Dem österreichischen Diplomaten Valentin Inzko, der Ende März vom Friedensimplementierungsrat (PIC) zum neuen “Hohen Repräsentanten” bestellt werden soll, steht ganz gewiss eine schwierige Aufgabe im “Land des erhöhten Blutdrucks” bevor, wie Bosnien dieser Tage von lokalen Medien bezeichnet wird. Auch auf den Gebrauch der sogenannten “Bonn Powers”, seinen breiten und häufig kritisierten Befugnissen wird der neue Bosnien-Beauftragte kaum verzichten können.
Die Europäische Union erwarte eine Fortsetzung der politischen Spannungen in Bosnien-Herzegowina, allerdings keine damit verbundene Destabilisierung der Sicherheitslage, wurde am heutigen Mittwoch der jüngste Bericht des EU-Chefdiplomaten Javier Solana, der dem UNO-Sicherheitsrat erst zugestellt werden soll, von der Tageszeitung “Dnevni avaz” zitiert. Solana stellte ferner das Scheitern der jüngsten Gespräche führender Politiker über die längst fällige Verfassungsreform fest. Ein erster Versuch, das durch das Dayton-Friedensabkommen Ende 1995 auf die Beine gestellte komplizierte und teure Staatsgebilde durch die Verfassungsreform funktionsfähiger zu machen, war vor vier Jahren bereits einmal gescheitert.
Was für ein Staat ist Bosnien-Herzegowina heute? Vor einigen Tagen wurde der Nationalfeiertag, der Tag der Unabhängigkeit, der am 1. März in Erinnerung an das Unabhängigkeitsreferendum gefeiert wird, das von bosnischen Serben im Jahre 1992 größtenteils boykottiert worden war, wiederum einmal nur in der größeren Entität, der Bosniakisch-kroatischen Föderation, begangen. In der Republika Srpska wird der Nationalfeiertag nämlich weiterhin strikt ignoriert.
Die Hoffnungen, dass die vorjährige Unterzeichnung des Stabilisierungs- und Assoziierungsabkommens (SAA) mit der Europäischen Union dem komplizierten Balkanstaat einen entscheidenden Ansporn für die euroatlantischen Integration und die damit verbundenen Reformen verleihen dürfte, sind vorerst nicht in Erfüllung gegangen.
Führende Politiker der drei Staatsvölker – Bosniaken (Muslime), Serben und Kroaten – hatten zwar im Oktober optimistisch eine schnelle Einigung über die längst fällige Verfassungsreform angekündigt. Die Reformgespräche gerieten am 21. Februar in die Sackgasse, als der bosnisch-serbische Premier Milorad Dodik bei einem Treffen mit Sulejman Tihic (SDA) und Dragan Covic (HDZ) in Mostar die Forderung stellte, in die Verfassung auch das Recht der Republika Srpska auf ein Unabhängigkeitsreferendum einzubauen. Das würde praktisch der Auflösung des Staates gleichkommen.
Die Forderung Dodiks wird als Reaktion auf die gegen ihn zuvor eingereichte Strafanzeige wegen Finanzmachenschaften und Amtsmissbrauches interpretiert. Dem führenden bosnisch-serbischen Politiker wird angelastet, enorme Finanzmittel unter anderem für die Errichtung eines neuen Regierungsgebäudes in Banja Luka gesetzwidrig verwendet zu haben und dadurch dem Budget der kleineren Entität einen Schaden in Höhe von 72,5 Mio. Euro zugefügt zu haben.
Bosnisch-serbische Politiker haben daraufhin angedroht, sich aus den gesamtstaatlichen Institutionen zurückziehen zu wollen. Dazu kam es vorerst aber nicht. Allerdings hat das bosnisch-serbische Parlament das Verwaltungszentrum Banja Luka in der vergangenen Nacht auch offiziell zur Hauptstadt der kleineren Entität erklärt. Bisher war dies Ost-Sarajevo, das auch die einstige Hochburg der bosnischen Serben Pale einbezieht.
Eines steht nun fest, eine Schließung des Büros des Hohen Repräsentanten bzw. seine Verwandlung in das Büro des EU-Beauftragten – Inzko wird wie seine Vorgänger beide Ämter innehaben – ist zur Zeit nicht in Sicht. Die internationale Staatengemeinschaft hatte die OHR-Schließung im Vorjahr an die Lösung einiger Fragen – darunter jene des Staatseigentums, aber auch der verfassungsmäßigen Regelung vom Status des Brcko-Distriktes – sowie an die allgemeine Stabilität gebunden. Auch ein Abbau der EUFOR mit rund 2.000 Soldaten soll vorerst nicht vorgenommen werden.