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BMW K 1300 GT: Fern – Schnell – Gut

Hubraum ist durch nichts zu ersetzen – außer durch mehr Hubraum. Diese alte und immer wieder bestätigte Motorradweisheit nahm sich BMW zu Herzen und erhöhte besagten Hubraum bei seinen 4-Zylindern von 1200 auf 1300. Genau gesagt: von 1.157 auf 1.293 ccm.
Bilder von der BMW K1300 GT

Die BMW K 1300 GT macht hier keine Ausnahme. Schon der 1200er war ja ein außerordentlich potentes Kerlchen, da weckt der 1300er natürlich Neugier, ob da jetzt noch mehr geht.

So, jetzt ist also die BMW K 1300 GT dran. Mal gespannt. In den Anfangszeiten meiner Motorradzeit war die K 100 LT gerade aktuell und hat so ziemlich alle Preise abgeräumt, die es zu vergeben gab. Mir hat sie nie gefallen. Zu glatt, zu perfekt und zuviel gelobt. Natürlich bin ich nie eine gefahren, war mir aber absolut sicher daß es nix für mich ist. Jetzt stehe ich mit all meinen Vorurteilen vor dem Urenkel und freue mich richtig auf den anstehenden Test. Die Eckdaten sind viel versprechend, die 80er lange her und ich mittlerweile soweit, dass ich ein Moped erstmal fahren will, bevor ich es in eine Schublade packe.

Da steht sie nun. Die K 1300 GT ist vor allem mal ein riesiges Motorrad. Die Ausmaße der Verkleidung haben auf den 1. Blick fast beängstigende Formen. Sehr breit ist auch die seitliche Verkleidung, man verschwindet fast komplett dahinter. Ansonsten: alles sehr sauber verarbeitet, schicke 2-farbige Lackierung und perfekt in die Linie eingefügte Koffer. An beiden Lenkerenden: eine Unzahl von Schaltern, erstmal sortieren. Die K 1300 GT hat einen Blinkerschalter! Die Betonung liegt auf einem Schalter. Wie man es von anderen Motorräder gewohnt ist: blinken und zum Abschalten draufdrücken. Vorbei sind die Zeiten in denen Nicht-BMW-Fahrer an der Abschaltung der Blinker verzweifelt sind. In der Bedienung ein deutlicher Fortschritt. Was findet sich sonst noch an der linken Lenkerhälfte? ESA, ASC, Bordcomputer, Tempomat, Warnblinkschalter, elektrische Scheibenverstellung und Lichthupe. Nein, wir haben kein Auto von BMW getestet, wir reden immer noch von der K 1300 GT. Um die Verwirrung komplett zu machen: rechts findet sich der Starter, Griff- und Sitzheizung. Immer noch nicht genug Schalter? Der Beifahrer kriegt auch noch einen. Hinter der Sitzbank ist der Schalter für die 2-stufige Sitzheizung für den Sozius zu finden. Einen Schalter habe ich übrigens nicht gefunden: den für das Fernlicht. Mangels Bedienungsanleitung bis heute nicht. Ach ja: Xenonlicht ist auch an Bord, ABS sowieso. Die Sitzbank lässt sich mit wenigen Handgriffen in der Höhe verstellen. Auch der Lenker ist höhenverstellbar. Lediglich 2 Schrauben mit dem Bordwerkzeug lösen und schon kann man um mehrer Zentimeter nach oben oder unten variieren.

