Brillantes RSO-Finale beim Carinthischen Sommer

Das Interesse war so groß gewesen, dass Intendantin Nadja Kayali kurzfristig am Vormittag noch eine öffentliche Generalprobe eingeschoben hatte, bevor am Abend das Festkonzert, das von ORF III aufgezeichnet wurde, den gefeierten Schlusspunkt des Carinthischen Sommers markierte.
Beeinflusst vom Jazz
Alsop setzt in ihrem Programm auf Steigerung und zeigt deutlich, wie geschickt es ihre Landsleute George Gershwin und Leonard Bernstein verstanden, Elemente des Jazz und der populären Musik in ihre Werke zu integrieren. Es beginnt mit Gershwins "Cuban Ouverture", in der die Latin-Rhythmen noch vergleichsweise verhalten einfließen. Dabei dominieren die breiten Streicherteppiche, auf denen Gershwin das von einem Lied Ignacio Pineiros abgeleitete, bewegende Hauptthema ausbreitet.
Forscher zur Sache geht es da schon im Klavierkonzert F-Dur von 1924, seinem ersten großen Orchesterwerk. Der damalige Modetanz Charleston dominiert den ersten Satz, ein in Phrasierung und Rhythmus unglaublich schön getroffener Blues den zweiten, und schließlich ein donnernd explosiver Ausbruch den Finalsatz. Alsop arbeitet Melodik und Rhythmik der Werke geradezu idealtypisch heraus, lässt ihr Orchester toben und schmeicheln. Bei diesen so stark jazzbeeinflussten Werken braucht es viel mehr als nur Präzision.
Ein Wermutstropfen
Ein Wermutstropfen sind die beengten Bühnenverhältnisse im Kongresshaus. So geht manches des hoch engagiert vorgetragenen Klavierparts von Claire Huangci im allgemeinen Trubel unter, weil man den Deckel des mächtigen, mittig positionierten Steinway nicht öffnen konnte. Er hätte sonst den Blick auf die Dirigentin verstellt. Nadja Kayali ist also nicht die erste Konzertveranstalterin, die sich ein großes zentrales Festspielhaus für Kärnten wünscht.
Dieses Problem erledigt sich nach der Pause mangels Klavierpart. In Bernsteins Symphonic Dances aus der "West Side Story" und dessen Three Dance Episodes aus dem Musical "On the Town" blüht das RSO Wien noch einmal auf. Gershwins Möglichkeiten in Sachen Instrumentierung und Kompositionstechnik waren begrenzt. Er wollte deshalb sogar Stunden bei Maurice Ravel nehmen, der allerdings ablehnte, um zu verhindern, dass aus seinem Freund ein schlechter Ravel würde und der am Ende sein großes Talent für Melodie und Spontaneität verliere.
Bernstein hingegen spielt hier alle seine Stärken aus. Besonders die Rhythmusgruppe explodiert im Vergleich zu Gershwin. Da liegen natürlich auch Jahrzehnte der Entwicklung des Jazz dazwischen. Die Symphonic Dances aus der West Side Story dampfen das Musical noch einmal auf seinen Kern ein: die jeweiligen Leitmotive der verfeindeten New Yorker Gangs der Jets und der puerto-ricanischen Sharks, der herzergreifende Song "Somewhere" für die beiden tragisch Verliebten Tony und Maria, der Rhythmus der multikulturellen Stadt.
"Candide"-Ouvertüre als Zugabe
Als Zugabe entschied sich das Orchester auf Wunsch von Nadja Kayali für die Ouvertüre aus Bernsteins "Candide", das erst im zweiten Anlauf als Musical und mit völlig neuem Libretto ein Erfolg geworden war. Erst nach Minuten verabschiedete das begeisterte Publikum die vom RSO Wien zur ersten Ehrendirigentin ernannte Alsop schließlich mit tosendem Applaus und Standing Ovations.
(Von Karin Waldner-Petutschnig/APA)
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