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Buch "Tatort Kinderheim": Erziehungsheime waren "Zentren der Gewalt"

Hans Weiss spricht ins einem Buch "Tatortkinderheim" von "Zentren der Gewalt".
Hans Weiss spricht ins einem Buch "Tatortkinderheim" von "Zentren der Gewalt". ©APA (Sujet)
Hans Weiss kommt in seinem Buch "Tatort Kinderheim" zu dem Fazit, dass die Kinder- und Jugendheime in Österreich bis weit ins letzte Drittel des 20. Jahrhundets "Zentren der Gewalttätigkeit und des sexuellen Missbrauchs" waren. Am Montag präsentiert er sein Werk in der Wiener Hauptbücherei.
Missbrauch in Pitten vermutet
Missbrauch in Wiener Heimen

Der mit Titeln wie “Bittere Pillen”, “Schwarzbuch Markenfirmen – Die Machenschaften der Weltkonzerne” und “Schwarzbuch Landwirtschaft” bekanntgewordene Autor hat für sein aktuelles Werk die Vorgänge in 135 Heimen und Internaten untersucht. Mit 45 Zöglingen, die psychische, körperliche und sexuelle Gewalt erlebt haben, hat Weiss persönlich gesprochen. Weiss hat auch Täter und Täterinnen mit den wider sie erhobenen Vorwürfen konfrontiert. Zusätzlich zu seinen eigenen Recherchen lässt er bereits andernorts erschienene journalistische Arbeiten und gedruckte Erinnerungen Betroffener in seinen Bericht einfließen.

Folter und Missbrauch in Kinderheimen

Dieser fällt erschreckend aus. Mehr als 100.00 Kinder und Jugendliche sind seit 1950 durch geistliche und weltliche Erziehungsheime gegangen, wo etliche von ihnen weitgehend hilflos struktureller Gewalt zum Opfer fielen. Sie mussten Demütigungen, Übergriffe und Folter über sich ergehen lassen, wobei weibliche Erzieher genau so grausam sein konnten wie Männer und Buben eben so häufig vergewaltigt wurden wie Mädchen. Einige Institutionen wie das Klosterheim Edelhof in Rohrbach an der Gölsen (Niederösterreich) entwickelten mit dem “Beinahe-Ertränken” eigene, perverse Foltermethoden.

In der psychiatrischen Kinderbeobachtungsstation Innsbruck wurden einem fünfjährigen Mädchen wegen vorgeblichen Onanierens zwei Fingerglieder amputiert. Kinder, die in die Hose machten, wurden dort mit Stromstößen “behandelt”. Dutzende Minderjährige bekamen das Hormon Epiphysan gespritzt oder wurden Versuchen mit Röntgenstrahlen ausgesetzt.

Hans Weiss veröffentlicht “Tatort Kinderheim”

Weiss macht deutlich, dass er in all jenen Fällen, wo Vorgesetzte und Verantwortungsträger die Zustände in den ihnen unterstehenden Institutionen kannten bzw. kennen mussten, für mitschuldig am Leid der betroffenen Kinder und Jugendlichen hält.

Weiss’ Fazit: “Wer Berichte ehemaliger Zöglinge über den Alltag in dieser Erziehungsanstalt liest, muss zu dem Schluss kommen, dass Professor Ringel während seiner jahrzehntelangen Tätigkeit offenbar mit geschlossenen Augen durch die Anstalt tappte und die Realität nicht wahrnahm oder nicht wahrnehmen wollte.”

Das Buch “Tatort Kinderheim” wird am 17. September um 19 Uhr in der Wiener Hauptbücherei am Urban Loritz Platz vorgestellt. Der Eintritt ist frei.

(APA/Red)

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