Charmante Diskretion

Es ist ganz früh am Morgen. Sonnenstrahlen auf den Balken über dem Hof und die Rufe zweier Spatzen begleiten die ersten Schritte durch das Haus. Es ist Licht, es ist Schnee, es ist feiner Regen auf den Lärchenholzbrettern des offenen Atriums, der die Bewohner begrüßt.
Der Weg aus dem Zimmer führt nicht ins Dunkel, sondern in eine offene Mitte. Von drei Seiten wird der Hof, raumhoch verglast, von einem Umgang und dem geräumigen Wohnzimmer umschlossen. Auf der vierten Seite lässt sich eine Bretterwand verschieben, die nach Bedarf eine zimmergroße und überdeckte Terrasse freigibt. Dort ist man öffentlich, schaut auf die Berge und grüßt die Nachbarn. Die Verbindung eines Außenraums mit dem historischen Gebäudetyp des Atriumhauses schafft eine sehr passende Form für das Wohnen in den heterogen genutzten Flächen des Rheintals. Sie war für das Architektenteam auf dem knappen Grundstück zwischen Einfamilienhäusern und der riesigen Halle eines Gewerbebetriebs eine klare Entscheidung.
Die Bauherren, seit mehr als 25 Jahren zufriedene Bewohner eines Hauses von Carlo Baumschlager – damals noch in Kooperation mit seinem Büropartner Dietmar Eberle – hatten Vertrauen. Ein Sportunfall hatte ihr Leben verändert und statt eines Umbaus und einer ohnedies notwendigen Gebäudedämmung beschlossen sie, mit einem eingeschossigen und barrierefreien Neubau zu reagieren. Bereits der erste Entwurf überzeugte und nach wenigen Besprechungen gab es grünes Licht für Einreichung und Ausführungsplanung.
Auf eine Bodenplatte aus Beton wurde eine Holzkonstruktion positioniert. Dazu wurde eine erfahrene Zimmerei beauftragt, die als Generalunternehmer alle weiteren Gewerke bündelte und unter Aufsicht der Architekten, gestalterisch und finanziell, eine präzise Punktlandung schaffte. In der Reduktion des Energiebedarfs findet der Entwurf durch seinen großen Oberflächenanteil natürlich seine Grenzen, reduziert aber andererseits den Verbrauch an Bauland.
Eine geräumige Garage und Lagerräume statt einem Keller und eine Vielfalt an Nutzungsmöglichkeiten bilden den funktionellen Rahmen vom Wohnen, Arbeiten und Schlafen bis zu einem, auch extern zugänglichen Zimmer mit Bad. Ein geölter Eichenparkett führt durch alle Räume. Weiße Wandflächen und wenige Möbel sind reduzierte Ausstattung für das alltägliche Leben, das darin durch bloße Raumordnung und Proportionierung einfach und gut funktioniert.
Zum Hof wirkt der Raum offen. Mattschwarze Stahlsäulen und die in einem gedeckten Grünblau gehaltenen Rahmen gleichen sich der Eigenfarbe der raumhohen Glasflächen an. Nach außen gibt sich das Atriumhaus diskret. Nur das Zimmer mit Außenzugang erlaubt einen direkten Aus- und Einblick von und nach draußen. Die übrigen Räume werden durch flache Oberlichtbänder oder schlanke, zurückgesetzte Nischen indirekt belichtet. Trotzdem wirkt das Haus nicht verschlossen und darin liegt eine weitere Raffinesse des Hauses. In seiner Form entspricht das Gebäude der klassischen Moderne mit klarer Geometrie und präzis geführten Einschnitten. Doch es bleibt nicht glatt und vermeidet jede ästhetische Kälte durch seine formale Lebendigkeit und die Wahl einer weiß gemalten, offenen Holzschalung an seiner Außenseite. Darin liegt eine frische und fast humorvolle Verschränkung der Lässigkeit des Bauens, wie es die Vorarlberger Baukünstler in den 70erund 80er-Jahren praktizierten und jener Internationalität, die Carlo Baumschlager über Jahre mit Großprojekten von Belgien bis China bewiesen hat. Zuviel gelobt? Sagen wir, kein Patentrezept, aber Respekt vor einer überaus stimmigen Verbindung von Bauherrschaft, Ort und Architektur.
Daten & Fakten
Einfamilienhaus König,
Alberau 6, 6844 Altach
Bauherr: Kuno und Ingrid König
Architekten: Baumschlager Hutter ZT GmbH
Architekt Carlo Baumschlager,
Rathausplatz 4, 6850 Dornbirn
Projektleitung: Oliver Baldauf
Statik: Mader & Flatz Ziviltechniker GmbH, Dornbirn
Elektroplanung: Elektro Willi, Andelsbuch
Fassade: Fetz Holzbau GmbH, Egg
Planungsdaten: Direktauftrag: Planungsbeginn Juni 2010; Baubeginn 2011; Fertigstellung Juni 2011
Ojektdaten:
- Grundstücksfläche 590 m²,
- Bruttogeschossfläche 187 m²,
- Umbauter Raum 607 m³
- Wohnnutzfläche: 145 m²,
- Erdgeschoss: 145 m²
Projektdaten
Konstruktionsweise: Vorgefertigte Holzelementbauweise mit 24 cm Wärmedämmung in Wandelementen auf Stahlbeton – Bodenplatte
(Leben & Wohnen/ Robert Fabach)
Für den Inhalt verantwortlich:
vai Vorarlberger Architektur Institut
Die Plattform für Architektur, Raum und Formgestaltung
in Vorarlberg. Neben Ausstellungen und Veranstaltungen
bietet das vai monatlich öff entliche Führungen zu privaten,
kommunalen und gewerblichen Bauten.
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