AA

Bregenz: Warum Winzer Sepp Möth sich über vertrocknete und faule Trauben freut

VOL.AT traf Sepp Möth bei seiner Hauptlage in Neu Amerika.
VOL.AT traf Sepp Möth bei seiner Hauptlage in Neu Amerika. ©VOL.AT/Mayer, VOL.AT/Natter, Canva Pro
Für Winzer Möth ist die Saison eigentlich schon vorbei. An den Rebstöcken sind einige Trauben zurückgeblieben. Sie vertrocknen zu Rosinen, werden faul. Doch den Bregenzer Winzer freut das.

Darum geht es:

  • "Epochales, historisches Ereignis" – Winzer entdeckt Edelfäule im Weinberg.
  • Diese lässt Trauben zu "flüssigem Gold" werden.
  • Möth plant, das Risiko einzugehen und edelsüßen Wein zu produzieren.
Jetzt auf VOL.AT lesen

"Historisches Ereignis"

"Wir steuern auf ein fast schon epochales, historisches Ereignis, zumindest bei uns im Weingut zu", verdeutlicht Möth beim VOL.AT-Lokalaugenschein bei seiner Hauptlage in Neu Amerika. Die Edelfäule habe das Weingut erwischt, verrät er. "Ich bin selber ein bisschen perplex, dass das in unseren Breitengraden jetzt so stark durchgreift", gibt er zu verstehen. "Das gibt es nur in ganz speziellen Ausnahmesituationen." Der Neusiedlersee oder Sauternes (Frankreich) seien etwa dafür bekannt – und inzwischen wohl auch der Bodenseeraum, so Möth. "Mir ist es noch nicht bekannt, dass irgendwas mit Edelschimmel, mit Edelfäule in einer hohen Gradation geerntet wurde", so der Winzer. Er will den Versuch nun wagen.

VOL.AT war mit Winzer Möth bei seiner Hauptlage in Neu Amerika. ©VOL.AT/Natter
Winzer Möth zeigt die Edelbotrytis auf den Beeren. ©VOL.AT/Mayer

"Flüssiges Gold" durch Botrytis

Für den Laien sehe es so aus, ob es die Trauben nur faulen, meint Möth. "Auch für mich im ersten Moment, muss ich sagen, als Profi", gesteht der Bregenzer. Am Freitagvormittag sei er in den Weingarten gegangen, da die Lese des Welschrieslings für das Wochenende geplant war. "Und dann denke ich mir so mit einem Auge, Herrgott, fix noch einmal, wie soll ich da unseren lieben Helfern beibringen, was sie mit in die Kisten hineinlesen dürfen, was sie ausschneiden, selektieren müssen", schildert er. In Zuge dessen habe sich nach einer Rücksprache mit Winzerfreunden herausgestellt, dass es eine Edelfäule sei. Diese hätten gefragt: "Sepp, hast du irgendeinen Schimmelgeschmack oder Essiggeruch im Weingarten?" Das habe er verneinen können. "Dann hat es geheißen, ich soll einmal eine kurze Probepressung machen, mit einem Kübel mal runterschneiden. Und siehe da, wie ich durch das Refraktometer durchschaue, zeigt es 19, 20, 21 Grad, Klosterneuburger Mostwaage an", erzählt Möth. Dann kam die zweite Frage: "Sepp, hast du schon genug Wein im Keller?" Die Hauptlese war bereits erledigt. So bekam er den Tipp, das Risiko einzugehen und zu versuchen, auf einen edelsüßen Wein oder Prädikatswein abzuzielen.

