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Burgtheater räumt Nestroy-Preise ab

"Ganz ohne Preis nach Hause zu gehen, ist Scheiße", meinte Burgtheater-Direktor Matthias Hartmann am gestrigen Montagabend im Verlauf der elften Nestroy-Preisverleihung, die erstmals im Haus am Ring stattfand.
Nestroy-Preisverleihung 2010 in Wien
Dene beste Schauspielerin

Hartmann hatte allerdings keinen Grund zur Klage, konnte er doch nicht nur selbst den “Spezialpreis” entgegennehmen, den ihm die Nestroy-Akademie für seine “öffentlichen Proben” von “Krieg und Frieden” von Leo Tolstoi im Burgtheater-Kasino zuerkannt hatte. Seine Bühne ließ in der ersten Saison seiner Direktion der Konkurrenz schlichtweg keine Chance. Kein einziger Preis ging an diesem Abend an Josefstadt, Volkstheater oder eine der anderen Bühnen des Landes.

Dennoch gab es einige Überraschungen. Zwar wurde die Grande Dame Kirsten Dene erwartungsgemäß endlich als beste Schauspielerin ausgezeichnet, so setzte sich bei den Kollegen Martin Wuttke gegen Klaus Maria Brandauer und Ignaz Kirchner durch, bedankte sich für den “schönen Willkommensgruß” nach seiner ersten Wiener Saison und versprach: “So schnell werdet ihr mich hier nicht mehr los.”

Die größte Überraschung erlebte jedoch Paulus Manker, der von Moderator Peter Simonischek schon als Laudator für Martina Stilp als “Pfefferschote in der Wiener Theatersuppe” angekündigt worden war: Der zum zweiten Mal vergebene Publikumspreis ging an das Enfant terrible, das meinte “Sie werden mich nicht sprachlos sehen. Aber es ist knapp dran” und in den folgenden Minuten endlich etwas Spannung in die mit uninspirierter Moderation (Buch: Peter Ahorner und Peter Simonischek) und routinierten Musikeinlagen (Tilo Nest brachte mit Kollegen Auszüge aus ihrem Programm “Abba jetzt!”) vor sich hin plätschernde Veranstaltung brachte.

Manker erinnerte daran, dass diese Sympathiebezeugung des Publikums in einem Jahr erfolge, in dem er eine Facebook-Gruppe “Ich scheiß auf Paulus Manker” geklagt habe und sich auf der “Kurier”-Homepage unter den unbeliebtesten Österreichern in einer Reihe mit Adolf Hitler und Josef F. gefunden habe. Er nutzte die Gelegenheit, u.a. der abwesenden Kulturministerin Claudia Schmied (S) die Leviten zu lesen. Sie sei nie beim Nestroy-Preis, “das geht nicht: Österreich ist ein Ski- und Kulturland. Zum Hahnenkammrennen und zur Nestroy-Gala zu gehen, ist das Mindeste.”

Er verwies darauf, dass seine “Alma”-Produktion aus Geldmangel vor dem Aus stehe und freute sich, dass kurz nach ihm Ulrike Kaufmann und Erwin Piplits für ihr Lebenswerk geehrt würden. Diese seien ihm als Kämpfer gegen alle Widrigkeiten immer Vorbild gewesen. Dieser Abend müsse dazu führen, dass der Fortbestand ihres Serapionstheaters gesichert werde, sagte Manker, der sich als Vertreter der freien Szene deklarierte (“Ich bin zwar auch Burgschauspieler, aber das ist nur eine Notlösung”), die an einem solchen Abend krass unterrepräsentiert sei.

Deren Vertreter sorgten dann auch für die wenigen weiteren kritischen Wort der Gala. Sabine Mitterecker, die nach 2000 bereits ihren zweiten Off-Nestroy entgegennehmen konnte, dankte im Gegensatz zu Manker ausdrücklich der Unterrichtsministerin, dass sie eine Wiederaufnahme der ausgezeichneten “Frost”-Inszenierung im MUMOK ermöglicht habe, wünschte sich aber endlich bessere Arbeitsbedingungen und den Wegfall des typischen Reflexes bei den Subventionsgebern, wenn man an sie ein Projekt herantrage: “Uj, das müssen wir auch noch fördern.” Karl Markovics, der dreieinhalb Jahre als Ensemblemitglied des Serapionstheaters gearbeitet hatte, forderte in seiner Laudatio auf Ulrike Kaufmann und Erwin Piplits den Finanzminister dazu auf, “diesen Preis nicht als Ernte, sondern als Saat zu betrachten”.

Der Nestroy für die beste Regie ging an den lettischen Regisseur Alvis Hermanis für “Eine Familie” im Akademietheater, der Autorenpreis an Kathrin Röggla für “worst case”. Die Beste Ausstattung lieferte Johannes Schütz für “Das Begräbnis” von Thomas Vinterberg. Bester Nachwuchs wurde Sarah Viktoria Frick mit verschiedenen Rollen in “Adam Geist” von Dea Loher im Akademietheater. Zur besten deutschsprachigen Aufführung wählte die Jury “Volpone” von Ben Jonson in der Regie von Werner Düggelin (Schauspielhaus Zürich).

Der Nestroy für die beste Nebenrolle ging an Johann Adam Oest für verschiedene Rollen in “Der goldene Drache” von Roland Schimmelpfennig im Akademietheater. Er erhielt von Regina Fritsch eine der schönsten Laudationes des Abends (“Wäre er ein Berg, wäre er der Himalaya. Wäre er Hollywood-Schauspieler, wäre er Jack Nicholson. Wäre er ein Sänger, wäre er Enrico Caruso. Wäre er ein Land, wäre er Atlantis…”) und dankte mit einer kleinen Wahlrede: “Ich bedanke mich bei meinen Wählerinnen und Wählern. Ich möchte ein Nebendarsteller für alle sein.”

Weitere Höhepunkt der sonst allzu routinierten Hochglanz-Veranstaltung, die durch Struwwelpeter-Störaktionen eher peinlicher als lockerer wurde: Die innige Umarmung von Mitterecker und den von ihr auf die Bühne gebetenen “Frost”-Darsteller Andreas Patton, standing ovations für Dene sowie für Kaufmann und Piplits und ein hinreißendes Laudatorinnen-Trio Birgit Minichmayr, Sylvie Rohrer und Johanna Wokalek für den Besten Schauspieler. Die drei stünden hier zum ersten Mal gemeinsam auf der Bühne, meinte Simonischek. Beim nächsten Mal wird es hoffentlich ein Stück sein, das sie zusammenführt – und keine Gala.

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