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BMW R 1200 GS Adventure: Wünsch Dir was

BMW belohnt seine treuesten Kunden zur Weihnacht mit genau dem, was sich Boxer-Fans wohl am sehnlichsten gewünscht hätten, wenn sie tatsächlich so kühn gewesen wären, von einem serienmäßig eingebauten 110 PS Boxermotor zu träumen, der ihre GS mit satten 120 Newtonmetern aus dem Eck schleudert.
Bilder von der BMW R 1200 GS Adventure

Wir dürfen bei knapp Null Grad des Morgens in München einfliegen, um gleich den Supereimer der GS Reihe aus dem BMW Testfuhrpark auszuklinken. Die neue BWM R 1200 GS in Adventure – Ausführung ist fetter gestopft als Omas Weihnachtsgans. Mit allem, wovon Tourenbegeisterte feuchte Träume kriegen könnten. ABS, ASC, Enduro-ESA, Alukoffer, Griffheizung, LED Zusatzscheinwerfer, Bordcomputer, 33 Liter Riesentank, Handprotektoren und und und… Und vor allem: DAS Aggregat.

Monster-Boxer

Der Doppelnockenwellen-Boxer aus der HP-2 Sport sorgt mit größeren, Schlepphebel betätigten, Ventilen, optimierten Brennräumen und Kanälen, neuer Luftführung und einem komplett neuen Schalldämpferinnenleben, nebst Abgasklappe für extra fülliges Drehmoment und ein Drehzahllimit von 8.500 U/min. Der stärkste und drehfreudigste Enduro-Boxer aller Zeiten also. Ausgestattet mit dem fettesten Sound, den BMW jemals einem Straßenendtopf entweichen ließ. Das fahrfertig 256 Kilo schwere, 91 cm hohe Reisemonster vom Hauptständer zu hieven, fällt auch Redakteuren mit Gardemaß nicht leicht und die versammelte BMW Projektleiterschar grinst wissend, als sie dem mit den Füßen in der Luft zappelnden Hilfsabenteurer den Tipp geben, die Adventure doch lieber daneben stehend abzubocken. OK, überredet! Dann klappt’s auch gleich besser mit dem Aufsteigen.

Es brummt

Linker Fuß auf die Raste und beim Losfahren elegant den rechten über das straffe, durchgehend und bequeme Sitzkissen geschwungen. Ich hab’s eilig. Schließlich drohen Dunkelheit und Schneefall im Spessart. Eine 370 Kilometer Etappe bis nach Hanau ist angedacht. Die Betonung liegt dabei auf EINE. Ohne Pipipause, ohne Beine vertreten und vor allem ohne Tanken. Denn das FID im schicken, neu gestalteten und vor allem auf das neue Drehzahllimit aktualisierte Cockpit verspricht gleich mal eine „Restreichweite“ von 583 Kilometern. Na dann auf die linke Spur eingefädelt und mit sattem Brumm aus dem Drehzahlkeller im Sechser die Tachonadel auf knapp 200 eingestellt, rennt der Boxer mit dem ganzen Toureneisen auf dem Rücken völlig locker und unbeeindruckt Richtung Nürnberg. Der Windschutz hinter der mit neuer Verstellmöglichkeit versehenen Scheibe ist mehr als gut. Und vor allem der Nässeabweis funktioniert fast perfekt. Denn kurz nach Nürnberg schüttet es wie aus Kübeln. Das Außenthermometer warnt dazu vor Temperaturen von unter 2,5 Grad Celsius. Glättegefahr! Doch nicht auf der Adventure. Die fährt weiter wie auf Schienen. ASC und ABS sind aktiviert. Die Heizgriffe auch! Also runter von der Bahn und rauf auf die Landstraße.