Wow. Das nennt man dann wohl eine komplette Ausstattung, wie üblich ist ein Großteil aufpreispflichtig. Wer hätte zu den seligen Zeiten der K 100 LT von so einer Ausstattung auch nur zu träumen gewagt. Aber jetzt eines nach dem anderen. Fangen wir mit ESA an. Das elektronische Fahrwerk lässt sich während der Fahrt in den Einstellung Komfort, Normal oder Sport verstellen. Zusätzlich kann noch die Belastung eingestellt werden: Fahrer, Fahrer und Beifahrer, Fahrer mit Gepäck, usw. Doch dazu später mehr. Mit Info ruft man den Bordcomputer ab: Durchschnittsverbrauch und –Geschwindigkeit, Restreichweite, Reifendruck, Außentemperatur oder auch einfach nur die Uhrzeit. Nettes Gimmick, zumal die Restreichweite wirklich gute Dienste tut. Gleiches gilt für den Tempomat. Auf der Autobahn sehr praktisch. Das elektrische Windschild lässt sich auch während der Fahrt stufenlos verstellen. Die Einstellung reicht von gutem Windschutz bis „man kriegt nix mit“. Mit der Griffheizung hatte ich gerechnet. Wer je bei nasskaltem Wetter mit durchgeweichten Handschuhen unterwegs war, wird die Griffheizung nie mehr missen wollen. Aber jetzt: Hallöchen Popöchen, meine erste Sitzheizung auf einem Motorrad. Ja, sie funktioniert. Allerdings kann ich aufgrund der warmen Temperaturen und daher mangelndem Einsatz nicht mehr sagen. Meine Beifahrerin war allerdings auf Anhieb begeistert. Die serienmäßigen Koffer bieten ordentlichen Stauraum, zusätzlich befindet sich in der Verkleidung noch ein kleines und sehr praktisches (abschließbares) Staufach.

All diese Dinge summieren sich natürlich zu einem ordentlichen Preis. Für die BMW K 1300 GT sind grundsätzlich 17.800 Euronen zu berappen. Farbmäßig hat man die Wahl zwischen Magnesium-Beige-metallic, Royalblau-metallic und Red-Apple-metallic. Die Sonderausstattung der Testmaschine schlägt wie folgt zu Buche: ESA 740 Euro, ASC (Automatic Stability Control) 300 Euro, Xenon 360 Euro, Griff- und Sitzheizung je 205 Euro, Bordcomputer 145 Euro und Tempomat 310 Euro. Im Paket kann man alle genannten Optionen bis auf ASC für 1.700 Euro erwerben, macht also insgesamt 19.800 Euro für den freundlichen BMW Händler. Immerhin bekommt man mit einem Leergewicht von 255 kg auch einen ordentlichen Gegenwert. Voll getankt bringt die K 1300 GT dann 288 kg auf die Waage. Die Zuladung kann sich mit 232 kg absolut sehen lassen. Der Motor sollte mit dem Gewicht auch unter voller Beladung keine Mühe haben. 118 KW (160 PS) und 135 NM bei 9.000 respektive 8.000 Umdrehungen versprechen heftige Beschleunigungswerte und ordentlich Punch aus dem Keller. Ein 6-Gang-Getriebe bringt die Leistung dann auf die Straße. Die Werte der 1200er liegen im Vergleich bei 112 KW (152 PS) und 130 NM bei 9.500 und 7.750 Umdrehungen.

Genug der Theorie, jetzt soll es endlich losgehen. Mit wenigen Handgriffen ist die Sitzbank verstellt, den Lenker lasse ich vorerst mal ganz oben. Damit gibt sich eine aufrechte Sitzposition, der Lenker liegt sehr gut in der Hand. Alles ist gut erreichbar. Lediglich die an der Verkleidung montierten Rückspiegel sind sehr weit entfernt. Die Sicht ist zwar gut, aber eine Verstellung während der Fahrt fast ausgeschlossen. Die Scheibe lasse ich erstmal in der untersten Stellung. Die Fußrasten sind für ein solches Tourenschiff recht hoch montiert, so ergibt sich ein doch recht spitzer Kniewinkel. Nicht wirklich unbequem, aber auf Dauer auch nicht 100%-ig komfortabel. Der Beifahrer findet ein absolutes Sahneplätzchen vor. Sitzbank ultrabequem (und bei Bedarf auch beheizt), die Fußrasten genau da wo man sie haben will. Die großen und soliden Haltegriffe komplettieren das ganze. Ein kurzer Druck auf den Starter und schon nimmt die BMW den Dienst auf. Kupplung ziehen und den 1. Gang einlegen. RUMMS. Erschrocken prüfe ich ob ich die Kupplung wirklich ganz gezogen habe: habe ich. Na ja, der Gang ist halt sehr deutlich drin. Losfahren, 2. Gang rein. RUMMS. Auch den hast Du eingelegt, teilt mir das Getriebe gewissenhaft mit. OK. Jetzt kommt der 3. dran. Klock. Na zumindest kein RUMMS mehr. Aber dennoch eine deutliche Lebensäusserung. Das ein Motorradgetriebe gerade beim 1. Gang mal ordentlich klackt, ist ja in Ordnung. Aber das Getriebe der K 1300 GT ist schon ein Fall für sich. Jeder Schaltvorgang wird von teilweise fürchterlichem Krachen begleitet. Grundsätzlich lässt sich das Getriebe gut und zuverlässig schalten, aber butterweich ist etwas komplett anderes. Für ein Motorrad dieser Preisklasse erwartet man schon etwas anderes.

