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"Chapeau!": Das Wien Museum nimmt den Hut - und zeigt ihn

Museum zeigt Ausstellung zur Sozialgeschichte des bedeckten Kopfes
Museum zeigt Ausstellung zur Sozialgeschichte des bedeckten Kopfes
Das Wien Museum geht gut behütet in den Sommer. Im Rahmen der Ausstellung "Chapeau! Eine Sozialgeschichte des bedeckten Kopfes" werden Aufsetz-Objekte in allen erdenklichen Varianten präsentiert. Das Ergebnis ist keineswegs nur modisch relevant. Tatsächlich war das Tragen einer Kopfbedeckung oft auch ein politisches Statement. Die Produktion derselben fungierte auch als wichtiger Wirtschaftszweig.


Die Methoden, den Kopf zu schmücken, können verschiedenartiger nicht sein, wie Museumsdirektor Matti Bunzl am Mittwoch im Rahmen einer Pressekonferenz betonte. Dem entsprechend sind nicht nur Hutkreationen, sondern auch Tücher, Kappen oder Hauben in der bis 30. Oktober laufenden Schau zu finden. Sie geben meist Auskunft über persönliche Vorlieben ihrer (einstigen) Besitzer, aber auch über deren Glauben oder gesellschaftliche Position.

Das Wien Museum hat nicht nur seine eigene Modesammlung – laut eigenen Angaben die größte des Landes – für die Ausstellung gesichtet, sondern auch von zahlreichen Leihgebern Exemplare erhalten. Dokumentiert wird mit diesen etwa, dass Religionen gerne auf Hut setzen: Zu sehen sind etwa Kippot in verschiedenen Ausführungen. Auch eine Mitra von Papst Benedikt XVI oder exotischere Objekte wie das Kopftuch einer Rastafari finden sich in der temporären Sammlung.

Dass die – religiös motivierte – Kopfbedeckung zuletzt wieder “hochpolitisch” wurde, zeigt sich laut Bunzl anhand der Debatten um das Kopftuch muslimischer Frauen. Exemplarisch ausgeführt wird dies am Exponat “Mein erstes Kopftuch” aus dem Jahr 1995. Den Platz im Museum fand es nicht durch sein Design. Vielmehr wird anhand des Alltagsgegenstandes die Geschichte einer Wienerin erzählt, die als zehnjährigen Mädchens beschloss, gegen den Willen der Eltern ihre Haare zu bedecken. Ihr Motiv, dies zu tun, legt die Besitzerin im umfangreichen Ausstellungs-Katalog dar.

Die Kuratorinnen Michaela Feuerstein-Prasser und Barbara Staudinger geben mittels Kopfbedeckungen weiters Zeugnis vom monströsen Terror der Nazizeit. Die Schirmkappe eines SS-Offiziers teilt sich dabei eine Vitrine mit der Mütze eines Mauthausener KZ-Häftlings. Wer erstere trug, konnte über Leben und Tod entscheiden, wer letztere aufhatte, musste sterben – falls er sie verlor. Er wurde in diesem Fall sofort erschossen.

Die – oft auch studentisch geprägte – Protestkultur machte mit Mao-Kappen oder Schirmmützen mit aufgedruckten Parolen (“Rassismus – Nein danke”) auf sich aufmerksam. Dies taten auch jene Frauen, die sich männliche Kopfbedeckungen aneigneten, um damit Rollenklischees und Machtansprüche infrage zu stellen. Die Literatin Elfriede Gerstl tat dies Zeit ihres Lebens, was nicht immer friktionsfrei verlief, wie anhand eines Zitats zu erfahren ist: “Ich muss gut drauf sein, wenn ich mit Männerhut nach Floridsdorf fahre.” Einer ihrer Hüte ist ebenfalls ausgestellt.

Inzwischen haben sich die Zeiten auch in Sachen Aufsetz-Kultur geändert. Hüte kamen in den 1950er-Jahren aus der Mode. Zylinder, Melone oder Girardi sind bestenfalls noch am Opernball oder auf Fiakerkutschern zu finden. Der Trend zur hutlosen Gesellschaft betraf eine ganze Branche. Denn Wien war, so ist zu erfahren, seit Mitte des 19. Jahrhunderts Hutstadt mit bedeutenden Erzeugern. Viele mussten ihre Manufakturen schließen. Doch als Mode-Accessoire ist der Kopfschmuck inzwischen wieder gefragt. Zeitgenössische Vertreter der Wiener Szene werden in der rund 140 Objekte umfassenden Schau ebenfalls präsentiert.

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