear this / Who would confuse this with music” singt Gonzales in einem Lied selbstironisch, “I said I was a musical genius / Then I repeated it until it was meaningless” in einem anderen, ehe er eine “Party in my mind” feiert. Das Wort “pussy” ist in jedem Song mindestens einmal zu hören, umspannt von geschickten Wortspielereien, popkulturellen Referenzen (“Maybe you prefer The XX or The Gossip”), großen Träumen (“Take me to broadway”) und aberwitzigen Abhandlungen über die Musikindustrie.

Gonzales erfand sich neu

Erst am Vormittag waren Chilly Gonzales und das RSO aufeinander getroffen – wie eine seit Jahren eingespielte Einheit wirkten sie am Ende. Mit seinem Talent, Leute in seinen Bann zu ziehen und seinem Willen, immer wieder zu experimentieren und sich und zahlreiche Genres neu zuerfinden, hat Gonzales an diesem Abend erneut bewiesen, sich auf alles und jeden einlassen zu können. “Entertainer machen Liebe mit ihrem Publikum, während Künstler musikalisch masturbieren, um sich selbst glücklich zu machen”, philosophierte er auf der Bühne. Und tatsächlich: Es war ein Liebesspiel, das keiner der Beteiligten so bald vergessen wird.

Die Aufzeichnung der FM4 Radio Session mit Chilly Gonzales ist am 11. August in der FM4 Homebase Parade ab 19 Uhr zu hören. Zudem geht zur gleichen Zeit das Video auf fm4.ORF.at online und wird dann sieben Tage zur Verfügung stehen. (APA)

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