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Bryan Ferry in Wien: Zu cool für die heutige Welt

Was Bryan Ferry am Mittwochabend in der Stadthalle hinlegte, war cool. Viel Applaus für die vom jüngsten Cover bekannten Bob Dylan-Cover ebenso wie die Popsongs, mit denen Ferry berühmt geworden ist.

Ferry hat sich über Jahre zur Erscheinung stilisiert – und ist dort längst angekommen: Im Anzug mit leichtem Glitzereffekt und Krawatte schaut er auch jenseits der 60 blendend aus. Und ebenso blendend – mit wenigen Ausnahmen – die Erwachsenenpop-Musik des gestrigen Abends: Auch die längst in der Übersättigungsspirale ganz unten angelangten und deshalb schon wieder nach oben Richtung Anhörbarkeit rotierenden Dylan-Klassiker wie „Knocking On Heaven’s Door“ und „The Times They Are A-Changing“ perlen mit schwungvoller Glätte, Ferry-Hits wie „Don’t Stop The Dance“ oder „Let’s Stick Together“ reißen das schon sehr distinguierte und nicht eben junge Publikum nach vorne vor die Bühne.

Ferry steht auf dieser Bühne wie eine Filmfigur, wie der singende Kunstlehrer, der er nun mal ist. Das ließ vergessen, wieviel Kritikerschelte sich Ferry für seine „Dylanesque“-CD einheimste, und wie gestelzt das allzu wertkonservative Eigenimage ist, an dem Ferry unermüdlich bastelt – live war der Sänger einfach gut.

Dann, plötzlich, bei einer der letzten Zugaben, als das Publikum schon vorne steht und die Vergangenheit ebenso zelebriert wie die Tatsache, dass Ferry auch heute noch was zu bieten hat, dreht er sich verschwitzt zur Seite – und sieht aus wie Udo Jürgens. Das war zugegebenermaßen etwas eigenartig, fast so wie die Jahrmarkt-Lichterkette und der Sternenhimmel unter der Bühnen-Decke und der blutjunge Gitarrero, der Solo nach Solo abnudeln darf.

Dass mit Bryan Ferry eine Ästhetik auf die Bühne kommt, die an allen Ecken knirscht und staubt und die transportierten Werte mehr Snob als Pop sind, war gestern kein Schaden – sondern weckte schon wieder so etwas wie Genuss an der Antiquität. Wer den noch antikeren und ungleich aktuelleren Bob Dylan so nonchalant covert, perfekten Pop wie „Jealous Guy“ auf die Bühne bringt und einen Abend derartig überzeugend darauf beharrt, ein Klassiker des Kunstpop zu sein, verdient Respekt. Auch wenn Bryan Ferry bei weitem zu cool für diese heutige Welt ist.

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