Zum Glück hat die K noch etwas was das Getriebe (fast) vergessen lässt. Der 1300er 4-Zylinder ist der absolute Hammer. Prädikat: suchtfördernd. Was die Eckdaten der Maschine versprachen, löst sie voll und ganz ein. Leistung und Drehmoment ohne Ende. Unglaublich wie dieses Dickschiff abgeht. Der Fahrer hat die freie Wahl: die Gänge ausreizen oder im großen Gang bleiben. Spielt keine Rolle. Der Motor hat immer und überall Leistung im Überfluß. Genau darin liegt der Reiz. Wo andere Motoren entweder eher über die Drehzahl kommen oder die Drehfreude dem Durchzug weicht, bietet die BMW beides. Nebenwirkung: Dauergrinsen mit anschliessendem Muskelkater in den Wangen und gefühlt längere Arme beim Fahrer. Ob auf der Autobahn oder auf kurvigem Geläuf auf der Hausstrecke, der Motor macht alles mit. Steigungen existieren gefühlt nicht mehr, Beifahrer und Gepäck ebenso nicht. Galten so manche BMW 4-Zylinder als verkappte Säufer, trifft dies nicht auf die K 1300 GT zu. Bei der Autobahnfahrt mit hochgefahrener Scheibe und Geschwindigkeiten konstant zwischen 170 und 200 km/h verbrauchte die BMW gerademal 6,5 Liter auf 100 km. Für ein Motorrad dieser Leistung- und Gewichtsklasse mit einem in der Gewichtsklasse entsprechenden Fahrer in Textilkleidung ein sehr ordentlicher Wert.

Die erste Ausfahrt führt 380 km über die Autobahn. Wie erwartet ist die K 1300 GT wie für die Autobahnfahrt gemacht. In der untersten Stellung trifft der Fahrtwind im oberen Schulterbereich auf den Fahrer, ansonsten ist der Oberkörper angenehm vom Winddruck entlastet. Je weiter die Scheibe nach oben gefahren wird, desto mehr lässt der Druck nach. Ganz oben angekommen, liegt lediglich der Helm im Fahrtwind. Der Oberkörper ist auch bei hohen Geschwindigkeiten vollkommen entlastet und entspannt. Hochgefahrene Scheibe in Verbindung mit einem leisen Helm erlauben somit dauerhaft und stressfrei hohe Reisegeschwindigkeiten. Auch die Beine sind vor Wind und Wetter sehr gut geschützt. Bei 30-minütiger Regenfahrt haben lediglich die Knie etwas Regen abgekommen. Auf langen Strecken empfand ich es grundsätzlich empfehlenswert die Sitzbank in der höheren der beiden möglichen Stellungen zu montieren. Dies gestaltet den oben bereits angesprochen spitzen Kniewinkel doch erträglicher. Natürlich liegt die BMW egal bei welchen Geschwindkeiten wie das buchstäbliche Brett auf der Straße. Lange Strecken auf der Autobahn macht das alles für mich zwar nicht spannender, aber man bringt sie schneller und entspannter hinter sich.