Um den Zuckergehalt zu messen, pflückt der Winzer eine Traube und drückt sie auf das Refraktometer. ©VOL.AT/Natter
Durch die Edelfäule erhöht sich der Zuckergehalt. Diesen kann er ablesen. ©VOL.AT/Mayer
Auch Redakteurin Mirjam durfte sich über den hohen Zuckergehalt vergewissern. ©VOL.AT/Natter

Abwarten und Wein trinken: Die nächsten Schritte

Mit der Klosterneuburger Mostwaage wird der Zuckergehalt von Traubenmost in Gewichtsprozent gemessen. "Das ist der Zuckeranteil in dem Saft, in dem Traubensaft", verdeutlicht Sepp Möth gegenüber VOL.AT. Durch die Botrytis genannte Edelfäule werden die Trauben süßer. Wenn die Fäulnis zum richtigen Zeitpunkt komme, wenn die Trauben schon hochreif seien, dann setze sich der Pilz auf die Beerenhaut, so der Winzer. Er lege sozusagen einen Schlauch in die Beere und entziehe ihr das Wasser. "Das heißt, was übrig bleibt, ist Zucker und Extrakt und das macht die Beeren so rosienartig süß", meint er. "Es sieht vielleicht im ersten Moment nicht ganz appetitlich aus, so eine Traube, aber es ist rosinenartiger Saft und flüssiges Gold, sagt man auch."

Möth nimmt die Trauben genau unter die Lupe und riecht auch daran. Die Beeren sollten nicht nach Essig riechen. ©VOL.AT/Mayer
Auch Bienen erfreuen sich an den süßen Früchten. Sollen sie doch, meint Möth. ©VOL.AT/Mayer
Die blauen Netze schützen die Beeren vor Vögeln. ©VOL.AT/Mayer

„Jetzt sind wir froh und mutig“: Ein Blick in die Zukunft

Da Möth und sein Team keine Erfahrung mit der Edelsüßweinproduktion haben, sprachen sie sich mit Profis ab. Jetzt heiße es erst einmal abwarten, so der Bregenzer. "Wir haben die Rebfläche jetzt eingenetzt, eben für den Vogelschutz, weil die mögen das natürlich auch gern", erklärt er. "Unsere Mitbewerber sind jetzt die Bienchen, aber die nehmen wir mit Humor, die lassen wir gerne an diesen zuckersüßen Trauben ein bisschen noch eindecken für den Winter." In den nächsten Wochen werde man beobachten, wie sich das Wetter entwickle. "Der Worst Case wäre, dass es jetzt im Standing bleibt, wie es jetzt ist", verdeutlicht Möth. Dann bleibe es im normalen Spätlesebereich. "Einfach normaler, guter Wein", meint der Winzer. "Es kann sich auch verwässern, natürlich, durch extreme Niederschläge. Und das Szenario, das wir uns wünschen, aber niemals zu ertrauen gewagt haben, ist, dass wir vielleicht dann nachher irgendwas mit Auslese, Beerenauslese oder dergleichen hinbekommen."

"Wir können eigentlich jetzt nur mehr gewinnen, weil die Haupternte ist eingefahren", so Möth. ©VOL.AT/Natter
Die Trauben dürfen weiter reifen und bleiben hängen. ©VOL.AT/Mayer
Die Trauben vertrocknen zu kleinen Rosinen. Der wenige Saft ist dann herrlich süß. ©VOL.AT/Mayer

Video: Warum Möth die Edelfäule freut

„Jetzt sind wir froh und mutig“ „Wir können eigentlich jetzt nur mehr gewinnen, weil die Haupternte ist eingefahren“, so Sepp Möth. Man sei in einer Zeit angekommen, in der man die Veränderungen im Witterungsbereich deutlich zu spüren bekomme, verdeutlicht der Winzer. „In den letzten 30, 35 Jahren, wo wir Wein machen, man hat dann schon mit sehr viel Bürden zu tun, wie Frost, wie Hagel, Unwetter. Und jetzt haben wir ein wunderbares Erlebnis einmal“, meint er. Man sei daher froh und mutig. „Was kommt heraus? Das werden wir dann sehen. Aber wir sind gewappnet, um das auch umzusetzen“, betont der Bregenzer. Die Kellereiinspektion sei informiert und stehe bereit. „Wir müssen das nachher dementsprechend auch amtlich beeiden lassen oder bestätigen lassen, falls diese Situation eintrifft“, verdeutlicht der Winzer dazu. Noch vor dem ersten Frost soll geerntet werden.

Mehr zum Thema

(VOL.AT/Mirjam Mayer und Jan Natter)

  • VIENNA.AT
  • Vorarlberg
  • Bregenz: Warum Winzer Sepp Möth sich über vertrocknete und faule Trauben freut