Tausche Ohrensausen gegen Boxersound

Echt phänomenal, wie die neue GS ihre Arbeitsleistung hinausposaunt. Dumpf und frech rotzt der Boxer hinten raus. Aus jeder Ecke das füllige Drehmoment unten rum nutzend, marschiert die Adventure trotz voller Beladung mehr als beeindruckend vorwärts. Je höher der Gang, umso besser. Ähnlich schön war’s nur mit der HP-2 Enduro. Und dann dieses Fahrwerk. Einmal in Bewegung, Adventure schieben ist immer noch kein Vergnügen, verwandelt sich das Ungetüm in ein leichtfüßig galoppierendes Rennkamel. Kurvenradien werden hier offenbar per Gedankenübertragung vom breiten Lenker angenommen und umgesetzt. Wer einmal diese Symbiose mit einer GS eingegangen ist, wird zu einem nicht abzuhängenden Verfolger auf der Landstraße oder, noch wahrscheinlicher, zum Pacemaker jeder Reisegruppe. Sänftenartig aber mit glasklarer Rückmeldung von der Straße agiert das Telelever-Einarmschwingen-Konglomerat unter dem Fahrer. Jederzeit während der Fahrt per ESA-Knopfdruck anpassbar auf Bodenbelag und Fortbewegungsmodus. Wer sowas als unnötige technische Spielerei abtut, hat ja keine Ahnung, wie nervig ein zu hart abgestimmtes Fahrwerk auf schlechten Landstraßen werden kann. Da reicht bei der BMW ein Knopfdruck und der Wechsel auf die „Comfort“ Einstellung. Schon wird jedes Schlagloch glatt gebügelt und die GS klebt förmlich am eiskalten Asphalt. Und nun, bei Einbruch der Dunkelheit, kommen auch die Energie sparend mit LEDs ausgerüsteten Zusatzscheinwerfer zu ihrem Einsatz. Beste Straßenausleuchtung. Und bestimmt wird man jetzt nicht mehr übersehen.

Motorradbau in Perfektion

Für einen Tester, der stets bestrebt ist, Fehler und Unzulänglichkeiten zu entdecken und anzuprangern, ist die neueste Ausbaustufe der R 1200 GS weiß Gott kein dankbares Versuchsobjekt. Die Weißblauen bewegen sich mit diesem Apparat so nah an der Perfektion des Motorradbaus, dass man den anderen Herstellern, die sich in diesem Segment versuchen, schon fast ein paar Päckchen Tempo-Taschentücher zustecken möchte, um die Tränen der Verzweiflung zu trocknen. Hatten wir beim letzten Vergleich noch dem Triumph-Tiger den geileren Motor zugesprochen, zerschmettert BMW nun auch diese letzte Schwäche mit dem DOHC-Triebwerk und weckt mit dem neuen Sounddesign echte Emotion. Emotion, die der Vorderradabhebeerkennung endlich zu ihrer Daseinsberechtigung verhilft, denn so leicht gingen Powerwheelies mit einem Motorrad dieser Gewichtsklasse noch nie von der Gashand. Aus der Ecke heraus einfach gut einschenken, und die GS geht wie von selbst aufs Hinterrad. Gut, wenn da der Begrenzer einhackt. Wer das Vorderrad gern länger schont, kann die Fahrhilfen ganz einfach per Knopfdruck aus und, nach dem ersten Schreck, auch gern wieder einschalten. ABS und ASC übrigens auch unabhängig von einander.

Such den Fehler

Aber bei der nächsten Modellüberarbeitung wünscht sich der pingelige Eisheilige dann doch unbedingt noch eine Bremshebelverstellung, die ihre Position beibehält. Denn immer wieder vibriert sich dieses kleine Schräubchen heraus und verschiebt den Druckpunkt der Bremse zum Griff hin. Immer wieder und wieder. Nervig! Und noch eine Schwäche offenbart die Adventure kurz vor Testende. Das Zündschloss friert ein. Und zwar ganz fies weit weit unten im Kunststoff-Korpus. Aufwärmen mit Feuerzeug unmöglich. Schon wegen der ganzen Elektronik drumherum. Auch ein heiß gemachter Schlüssel funzt da nicht. Erst der Heißluftfön kann das Schloss auftauen. Also, liebe Nordkap-Adventure-Reisende, packt euch lieber einen Fön ein, der per Bordsteckdose betrieben werden kann. Denn sonst strandet ihr eines Morgens jenseits des Polarkreises. Gefangen vom eigenen Zündschloss! Na, BMW, wie wär’s denn mal mit ner Zündschlossheizung?

Der Grundpreis für die normale R 1200 GS beträgt 13.000 Euro, die Adventure kostet 14.550 Euro, in Vollausstattung, also mit Safety und Touring Paket, kommen noch mal 3.000 Euro hinzu. Macht also 17.500 Euro für den Eintritt in den Enduro-Adventure-Himmel. Aber dann fehlt auch wirklich nix mehr. Außer der Zündschlossheizung!

Weitere Informationen auf http://www.bikerszene.de/

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