„bumm tschak oder der letzte henker“ – Clubsound, Todesstrafe und Demokratie in der Schwebe

Wenn in einer nicht allzu fernen Zukunft die Beats durch die Wände des angesagtesten Clubs der Stadt hämmern, dann ist das nicht nur der Soundtrack zur Nacht, sondern das pochende Herz einer taumelnden Gesellschaft. In Ferdinand Schmalz’ neuem Stück „bumm tschak oder der letzte henker“, das am 18., 20. und 21. Juli im Theater am Kornmarkt zu sehen ist, wird der Club zur letzten Zuflucht vor einer politischen Realität, die sich mit erschreckender Konsequenz verdunkelt.
Rausch und Realität
Angeführt wird diese Dystopie von einer neuen Kanzlerin, deren erste Amtshandlung es ist, die Todesstrafe wieder einzuführen. Es ist ein symbolischer, aber auch realer Gewaltakt – eine Rückkehr zum archaischen Strafvollzug, begründet mit den bekannten Phrasen von harten Zeiten und harten Mitteln. Und es braucht jemanden, der bereit ist, dieses Mittel auch auszuführen. An dieser Stelle tritt Joseph, der Clubbesitzer, auf den Plan: ein moderner Orpheus zwischen Nebelmaschine und Justizministerium, der sich zwischen Rausch und Realität, zwischen Beat und Bekenntnis wiederfindet. Mit feinem Gespür für historische Tiefenschärfe greift Schmalz zur Figur Josef Lang – dem letzten offiziellen Scharfrichter der k.u.k.-Monarchie. Doch der historische Bezug bleibt nicht museal. Vielmehr dient Lang als Projektionsfläche für die Frage: Wer sind die Vollstrecker autoritärer Systeme in unserer Zeit? Und: Ist das Bedürfnis nach Ordnung, nach Strafe, nach Eindeutigkeit nicht längst auch in unsere liberale Wirklichkeit eingesickert? Mit „bumm tschak oder der letzte henker“ gelingt Schmalz eine Parabel auf die fragilen Ränder der Demokratie. In seiner gewohnten, funkelnd überzeichneten Sprache bringt er die Abgründe unserer Gegenwart zum Klingen – in Sätzen, die sich zwischen Litanei und Tanz bewegen, zwischen kaltem Befehlston und ekstatischem Club-Gestammel. Die Groteske wird zum Erkenntnisinstrument. Der Rhythmus wird zur Ideologie.
Theater als Widerhall gesellschaftlicher Kipppunkte
Regisseur Stefan Bachmann, der in der Saison 2024/25 frisch als künstlerischer Direktor an der Burg angekommen ist, setzt damit seine Zusammenarbeit mit Schmalz nach dem gefeierten „jedermann (stirbt)“ fort. Was als ironischer Remix des Salzburger Klassikers begann, entwickelt sich nun zur düsteren Weiterführung: Der Tod als Institution, die Wiederkehr des Henkers, nicht mehr als individuelle Angst, sondern als staatlich sanktionierte Realität. Bachmann, der für seine formal radikalen und zugleich psychologisch dichten Inszenierungen bekannt ist, hat ein Team von Theatergrößen um sich versammelt: Olaf Altmann (Bühne), Adriana Braga Peretzki (Kostüme), Sven Kaiser (Musik), Sabina Perry (Choreografie) und Bernd Purkrabek (Licht) gestalten eine Bühne, auf der sich Politik und Pop, Justiz und Jugendkultur sowie Barockes und Basslastiges durchdringen. In dieser Mischung liegt die Kraft des Abends – und seine Gefahr, denn was so hypnotisch beginnt, kippt ins Unheimliche.
Die Rollen dieses ebenso wuchtigen wie vielstimmigen Abends übernehmen Mehmet Ateşçi, Stefanie Dvorak, Sarah Viktoria Frick, Melanie Kretschmann, Maresi Riegner, Max Simonischek, Thiemo Strutzenberger und Stefan Wieland.
Schmalz, das sich nach Ferdinand Raimund benannte und das „Schmalz“ zum künstlerischen Programm erklärt hat, bleibt sich treu:
Das Theater ist kein didaktisches Lehrstück, sondern ein Spiegelkabinett des Alltäglichen. Es ist sprachlich verschnörkelt, ironisch aufgeladen und tief in der österreichischen Erzähltradition verwurzelt, hat aber immer auch einen Blick auf die Risse im Fundament der Gegenwart. Mit Figuren, die wie tanzende Skelette durch eine Welt taumeln, in der niemand mehr weiß, was richtig oder falsch, was Realität oder Pose ist, gelingt ihm eine beunruhigend aktuelle Vision. „bumm tschak“ ist kein reines Warnstück, sondern ein Tanz auf dem Eis. Und das knirscht. Wer „bumm tschak oder der letzte henker“ besucht, sollte sich nicht auf ein bequemes Theatererlebnis einstellen.. Der Abend fordert intellektuell, ästhetisch und politisch. Doch genau darin liegt seine Wucht. Schmalz und Bachmann zeigen nicht, wie es werden könnte. Sie zeigen, was bereits da ist – nur eben in anderer Form und mit anderem Sound. Der Bass wummert. Der Vorhang hebt sich. Der Henker wartet. Und wir sind mittendrin.