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CDU schließt Steuergeld zur Lösung der Dieselkrise nicht aus

©AP
Bald sollen Millionen Dieselbesitzer Klarheit bekommen. Die deutsche Regierung und die Autoindustrie ringen um neue Maßnahmen, damit Fahrverbote wegen zu schmutziger Luft in Städten verhindert werden können.


Einer der Streitpunkte dürfte bei den Verhandlungen kaum verwundern – Es geht auf beiden Seiten ums Geld.

Steuergeld soll Fahrverbote verhindern

Zur Lösung der Dieselkrise und Vermeidung von Fahrverboten, etwa für Pendler, will die CDU den Einsatz von Steuergeld nicht ausschließen. Es sei zu früh, um dies mit absoluter Gewissheit festzulegen, sagte CDU-Generalsekretärin Annegret Kramp-Karrenbauer am Montag, nach einer Sitzung des Präsidiums ihrer Partei in Berlin. Nach ihrer Ansicht komme es auf die konkrete Ausgestaltung der Maßnahmen an. “Wie viele Fahrzeuge mit welchen finanziellen Belastungen in welche Kategorien hineinfallen”, ist ihrer Meinung nach die maßgebliche Frage. Kanzlerin Angela Merkel kündigte für den kommenden Montag eine Entscheidung der Bundesregierung an, welchen Kurs man zukünftig in der Dieselkrise fahre.

Kabinett und Autoindustrie arbeiten derzeit an einem neuen Paket für bessere Luft in den Städten, in denen Schadstoffgrenzwerte überschritten werden. Dieselabgase gelten dabei als Hauptverursacher. Weitere Fahrverbote für Dieselautos sollen jedoch vermieden werden. Bei den Maßnahmen gehe es etwa um höhere Prämien der Hersteller, wenn Kunden sich für den Kauf eines neuen Diesels entscheiden. Umstritten bleiben mögliche technische Diesel-Nachrüstungen für Pkw sowie die bedeutsame Frage, wer diese letztlich bezahlen soll.

Steht der Diesel vor dem Aus?

Merkel betonte, bei dem Koalitionsausschuss von CDU, CSU und SPD am 1. Oktober gehe es auch um die Frage, wie es “angesichts von Fahrverboten mit den Dieselautos” weitergehe. Sie verwies auf ein Spitzentreffen mit den Chefs der deutschen Hersteller am Sonntagabend: “Wir haben über das Thema der Nachrüstungen gesprochen und wir werden am nächsten Montag die Entscheidung finalisieren.”

Verkehrsminister Andreas Scheuer (CSU) hat hierbei rechtliche, technische und finanzielle Bedenken gegen Umbauten am Motor. Umweltministerin Svenja Schulze (SPD) hingegen fordert solche Nachrüstungen seit langem und das auf Kosten der Hersteller. Die Autobauer lehnen Hardware-Nachrüstungen allerdings als zu aufwendig ab und warnen vor technischen Nachteilen.

Scheuer hatte nach dem Treffen am Sonntag gesagt, dass die oberste Priorität der Flottenerneuerung zukommt. Es sollen also Anreize geschaffen werden, damit mehr Besitzer ihre alten Diesel abgeben und sich ein Auto mit weniger Schadstoffausstoß zulegen. Für Lieferdienste und Handwerker solle es ein Förderangebot geben, das Umbauten an Motoren unterstütze. Die SPD beharrt auf Hardware-Nachrüstungen, die auch für Pkw gelten sollen. Aus ihrer Sicht reichen die geplante Software-Updates nicht aus.

Hardware-Nachrüstungen nicht ausgeschlossen

Verkehrsminister Scheuer steht indes unter Zugzwang und muss schleunigst ein Konzept vorlegen. Er versicherte, es gebe weitere Gespräche in der Regierung und mit den deutschen Herstellern. Bis zum Wochenende sei dann “eine Konkretisierung der Maßnahmen und Pläne über die Gesamtthematik” vorgesehen.

Kramp-Karrenbauer bekundete, nach dem Spitzentreffen sei es ein positives Signal, dass man sich auf einen Maßnahmenkatalog verständigt habe, der Hardware-Nachrüstungen “ausdrücklich und grundsätzlich” nicht mehr ausschließe. Hierbei werden nicht nur Diskrepanzen zwischen Politik und Autoindustrie, sondern auch zum Verkehrsministerium deutlich. Die CDU wolle eine solche Nachrüstung dort, wo sie schnell wirke und der Ertrag in einem vernünftigen Verhältnis stehe. Sie hoffe darauf, dass am Montagabend mit den Spitzen der Koalition ein Paket vorgestellt werden kann, das den Menschen bezüglich der Fahrverbote eine entsprechende Sicherheit geben wird.

Zuerst müsse jedoch ein Konzept auf dem Tisch liegen. “Dann kann man sich über die Frage unterhalten: Wer muss auch mit Blick auf seine eigene Verantwortung welche Lasten tragen?”, sagte Kramp-Karrenbauer. In einem Gesamtpaket müsse deutlich gemacht werden, welche Möglichkeiten es gebe, damit etwa die Pendler in Frankfurt am Main nicht von maximalen Fahrverboten betroffen wären.

Der FDP-Verkehrspolitiker Oliver Luksic äußerte sich kritisch zur Debatte. “Die betroffenen Dieselfahrer sind die Dummen, weil sich Union und SPD auf kein praktikables Konzept einigen können.” Die FDP wolle eine freiwillige Hardware-Nachrüstung für alle betroffenen Dieselfahrzeuge der Norm Euro-5 in denjenigen Städten, in denen Fahrverbote drohen.

Experte vergleicht Autoindustrie mit Dieben

Ein Sprecher von Bundesfinanzminister Olaf Scholz (SPD) bekräftigte die bisherige Position des Finanzministers, der eine Kostenbeteiligung des Staates an möglichen technischen Nachrüstungen älterer Diesel abgelehnt hatte.

Greenpeace-Verkehrsexperte Benjamin Stephan kritisierte: “Nachdem die Autokonzerne zuletzt Milliardengewinne eingefahren haben, will die CDU nun Steuerzahler für die Folgen des Betrugs zur Kasse bitten. Das ist etwa so einleuchtend, wie ein Einbruchsopfer zu bitten, dem Dieb seine Beute abzukaufen.” Das Image des Diesels ist nicht zuletzt wegen des Abgas-Skandals schwer belastet.

In dem monatelangen Koalitionsstreit um technische Diesel-Nachrüstungen war nach dem jüngsten Urteil, zu Fahrverboten in Frankfurt am Main, wieder Bewegung in die Debatte gekommen. Bundeskanzlerin Merkel, die lange gegen Umbauten an Motoren argumentiert hatte, vollzieht nun eine Wende und öffnete sich angesichts des Urteils für Nachrüstungen. Obwohl die Debatte, etwa in Hamburg oder Stuttgart, bereits seit langem präsent ist, könnte der Wendepunkt nun erreicht sein. Die drohenden Fahrverbote in Frankfurt am Main scheinen die Parteivorsitzende wachzurütteln, schließlich ist am 28. Oktober Landtagswahl in Hessen.

(dpa)

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