Es heißt doch: Gewisse Dinge soll man ruhen lassen. Geht es nach den Bewohnern des Chicagoer Viertels Cabrini Green, gehört dazu auch die Legende des Candyman - jenes mysteriösen Hakenmörders, der auftaucht, spricht man seinen Namen fünfmal in einen Spiegel. Nun: Nia DaCosta und Jorden Peele halten nichts davon, Dinge unter den Teppich zu kehren. Sie haben sich den "Candyman" vorgeknöpft und einen Horrorklassiker auf Hochglanz poliert. Ab morgen im Kino.
Candyman - Kurzinhalt zum Film
Der junge Künstler Anthony McCoy (Yahya Abdul-Mateen II) lebt mit seiner Freundin, der aufstrebenden Galeristin Brianna Cartwright (Teyonah Parris), in einem luxuriösen Appartement. Bei bestem Wein und mit atemberaubendem Ausblick wird über soziale Ungerechtigkeit debattiert, über die Ausbeutung der afroamerikanischen Community durch die Weißen. Gentrifizierung? Klar, gibt es auch hier, im ehemaligen Sozialprojekt Cabrini Green. Doch da war noch was...
Es dauert nicht lange, bis Anthony, angestachelt von einer alten Schauergeschichte, auf den Namen Candyman stößt, jene ominöse, völlig entstellte Figur, die in dieser Gegend vor Jahren für Angst und Schrecken sorgte. Viel ist von den alten Geschichten und Gebäuden nicht mehr geblieben, nur ein paar Wohnblöcke stehen noch - heruntergekommen und leer, bis auf einen alten Bewohner, der dafür umso mehr zu erzählen hat und damit einiges ins Rollen bringt.
Candyman: Die Kritik
Peele hat mit Filmen wie "Get Out" oder "Wir" das Horrorgenre neu belebt, in dem er handwerklich gut gemachte Schocker für das Anprangern des rassistischen Gesellschaftssystems in den USA nutzte. Auch den 1992 erstmals im Kino sein Unwesen treibenden "Candyman" greift Peele auf, um unter die idyllisch scheinende Oberfläche zu blicken und seine Charaktere mit einer Vergangenheit zu konfrontieren, die bis ins Hier und Jetzt nachwirkt.
Dabei lässt der Produzent und Drehbuchmitautor diesmal allerdings DaCosta den Vortritt, was die Inszenierung betrifft: Die 31-jährige Regisseurin legt ihren zweiten Spielfilm vor und hat ganze Arbeit geleistet, ist "Candyman" doch gleichermaßen furchteinflößend wie schön anzuschauen. Die diversen Rückblenden, die die Vorgeschichte des entstellten Mörders erzählen, sind als Schattenspiele höchst stilisiert gehalten, während die scharfen Schnitte zwischen Nobeladresse und verlassener Wohngegend für Spannung sorgen.
Vor allem sind es aber natürlich Spiegel in verschiedensten Formen und Größen, die eine Rolle spielen. Oft erwischt man sich dabei, wie man den Bildausschnitt absucht nach glatten Oberflächen, nach einem Fenster oder einer Scherbe, in der sich womöglich eine schemenhafte Gestalt abzeichnet. Denn Anthony ist durchaus erfolgreich bei seinen Recherchen, die ihn auch zu einer neuen Werkserie inspirieren. Leider wird das bald nicht nur für ihn, sondern allen voran für die Menschen in seinem Umfeld zum Problem.
Die Themen, die DaCosta und Peele beim folgenden Gemetzel anschneiden, sind vielfältig: von der schon erwähnten Gentrifizierung über die Treffsicherheit des sozialen Wohnbaus bis zu Polizeigewalt oder der Aufmerksamkeitsspirale, in der sich Kunst- und Medienwelt oft verfangen. Manchmal wird dabei eine Spur zu dick aufgetragen, bräuchte es gar nicht so deutliche Bilder oder klare Worte, um die Intention der Filmemacher zu erkennen.
Denn "Candyman" funktioniert als klassischer Horrorfilm ebenso wie als Parabel auf eine Welt voller Ungerechtigkeit. Diese wird oft und äußerst brutal mit einem Haken durchbohrt, bis auch das letzte bisschen Blut herauströpfelt. Und das, wie könnte es bei einem derart detailverliebten Kreativteam anders sein, natürlich vom "alten" Candyman-Darsteller Tony Todd. Wenn schon ein Revival, dann richtig.
(APA/Red)