Als nächstes runter von der Autobahn und ab auf die Hausstrecke. Auch hier zeigt sich die BMW von ihrer besten Seite. Der Motor begeistert, das Fahrwerk ebenfalls. An alle Skeptiker was das elektronische Fahrwerk ESA betrifft: es funktioniert prächtig und ist jeden Cent wert. Wer meint so etwas nicht zu brauchen, kann gerne wieder auf wackelige Motorräder vergangener Tage steigen. Ich bevorzuge die perfekte Möglichkeit das Motorrad ultraeinfach auf die aktuellen Wünsche anzupassen. Im Grunde genommen ist die Stellung „Normal“ für fast alle Fälle ausreichend. Wer aber gemütlich und noch komfortabler unterwegs sein möchte, schaltet einfach auf „Komfort“. Wer sich für einen Zwischensprint in kurvigem Geläuf eine härtere Abstimmung wünscht, schaltet auf „Sport“. Einfach so, während der Fahrt. Funktioniert bestens. Vorbei die Zeiten wo Vorspannung und Klicks gezählt werden. Ein simpler Knopfdruck tut es auch. Die BMW lässt erstaunlich zügig bewegen, durch die hoch montierten Fußrasten ist die Schräglagenfreiheit mehr als ausreichend. Das Fahrwerk zeigt sich unbeeindruckt von den Fahrbahnzuständen, die BMW nimmt alles was ihr unter die Räder kommt. Aber genau hier ist das Haar in der Suppe. Die Rückmeldung dringt nicht zum Fahrer durch. Man fühlt sich sozusagen von der Straße entkoppelt. Das hohe Gewicht der K 1300 GT stört allenfalls im Stand oder beim rangieren. Einmal in Fahrt gerät es schnell in Vergessenheit. In engen Kurven und Kehren holt es einen dann doch wieder ein. Hier wirkt sich die große Verkleidung in Form von Kopflastigkeit aus. Liest sich schlimmer als es ist. Von nix kommt halt nix. Von einem VW-Bus erwartet man ja auch keinen Sportwagen-CW-Wert und von einem Porsche keinen großen Kofferraum. So mancher Lenker vermeintlich sportlicherer Zweiräder war dann auch sehr überrascht als dieser Trumm im Rückspiegel einfach nicht abzuhängen war. Von Serpentinen und Kehren abgesehen, bewegt sich die BMW nämlich so gar nicht träge. Schräglagenwechsel gehen gut von der Hand, die Fuhre liegt absolut gut und macht einen Heidenspaß. Natürlich ist aufgrund des Gewichts auch Körpereinsatz gefragt und die K 1300 GT lässt sich nicht so handlich wie eine F 800 R in die Kurve schmeißen. Aber da ist deutlich mehr möglich als ihr Aussehen es einen glauben lässt. Auch die Bremsen machen jeden Spaß mit. Die Handkräfte könnten etwas geringer ausfallen, dafür gefallen die Stopper mit einem guten Druckpunkt und enormer Bremsleistung.

Fazit

Bei der BMW K 1300 GT denkt man an einen gemütlichen Tourendampfer zum Kilometerfressen auf der Autobahn und gemütlich durch die Lande touren. Doch damit tut man der BMW absolut unrecht. Sie kann viel mehr, hat durchaus sportliche Seiten und einen Motor der einfach nur der Hammer ist. Mörderleistung, hohes Drehmoment und das alles bei günstigem Spritverbrauch. Auch das elektronische Fahrwerk ESA legt die Messlatte sehr hoch. Nie war es so einfach ein Motorrad auf den gewünschten Einsatz abzustimmen. Damit kommt K 1300 GT der Eierlegenden Wollmilchsau sehr nahe. Ihr mögliches Einsatzspektrum ist so breit wie bei kaum einem anderen Motorrad. Beim Getriebe sollte aber dringend nachgebessert werden. Funktion und Schaltbarkeit gehen zwar absolut in Ordnung. Aber die mit jedem Schaltvorgang verbundene Klangkulisse treibt einem immer wieder die Gänsehaut ins Genick.

Mehr Informationen auf http://www.bikerszene.de/

Text: Matthias Hirscher

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